Interview mit Manfred Meiner zur Lage der geisteswissenschaftlichen Verlage

"Wer von Waldbiologie nichts versteht, sollte sich nicht zum Baumschützer ausrufen"

2. Mai 2013
Redaktion Börsenblatt
Die Konzentration schreitet auch bei geistes- und sozialwissenschaftlichen Verlagen voran. Dennoch haben auch kleinere Häuser Marktchancen und können ihre Identität pflegen, ohne sich jedem Trend unterwerfen zu müssen. Gespräch mit dem Hamburger Verleger Manfred Meiner (Felix Meiner Verlag).

Wie ist die Lage der geistes- und sozialwissenschaftlichen Verlage? Haben kleinere und mittlere Verlage noch Chancen?Gerade die kleineren geisteswissenschaftlichen Verlage haben weiterhin gute Chancen, sich am Markt zu behaupten, sofern es ihnen gelingt, ihre Unabhängigkeit zu bewahren. Kein fremder Gesellschafter kann sie zwingen, eigentlich sachfremden Erwägungen vor der originären programmatischen Arbeit eines Verlages den Vorzug zu geben, nur weil dies derzeit angesagt ist. "Content" wächst ja nicht von ungefähr wie Rosskastanien, und wer von Waldbiologie nichts versteht, sollte sich nicht zum Baumschützer ausrufen. Mit anderen Worten: Große Verlage sehen sich eher dem Zwang ausgesetzt, jeder Entwicklung – und sei sie noch so fragwürdig –, die die Wissenschaftstechnokratie mit ihrer Allmachtsphantasie herbeireden möchte, artig bis opportunistisch zu folgen. Dafür vernachlässigen sie aber ihre eigentlichen Aufgaben und bezahlen am Ende dann im Zweifel teuer mit dem Verlust ihrer Identität.

Was halten Sie von Verlagsverbünden und Kooperationen?Ein gutes Verhältnis zu den Kollegen, wechselseitiger Respekt und ein feines Gespür für die jeweiligen Programmschwerpunkte zeichnet viele wissenschaftliche Verlage seit jeher aus. Dazu gehört gewiss gelegentlich auch eine echte Kooperation bei einzelnen Verlagsprojekten, aber die Regel ist das nicht, denn unsere Veröffentlichungen sind meist das Ergebnis langjähriger Zusammenarbeit mit Autoren und Herausgebern, die aus dem einen oder anderen Grund eben mit uns und nicht mit dem Kollegen aus Berlin oder Stuttgart zusammenarbeiten möchten.

Welchen Stand hat die Digitalisierung in Ihrem Haus erreicht? Ist die E-Book-Ausgabe bei Fachbuch-Neuerscheinungen inzwischen Standard?Schon aufgrund moderner Herstellungsprozesse gibt es auch bei uns seit vielen Jahren praktisch keine nicht auch digital verfügbaren Inhalte mehr. Etwas anderes ist, ob es dafür eine nennenswerte und nachhaltige Nachfrage gibt. Da wir uns der zwar etwas altmodischen, gleichwohl meines Erachtens ökonomisch-ökologisch vernünftigen Betrachtungsweise verpflichtet fühlen, nach der die Nachfrage das Angebot steuern sollte, befahren wir also die Elektro-Schiene – jedenfalls bislang – nur mit begrenzter Ampere-Zahl. Dies ließe sich allerdings jederzeit ändern, wenn die Nachfrage es erfordern sollte.

Welche Erfahrungen haben Sie bisher mit Open-Access-Publikationen gemacht?Einer unserer klügsten Autoren schreibt immer "open exzess". Um ehrlich zu sein: Die Debatte hängt mir zum Halse raus. Leider ist das letzte Wort dazu noch nicht gesprochen, aber bei Vielen scheint sich immer mehr der Verdacht zu erhärten, dass hier eine Horde angeblicher Naturfreunde unterwegs ist, die in jeder Beziehung den Bock zum Gärtner machen möchte.

Welchen Stellenwert hat die Zusammenarbeit mit Bibliotheken oder Bibliotheksbesorgern?Unsere primären Absatzwege führen immer noch über den Handel. Die Nachfrage nach elektronischen Produkten ist nach wie vor sehr gering, nimmt aber langsam zu, da die wissenschaftlichen Bibliotheken die Bedürfnisse ihrer Nutzer auch vor ihrer Entstehung berücksichtigen möchten und/oder über entsprechende Mittelzuweisungen verfügen (müssen). In diesem Kontext suchen wir immer wieder den Meinungs- und Erfahrungsaustausch mit den Bibliotheken, stellen die Belieferung mit elektronischen Publikationen allerdings nicht direkt, sondern vorerst über die diversen Aggregatoren sicher.

Welche Vertriebskanäle nutzen Sie? Und wie verteilen sich Ihre Verkäufe auf Fachsortiment, Online-Handel und Direktvertrieb? Es ist kein Geheimnis, dass qualifizierte Fachsortimente nicht gerade die Gewinner im Strukturwandel der Branche sind, und ich denke manchmal mit Wehmut an die Zeiten vor 20, 30 Jahren zurück, als ich zum Beispiel anlässlich von Autorengesprächen in deutschen Universitätsstädten dort immer auch Buchhändler besucht habe. Tempi passati, die kommen nicht wieder. Natürlich ist der Online-Handel heute die entscheidende Vertriebsform, doch sollte es auch für den stationären Handel weiterhin eine Existenzberechtigung und -grundlage geben, was bei uns seinen Niederschlag in der Tatsache findet, dass wir unser Programm zweimal jährlich durch einen Buchhandelsvertreter propagieren lassen.

Interview: Susanne Broos

 

Mehr zur Lage der geistes- und sozialwissenschaftlichen Verlage erfahren Sie im Börsenblatt Spezial Fachbuch (18 / 2013), das heute erschienen ist.