Backlist-Bestseller

"Zeitgeistige Thesen haben selten Bestand"

22. November 2012
Redaktion Börsenblatt
Neue Besen kehren gut? Eltern sind da vorsichtig, greifen trotz Novitätendruck gern zu den bewährten Erziehungsratgebern. Ein Gespräch mit Monika König, Cheflektorin für das Programm Mosaik.

Unter Erziehungsratgebern gibt es erstaunlich viele Longseller. Woran liegt das?
König: Das Segment wird deutlich weniger von Moden und Trends beherrscht als andere Sachbuch-/Ratgeberbereiche. Das spricht für die Zielgruppe, Eltern nehmen das Thema Kind und Erziehung sehr ernst. Deshalb sind sie nicht so empfänglich für reißerische Schnellschüsse, sondern wollen fundierte und solide Informationen.

Ist das auch der Grund dafür, dass sich "Oje, ich wachse!" so hartnäckig auf der Bestsellerliste halten kann?
König: Das Buch beschreibt die Entwicklung im ersten Lebensjahr eines Kindes, bündelt die jahrzehntelange wissenschaftliche und praktische Arbeit des niederländischen Autorenpaares Hetty van de Rijt und Frans X. Plooij. Diese große Leistung veraltet einfach nicht so schnell.

Longseller werden vor allem von Spezialisten geschrieben?
König: Aus meiner Sicht sollte es so sein, ja. Mir ist da besonders wichtig, dass unsere Autoren neben fundierten Kenntnissen viel gesunden Menschenverstand mit einbringen – der ist nicht so schnell überholt wie eine zeitgeistige These.

Welche Themen sind besonders lange en vogue?
König: Grundsätzlich ändern sich die Themen nicht so schnell. Bei Mosaik und Goldmann Modernes Leben konzentrieren wir uns sowohl auf Schwangerschaft und das erste Jahr, als auch auf die Phasen Kleinkind und Pubertät. Bei der Phase Kleinkind steht das große, aber nicht neue Thema, wie man am besten Grenzen setzt, im Vordergrund und ist wichtiger denn je. Eine weitere für Eltern schwierige und anstrengende Zeit ist die Pubertät, auch ihr gehört unser Augenmerk.

Eltern sind in Erziehungs- und Umgangsfragen oft unsicher. Kommt das den Verkaufszahlen zu Gute?
König: Unbedingt. Viele Eltern sind Einzelkämpfer und haben in ihrem Umfeld oft kaum andere Familien, die als Vorbilder geeignet wären und mit denen sie sich austauschen können. Außerdem sind sie oft sehr gewissenhaft und wollen nichts falsch machen.

...und kaufen lieber ein Buch als sich im Internet umzuschauen?
König: Ja, denn das Internet kann einen systematisch aufgebauten Ratgeber keinesfalls ersetzen. Es hilft sicher beim Erfahrungsaustausch und bei der Adressensuche, liefert aber nicht die Einbettung in einen Kontext, die ein gutes Buch bietet.

Sie sind also zufrieden, wie es derzeit so läuft?
König: Das Segment entwickelt sich sehr erfreulich: Wir haben 30-40 Titel im Programm und machen pro Jahr etwa fünf Novitäten. Ich mag dieses Programmsegment übrigens sehr, weil es so uneitel ist. Und das Interesse junger Eltern freut mich ganz besonders, dain manchen Köpfen noch die Meinung vorherrscht, dass sie doch eigentlich von selbst wissen müssten, wie sie mit ihren Kindern umgehen. Dass Eltern ihre Erziehnungsaufgabe ernst nehmen, sich Gedanken dazu machen – gerne auch anhand unserer Bücher -  kommt den Kindern sehr zugute. Ein befriedigendes Ergebnis.

Haben Sie Kinder?
König: Einen Sohn, mittlerweile 26 Jahre alt.

Gab es einen Ratgeber-Rat, der Ihnen bei der Erziehung besonders geholfen hat?
König: Als die Zeit der großen Auseinandersetzungen in der Pubertät kam, habe ich meinen Sohn gelegentlich für ein Gespräch auf Augenhöhe in ein Café seiner Wahl eingeladen und nicht am heimischen Küchentisch mit ihm debattiert. Da hat er sich gleich besser gefühlt, ernster genommen, und wir konnten auch nicht so leicht laut werden, wie das zu Hause womöglich passiert wäre.