Urheberrecht: § 52a

"Eiskalte Enteignung der Wissenschaftsverlage"

22. November 2012
Redaktion Börsenblatt
Der Paragraf 52a des Urheberrechts soll um zwei weitere Jahre verlängert werden. Alexander Skipis, der Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins, spricht in einem Interview im aktuellen "Börsenblatt", das wir hier wiedergeben, von einem politischen Skandal.

Zum vierten Mal soll der Paragraf 52a, der die öffentliche Zugänglichmachung von Werken zu Unterrichts- und Forschungszwecken befristet regelt, verlängert werden. Halten Sie das für sinnvoll?
Alexander Skipis: Überhaupt nicht. Das ständige Wiederbefristen zeigt nur, dass der Gesetzgeber keine Entscheidung treffen will.

Wäre eine Entfristung, wie die SPD sie vorschlägt, die Lösung?
Einer Entfristung steht schon die Art und Weise entgegen, wie der Paragraf bisher gehandhabt wird. Zu der angemessenen Vergütung, die der Gesetzgeber für die Leistung der Verlage vorgesehen hat, ist es nach wie vor ja nicht gekommen. Hierin sehe ich den eigentlichen Skandal: Die Praxis läuft auf eine eiskalte Enteignung von Wissenschaftsverlagen hinaus – und zwar mit Billigung der Justizministerin, die ihren Aufgaben in diesem Fall wieder einmal nicht nachkommt.

Was fehlt, damit die Zugänglichmachung angemessen vergütet werden kann?
Es fehlt vollständig an einer Erfassung genutzter Werke mit Autor und Titel, es fehlt an Nutzerzahlen und an der Feststellung der genutzten Umfänge. Auf derart dreiste Weise vereitelt die öffentliche Hand seit neun Jahren mutwillig, dass Urheber und Verlage für die Nutzung ihrer Texte vergütet werden. Die Schutzbehauptung, eine solche Evaluation sei den Hochschulen administrativ nicht zuzumuten, hat bisher vor keinem Gericht standgehalten. In den USA, und nicht nur dort, sind werkbezogene Lizenzierungen von elektronischen Semesterapparaten, den sogenannten Coursepacks, seit vielen Jahren eine Selbstverständlichkeit.

Fürchten Sie nicht, dass die öffentliche Meinung sich auf die Seite der Bildung und Wissenschaft schlägt, weil sie sich am Gemeinwohl orientiert?
Die Diskussion wird an einem falschen Ort geführt. Wissenschaftsverlage sind, genauso wie Einrichtungen der Bildung und Wissenschaft, systemrelevante Institutionen einer Gesellschaft. Wir dürfen deren Interessen nicht gegeneinander ausspielen. Der Staat muss seinen Sonntagsreden, wie wichtig ihm die Bildung sei, auch Taten folgen lassen und sein Wissenschafts- und Bildungssystem finanziell entsprechend ausstatten. Derzeit versucht der Staat, sich zulasten der Verlage aus seiner Finanzierungspflicht zu stehlen.

Trägt vielleicht die gelegentlich obszöne Preisgestaltung für wissenschaftliche Zeitschriften dazu bei, dass in der Debatte die Problemverursacher eher auf Seiten der Verlage gesehen werden?
Hier sprechen Sie Einzelfälle an, die allerdings misslich sind. Ich kann nur appellierend darauf hinweisen, dass Fälle überzogener Preise für bestimmte Titel einer sachdienlichen Diskussion um das Urheberrecht, auch um den Paragrafen 52a, schaden. Die Preisfindung auf diesem Markt hat immer auch eine politische Seite und muss nachhaltig gestaltet werden.

Was fordern Sie in Bezug auf den 
Paragrafen 52a vom Gesetzgeber?
Der Börsenverein fordert, die Geltungsdauer des Paragrafen nicht zu verlängern, sondern die Vorschrift auslaufen zu lassen. Wenn aber jetzt doch wieder verlängert wird, sind zumindest zwei Korrekturen am Text notwendig: Entsprechend der bereits vorhandenen Regelung für Schulbücher ist eine Bereichsausnahme für wissenschaftliche Publikationen und Lehrbücher aufzunehmen. Außerdem sollte der Text zwingend voraussetzen, dass in den begünstigten Einrichtungen die genutzten Werke erfasst werden.

Interview: Torsten Casimir

 

Paragraf 52a in Auszügen

"(1) Zulässig ist, 
1. veröffentlichte kleine Teile eines Werkes, Werke geringen Umfangs sowie einzelne Beiträge aus Zeitungen oder Zeitschriften zur Veranschaulichung im Unterricht (...) oder

2. (...) für einen bestimmt abgegrenzten Kreis von Personen für deren eigene wissenschaftliche Forschung
öffentlich zugänglich zu machen (...)

(4) Für die öffentliche Zugänglichmachung nach Absatz 1 ist eine angemessene Vergütung zu zahlen."