Mainzer Kolloquium zu Green Publishing

Bio im Bücherregal

6. Juli 2015
Redaktion Börsenblatt
Klimafreundlich drucken, aber auch Etikettenschwindel durch "Greenwashing", wo nur kosmetisch der Anschein ökologischen Produzierens erweckt wird, waren heute vormittag Themen auf dem Mainzer Kolloquium zum Thema Green Publishing.

"Ist unser eigenes Konsumverhalten auf Nachhaltigkeit ausgerichtet?" hatte Prof. Stephan Füssel vom Institut für Buchwissenschaft in Mainz als Hausherr in seiner Begrüßung kritisch gefragt, während Anke Vogel und Corinna Norrick-Rühl vom Institut in die Thematik einführten. Worüber viele staunten: Schon 1732 hatte ein sächsischer Beamter namens Hans Carl von Carlowitz auf die nachhaltige Pflege und Nutzung von Wäldern hingewiesen, da im 18. Jahrhundert durch die industriellen Druckmaschinen deutlich mehr Druckerzeugnisse produziert und folglich mehr Papier benötigt wurde. Vogel und Norrick-Rühl hatten auch die Tagung organisiert, zu der 230 Teilnehmer in die Alte Mensa gekommen waren. 

Stephan Born, Herstellungsleiter der Verlagsgruppe Oetinger, informierte über die Reihe Oetinger Natur. Der Markt für nachhaltige Produkte sei gestiegen, die Kunden betrachteten nicht nur allein das Produkt an sich, sondern zunehmend auch deren Herstellung, die Transportwege, die Arbeitsbedingungen in den Ländern, in denen produziert werde. Das gelte insbesondere für Kinderbücher, wo Eltern das Beste, heißt unbedenklichste Produkt für ihre Kinder wollten. Die nachhaltige Produktion bringe jedoch auch höhere Kosten mit sich. "Gerade in einem Land, das in der Werbung sehr stark durch eine Geiz-ist-geil-Mentalität geprägt ist, ist es ziemlich schwer, auch als Produzent nicht auf den Preis zu achten", meinte Born. Auch Kinderbücher stünden in einem stetigem Konkurrenzumfeld.

Über den den Sinn und Unsinn klimaneutralen Handelns referierte Christian Klein von Nature Office, der auch Mitglied im Normausschusss Druck und Produktionstechnik ist. "Spätestens wenn man einem Geschäftsführer sagt: 'Wenn Du weniger CO2 produzierst, sparst Du auch Geld', entwickelt er ein Interesse für Klimaneutralität", wies Klein auf die Verknüpfung von Ökologie und Wirtschaft hin. Anhand unterschiedlicher Daten ermittelt Nature Office den "CO2-Fußabdruck" einer Druckerei, wo durchschnittlich das Papier rund 80 Prozent der CO2-Menge ausmacht. Durch ein Logo mit eigener Trackingnummer sind Arbeitsprozesse nachvollziehbar. Anhand unterschiedlicher Beispiele aus der Wirtschaft zeigte Klein, mit wieviel Marketingaufwand Unternehmen auf die Klimafreundlichkeit ihrer Produkte hinweisen.

Klein bemängelte die fehlende Transparenz bei den Zertifikatspreisen wie bei der Umsetzung von Klimaschutzprojekten. "Wo gehen die Gelder hin, die ein Unternehmen für ein Klimazertifikat bezahlt? Diese Frage bleibt allzu oft unbeantwortet", meinte Klein und zeigte anhand einer Berechnung, welche Summen wohin fließen. 2012 hat NatureOffice 25.000 Tonnen CO2 durch Projekte kompensiert. Aber: Kann man wirklich klimaneutral drucken? Ein Kolloquiumsteilnehmer forderte, diesen Begriff zu vermeiden, da man höchstens klimakompensiert drucken könne. Und, so ein weiterer Teilnehmer, geht es bei Unternehmen wie Nature Office nicht doch nur um einen Ablasshandel, bei dem Unternehmen mit der Unterstützung von Aufforstungsprojekten etwa sich "reinwaschen" und munter weiterproduzieren wie bislang?