"Trink’ für mich ein Guinness mit" − diesen wohlgemeinten Spruch hörte ich mehrfach vor meinem Abflug. Die Stadt am Liffey zählt zu den Orten, die jeder gern besuchen möchte, aber stets irgendwie umhin kommt − perfekt für "Fremdsehnen für Anfänger". Ging mir ähnlich. Irlands Hauptstadt liegt nicht weit entfernt, aber ein Kurztrip für ein an seinem Heimatort gezapftes dunkles Bier stand nie ganz oben auf meiner Agenda. Tony Hawks ("Mit dem Kühlschrank durch Irland") meinte, dass man manche Gegenden absichtlich bereise, "bei anderen muss man warten, bis einen das Schicksal dorthin verschlägt."
Den meisten Teilnehmern der Reise wird es womöglich ähnlich wie mir gegangen sein − ob sie aus Berlin, Braunschweig, Erfurt, Ingolstadt, Leipzig, Stuttgart oder Winterthur kamen. Insgesamt 13 Buchhändler folgten dem Mo Media Verlag, der zur Wochenendreise in die irische Hauptstadt per Gewinnspiel eingeladen hatte.
Manchmal funktioniert Schicksal eben so − und es meinte es gut mit der Reisegruppe an den zwei Tagen. Während die Heimat zumeist in Regenfeldern aufging, zeigte sich Baile Átha Cliath, so der irische Name der Metropole, von ihrer besten Seite: das silberne Monument of Lights funkelte in der Sonne unübersehbar, Ha'Penny und O'Connell Bridge sowie die Bänke des Flussufers waren rappelvoll mit Menschen, die sich an den milden Temperaturen erfreuten.
Was bietet die Stadt neben ihrem literarischen Erbe (immerhin gut für vier Nobelpreise!), unzähligen Pubs und irischer Folklore? Zwei dreistündige Stadtrundgänge am Samstag (mit Snack-Stop in der Chester Beatty Library) und Sonntag klärten die jeweiligen Teilnehmer auf. Die demographisch junge Stadt − 50 Prozent der Bevölkerung sind unter 30 Jahre − lebt von Tradition, aber nicht nur. Neben Publikumsmagneten wie St. Patrick's Cathedral, Trinity College samt "Book of Kells" oder Dublin Castle baut Dublin auf innere Verjüngung der Gastro- und Kulturszene abseits des Stadtteils Temple Bar.
Die Graffiti-Szene an der Kneipe "The Bernard Shaw" oder das Restaurant "Green Nineteen" mit Hauptgerichten unter 10 Euro, unweit davon abseits des Zentrums gelegen, zeigten das während des Rundgangs ebenso deutlich wie der Farmer's Market mit lokalen Gaumenfreuden nahe unseres Hotels. Das gemeinsame Abendessen in den "Dublin Wine Rooms" wiederum unterstrich: Gerade das neue entstandene Hafenviertel nahe der 2009 eröffneten Samuel Beckett Bridge beherbergt manchen lukullischen Geheimtipp.
"So funktionieren die 100% Cityguides", freute sich René Bego, der die Idee für eine reine Buchhändlerreise hatte. Man dürfe Sehenswürdigkeiten in Reiseführern zwar nicht vernachlässsigen , "aber immer mehr Reisende, besonders jüngere, möchten ausführlicher über echte Geheimtipps informiert werden." Ein Stadtspaziergang mit Buch und Smartphone-App mache das Erleben intensiver und teilbarer, so der holländische Verleger von Mo Media.
Ich habe daneben festgestellt, wie facettenreich und lebendig Dublins Buchhandelsszene ist. "Eason" mit seinem Stammhaus ist ein Besuch wert wie der stylische "The Dublin Bookstore" der unabhängigen "Dubray Books"-Kette in der Haupteinkaufszone. Von außen ist allein schon das traditionelle "Books Upstairs" gegenüber der "Bank Of Ireland" ein Blickfang, wie auch der vorzüglich sortierte Comic-Laden "Sub-City" − Antiquariate noch nicht mitgerechnet. Im Kaufhaus "Arnotts" hat sich eine kleinere Waterstones-Abteilung eingenistet. "The Winding Stair" ist etwas ganz besonderes: ein Buchladen mit Restaurant.
Die fehlende Buchpreisbindung macht sich durch "Buy one get one free" oder "3 for 2"-Angebote besonders bemerkbar. Und mein flüchtiger Eindruck: E-Books scheinen noch nicht überall das "Next big thing" zu sein.
Auch wenn der Einblick in Irlands größte Stadt nur ein Wochenende währte − tolles Wetter, ausgiebige Rundgänge sowie Champions League Finale im Pub machten das für alle zu einem unvergesslichen Trip. Darauf trink‘ ich gerne ein kühles Dunkles − das nächste Mal in Dublins beliebtester Attraktion, dem Guinness Storehouse.
Neben seiner Tätigkeit als Buchhändler arbeitet Frank Wehrmann als freier Journalist und schreibt zudem einen Blog zu Themen wie Film, Bücher und Großbritannien.