Droemer Knaur zur Übernahme durch Holtzbrinck

"Wir haben keine Fesseln getragen"

5. Juli 2013
Redaktion Börsenblatt
Holtzbrinck hat bei Droemer Knaur jetzt allein das Sagen, vorbehaltlich der Zustimmung durch das Kartellamt. Was sich nach dem Abschied von Weltbild für die Münchner ändert, warum die Trennung nötig war und was man sich als Vollmitglied der Holtzbrinck-Gruppe erhofft: Antworten von Droemer Knaur-Chef Hans-Peter Übleis.

Die Transaktion kam auf Betreiben von Holtzbrinck zustande. Freut es Sie, künftig nur noch einen Hausherrn zu haben – anstatt zwei?
Übleis: Ich finde es eine sehr gute Lösung. Die Zusammenarbeit mit beiden Gesellschaftern lief über 14 Jahre lang hervorragend – beide haben einen langen Atem, strategische Ziele, Wertvorstellungen. Und sie denken nicht in Quartalen. Wir haben uns also immer sehr wohl gefühlt. Allerdings ist es auch so, dass die Tatsache, dass sich Verlage und Handel neu positionieren müssen, auch für uns nicht ohne Folgen bleibt. Zielvorstellungen unterscheiden sich heute stärker als in der Vergangenheit.

Die Wege Ihrer Gesellschafter mussten sich also trennen?
Übleis: Nein, es geht hier nicht um unvereinbare Standpunkte. Allerdings konzentriert sich Weltbild jetzt auf sein Kerngeschäft Handel, stationär, Katalog sowie insbesondere digital und online. Das heißt: Die strategischen Voraussetzungen haben sich in den letzten Jahren schlicht und einfach verändert. Da liegt die Erkenntnis nahe, dass gemeinsame Zielsetzungen, wie man sie bei der Gründung des Joint Ventures hatte, heute weniger Sinn machen. 14 Jahre sind eine lange, lange Zeit.

Weltbild hat seine Verlagsaktivitäten mittlerweile deutlich zurückgefahren.
Übleis: Ja. Anfangs kamen wir mit den von Weltbild eingebrachten Verlagen auf 1.400 Neuerscheinungen pro Jahr, heute publizieren wir nur mehr ein knappes Drittel davon.

Aus Stuttgart heißt es, man wolle durch die Komplettübernahme das Buchgeschäft weiter entwickeln. Kennen Sie die Richtung?
Übleis: Klar - Buch hat Zukunft. Allerdings: Je mehr Entscheider in strategischen Prozessen mit am Tisch sitzen, desto schwieriger ist es naturgemäß, solche Prozesse flexibel zu steuern. Jedenfalls ist die Übernahme aus meiner Sicht für die Branche ein wichtiges Signal, ein sehr gutes und rundum positives: Holtzbrinck, als eine der größten Verlagsgruppen in Deutschland, investiert weiter massiv in sein Kerngeschäft – seine Publikumsverlage.

Denken Sie, der Zeitpunkt dafür ist gut gewählt?
Übleis: Ja, wir stehen in diesem Jahr besonders gut da – im ersten Halbjahr ist Droemer Knaur zweistellig gewachsen.

Wie haben Sie das geschafft?
Übleis: Unser Jubiläum 50 Jahre Knaur hat uns im Taschenbuchmarkt weit nach vorn gebracht. Außerdem hatten wir allein im ersten Halbjahr fünf Nummer eins-Bestseller – das war noch nie da. Insofern fühlen wir uns vom Programm wie auch umsatzmäßig sehr gut aufgestellt. Entscheidend ist: Es ist ein Umsatz, an dem auch ein wenig Ertrag hängen bleibt. Heuer werden wir deutlich über 60 Millionen Euro liegen.

Verändert es Ihren Alltag im Verlag, wenn Weltbild als Gesellschafter jetzt nicht mehr dabei ist?
Übleis: Manche Entscheidungswege werden zwar kürzer und einfacher – im Alltag spielt das aber keine Rolle. Weltbild war als Gesellschafter in den Aufsichtsratssitzungen präsent, doch das hat das operative Geschäft nicht tangiert. Natürlich ist Weltbild zugleich und weiterhin einer unserer drei größten Kunden. Aber das gilt bei jedem anderen Publikumsverlag genauso. Anders gesagt: Es gab keine institutionalisierte Form der Zusammenarbeit, sondern eine im Tagesgeschäft enge Zusammenarbeit zwischen Lieferant und Kunde, wie wir sie auch mit anderen pflegen – unabhängig von der Gesellschafterstruktur. Wir sind professionell miteinander umgegangen, immer nach der Devise 'Leben und leben lassen'. Daran wird sich nichts ändern.

Gibt es personelle Folgen?
Übleis: Nein. Weder der Gesellschafter Holtzbrinck noch wir sehen eine Notwendigkeit, irgendwelche Maßnahmen zu ergreifen.

Galt die Devise – leben und leben lassen – auch für die Programmarbeit?
Übleis: Wir haben keine Fesseln getragen, in welcher Hinsicht auch immer. Allerdings hat jeder Gesellschafter bestimmte Wertvorstellungen - und wenn man die alle unter einen Hut bringen muss, ist Programmarbeit nun einmal ein wenig komplizierter. In unserer Programmarbeit haben wir uns stets im Rahmen der Wertvorstellungen beider Gesellschafter bewegt - die zwar überwiegend deckungsgleich waren, aber nicht in jedem Einzelfall. Insofern ergeben sich beim Programm für uns sicher noch einmal neue Spielräume.

Die neue Eigentümerstruktur vereinfacht die Arbeit? 
Übleis
: Attraktiv für Top-Autoren zu sein, und interessante und verkäufliche Programme zu erstellen, bleibt eine täglich neue und spannende Herausforderung. Wobei, das will ich ausdrücklich noch hinzufügen: Am Zuschnitt unserer einzelnen Programmsegmente sowie der einzelnen Imprints und Tochterverlage müssen wir nichts ändern.

Welche Vorteile hat es dann, strategisch betrachtet, jetzt Vollmitglied der Holzbrinck-Gruppe zu sein?
Übleis: Zum Beispiel diesen: Holtzbrinck hat die Struktur seiner Publikumsverlage international ausgerichtet. Da fällt es sehr viel leichter, auch mit den ganz Großen in unserer Branche global und auf Augenhöhe zu diskutieren.

Inwiefern könnte Droemer Knaur davon konkret profitieren?
Übleis: Kreative Zusammenarbeit mit exzellenten Kollegen setzt immer neue Ideen frei.

Was schätzen Sie an Ihrem neuen Hauptgesellschafter?
Übleis: Die verlegerische und individuelle Freiheit, die er uns gibt. In Stuttgart wird Unabhängigkeit als sehr hohes Gut betrachtet – und das ist kein Lippenbekenntnis, sondern gelebter Alltag, wie jeder in der Branche weiß. Damit fühlen wir uns sehr wohl.

Worauf freuen Sie sich am meisten?
Übleis: Weiterhin verlegerische Freiheit zu genießen.

Müssen Sie dafür umziehen?
Übleis: Nein, nein, wir sind fröhlich und werden mit großer Freude in unserem Verlagsgebäude hier in München bleiben. Sie sind jederzeit herzlich Willkommen.