AkV-Jahrestagung in Ulm

Bessere Vernetzung gefordert

23. Juli 2015
Redaktion Börsenblatt
Über die Veränderungen im Markt und die Dominanz von Amazon im Online-Vertriebsweg wurde auf der Jahrestagung des Arbeitskreises kleinerer unabhängiger Verlage AkV gestern Nachmittag und heute in Ulm intensiv diskutiert. Und die Vernetzung vorhandener Branchenlogistik unter einer neuen Dachmarke ins Spiel gebracht.

"Was kann Amazon besser als wir?“ fragte AkV-Sprecherin Britta Blottner. „Wir haben die Ware, die Logistik und viele Portale, wir beherrschen dieses Kerngeschäft, aber auf Endkunden wirken wir sehr verzettelt, sind für sie nicht wahrnehmbar“, sagte der scheidende AkV-Sprecher Bernd Weidmann. Amazon beherrsche eindeutig die Kommunikation, so Peter Klug (Vertriebsbüro Klug), und habe es geschafft, dass viele Kunden meinten, was Amazon nicht führe, gebe es nicht oder sei nicht von Bedeutung: „Dem gilt es entgegenzuwirken.“ Die Marktmacht sei nicht zuletzt dadurch begründet, dass Amazon eine weltweit bekannte, sehr gut funktionierende Suchmaschine aufgebaut habe, so Bettina Preiß (Verlag und Datenbank für Geisteswissenschaften).

Eine neue Online-Marke?

Was aber tun? Spontan schlug Weidmann vor, doch einmal zu überlegen, ob man Barsortimente und Verlagsauslieferungen nicht besser untereinander vernetzen könne: „Wir haben in unserer Branche ein hervorragendes logistisches System, das all das kann, was Amazon auch kann – aber wir haben keine Dachmarke, um uns nach außen darzustellen.“ Würde man eine solche Marke schaffen, könne man mit relativ wenig Aufwand eine echte Alternative zum Online-Giganten schaffen, erläuterte Weidmann.

Um den Bekanntheitsgrad einer neuen Online-Marke durchzusetzen, bedürfe es allerdings großer, auch finanzieller Anstrengungen, so die Überlegungen der Verleger. Amazon habe einen großen Vorsprung. Warum aber nicht auf eine nationale Markenbildung setzen?, fragte Preiß: Die Verlage, die Barsortimente, die Auslieferungen zahlten hier in Deutschland Steuern, schafften hier Arbeits- und Ausbildungsplätze. Das könne man auch werbend nutzen, so einige Verleger, denn Kunden achteten zunehmend bei ihren Kaufentscheidungen auf derartige Faktoren. Auch die Buy-local-Bewegung im Sortiment hebe hervor, dass es Kunden nicht egal sein könne, wie Innenstädte veröden und Online-Versender wenig für das kulturelle und soziale Leben einer Kommune tun. „Die Stadtverwaltungen müssen viel stärker berücksichtigen, dass zur Attraktivität eines Standorts eine lebendige Innenstadt wesentlich beiträgt“, sagte Buchhändler Michael Riethmüller, der bei der AkV-Tagung über die Buy-local-Bewegung referierte – für deren Mitglieder Steuerzahlen in der Region, unbefristete Arbeitsverhältnisse und die Bevorzugung lokaler Geschäftskontakte Pflicht sei. „Inzwischen finden es nicht mehr alle hip, bei Amazon zu kaufen und denken um“, meinte Riethmüller. Er bat die Verleger, ihre Außendienstmitarbeiter für Buy-local zu sensibilisieren.

Auseinandersetzung mit Amazon

Viel Zustimmung bekam Weidmann für seine Idee einer gemeinsamen Plattform, aber auch Widerspruch. Auf jeden Fall müsse man doch prüfen, ob eine solche Plattform auch günstiger arbeiten könne, meinte Rotpunkt-Verleger Thomas Heilmann, und man müsse bedenken, dass Amazon wesentlich mehr anbiete als nur Bücher – „und ob wir wirklich ein Sortiment von der Musik bis zum Kühlschrank offerieren wollen, wage ich zu bezweifeln“, so Heilmann. Im Laufe der Diskussion wurde deutlich, dass es keineswegs um ein Amazon-Bashing gehen könne – „kein Verlag würde seinen besten Autor in die Ecke stellen“, so Karin Timme (Frank & Timme), und Amazon sei für die meisten Verlage nun einmal ein wichtiger Partner. Jeder müsse sich für sich entscheiden, ob er die Bedingungen von Amazon, etwa Rabatte bis zu 57 Prozent, akzeptiere oder nicht, hatte zuvor eine Verlegerin gesagt: „Ich habe durchgerechnet, bei mir wäre es ein Verlustgeschäft, aber das kann ja bei anderen anders sein.“

Den stationären Handel unterstützen

Was ist der Preis, der für das Geschäftsmodell Amazon zu bezahlen sei?, fragte Börsenverein-Hauptgeschäftsführer Alexander Skipis. „Amazon hat zwar ein hervorragendes Angebot für den Endkunden, ist letztlich aber ein Kulturkiller – letztlich läuft es auf ein Monopol hinaus. Macht es ökologisch Sinn, hohe Rücklaufquoten zu akzeptieren? Oder dass die Steuern woanders gezahlt werden und Innenstädte veröden?“ Skipis warb für die kulturelle Vielfalt in Städten durch Buchhandlungen und forderte die Verlage auf, den stationären Handel zu unterstützen.

Der Appell kam auch von dtv-Vertriebs- und Marketingchef Rudolf Frankl, der krankheitsbedingt selbst nicht anwesend sein konnte – überhaupt hatte die Grippewelle ungewöhnlich viele Referenten und Teilnehmer erwischt. Frankls Thesen wurden von Bernd Weidmann (Verlag Die Werkstatt) und Stefan Hauck (Börsenblatt) vermittelt, und eine wichtige eben war: „Ohne den stationären Handel entsteht zu wenig Nachfrage nach neuen Inhalten (digital wie Print) oder sie beschränkt sich auf einen schmalen Bereich von Bestsellern.“ Denn die wenigsten Kaufanstöße kämen aus dem Internet. Verschwinden Buchhandlungen, schwindet auch die Präsenz des Buchs in der Öffentlichkeit.