"Wir befürchten keinerlei Auswirkung auf das Insolvenzverfahren“
Mindestens bis dahin gilt: Es bleiben viele Fragen offen. Kann Suhrkamp, wie es der Insolvenzplan vorsieht, zu einer AG umgebaut werden? Was wird aus der Beteiligung der Medienholding? Ist Suhrkamp tatsächlich akut zahlungsunfähig? Dazu ist, rein rechtlich, das letzte Wort längst noch nicht gesprochen. Auch wenn sich die Familienstiftung bereits auf der sicheren Seite sieht.
"Wir befürchten keinerlei Auswirkung auf das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung durch das Urteil des Landgerichts Frankfurt, da das Verfahren bereits eröffnet und der Insolvenzplan vorgelegt wurde", sagt Verlagssprecherin Tanja Postpischil. Die Familienstiftung habe dem Verlag mitgeteilt, dass sie "gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt in die Berufung geht".
Diese Reaktion war zu erwarten. Denn würde die Familienstiftung hier keine Rechtsmittel einlegen, würde sie letztlich eingestehen, dass man die Dinge in Frankfurt durchaus richtig sieht.
Frankfurt stärkt die Position der Medienholding
Die Frankfurter Richter hatten per Pressemitteilung ihre Haltung öffentlich gemacht – die für die Familienstiftung mehr als unbequem sein und sich kaum so einfach abschütteln lassen dürfte. „Das Insolvenzgutachten und der Insolvenzplan belegen aus Sicht der Kammer, dass der Plan nur darauf ausgelegt ist, die Rechtsstellung der Klägerin (der Medienholding von Hans Barlach; A.d.R.) maximal zu schwächen“ – hieß es da. "Die Beklagte (die Familienstiftung; A.d.R.) betreibt nach Ansicht der Kammer das Insolvenzverfahren nur, um sich im Hinblick auf die Klägerin aus den gesellschaftsrechtlichen Bindungen zu lösen."
Demnach wäre Suhrkamp nur deshalb pleite, weil die Familienstiftung ihre Millionendividende (ca. sechs Millionen Euro für die Jahre 2010 und 2011) nicht genauso zurückstellt, wie es die Medienholding bereits getan hat. Um ihrer Position Nachdruck zu verleihen, griffen die Frankfurter Richter sogar zu einem eher außergewöhnlichen Mittel: Als Ordnungsgeld verhängten sie 250.000 Euro gegen die Familienstiftung – und damit die Maximalsumme, die in einem Verfahren der Einstweiligen Verfügung möglich ist.
Ein Insolvenzverfahren, das in die Geschichte eingeht
Können die Richter am Amtsgericht in Berlin ein solches Urteil tatsächlich ignorieren? Rolf Aschermann, Rechtsanwalt mit eigener Kanzlei in Berlin, ist da skeptisch. Formal habe das eine Verfahren mit dem anderen zunächst nichts zu tun, erklärt er. Allerdings könne man das Urteil aus Frankfurt kaum ganz unter den Tisch fallen lassen. "Das Landgericht Frankfurt betreibt eine ungewöhnlich offensive Kommunikationspolitik – aus meiner Sicht ist das ein klarer Appell nach Berlin, die Argumente bei der eigenen Entscheidung zu berücksichtigen."
Nähmen die Berliner Richter den Insolvenzplan an, würde das der Rechtsordnung schaden, ist Aschermann überzeugt. "Die Bedeutung der Entscheidung geht weit über das Verlagswesen hinaus." Auch in Berlin müsse es darum gehen, ob die Zahlungsunfähigkeit bewusst herbeigeführt wurde, um die Medienholding aus dem Unternehmen zu drängen.
"Sollte sich zeigen, dass es im Rahmen eines Insolvenzverfahrens möglich ist, einen Minderheitsgesellschafter loszuwerden weil er Ansprüche durchsetzt, die der die Geschäftsführung beherrschende Mehrheitsgesellschafter ihm selber eingeräumt hat, beeinflusst das die gesamte Rechtsprechung und strahlt auf ähnlich gelagerte Fälle aus", so Aschermann – das könne nach seiner Einschätzung niemand wollen. Der Knackpunkt: Zur 2012 in Kraft getretenen Insolvenzordnung gibt es Aschermann zufolge noch zu wenig Urteile, die Gerichte in der Auslegung unterstützten. Das Suhrkamp-Urteil wäre in gewisser Hinsicht richtungsweisend.
"Wer Kulturträger ist, sollte sich auch der Rechtskultur nicht verschließen"
Aschermann macht keinen Hehl daraus, dass ihm das als Rechtsanwalt nicht behagt und stellt damit zumindest indirekt auch die Frage nach den unternehmerischen Qualitäten bei den Akteuren. Das Auftreten der Familienstiftung sei "geschäftspolitisch schwierig", meint er. "Weil sie sie sich weder an selbst geschlossene Verträge – also die Gesellschaftervereinbarung von 2009 – hält, noch an die Regeln, die ihr von Gerichten vorgegeben wurden". Für den Gesellschafter eines Unternehmens, das sich als Kulturträger verstehe, sei es keine gute Haltung, wenn es demonstriere, dass ihr die Rechtskultur so wenig bedeute. "Was sollen Autoren und andere Vertragspartner da denken?", fragt Aschermann. "Wie viel sind ihre Verträge wert?"
Die nächsten Schritte
- Sollte das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg bis kommenden Dienstag (20. August) keine Einwände gegen den Insolvenzplan erheben, läuft das Verfahren weiter – solange, bis die Gläubigerversammlung zusammentritt, um über den Plan abzustimmen.
- In Frankfurt folgt die Fortsetzung spätestens am 25. September. Dann findet die Verhandlung zum wechselseitigen Ausschluss der Gesellschafter vor dem Landgericht Frankfurt statt. Bei der Verschiebung des Termins im Februar hatten die Richter den Parteien aufgetragen, sich um einen Konsens zu bemühen.
- Über die von der Familienstiftung jetzt angekündigte Berufung in der Sache Dividendenforderung dürfte schon früher verhandelt werden - am Oberlandesgericht Frankfurt.