Interview mit Robert Staats, Geschäftsführer der VG WORT

"Der Gesetzgeber muss für eine Klarstellung sorgen"

11. November 2013
von Börsenblatt
Der Spruch des Oberlandesgerichts München, dass Verleger nicht mehr pauschal an gesetzlichen Vergütungsansprüchen beteiligt werden dürfen, stellt das vom Solidarprinzip geleitete Verteilungssystem der VG WORT in Frage. Über die Auswirkungen des Urteils sprach boersenblatt.net mit dem Geschäftsführer der Verwertungsgesellschaft, Robert Staats.

Das Oberlandesgericht München hat mit seiner Entscheidung vom 17. Oktober die Verteilungspraxis der VG Wort in Frage gestellt. Demnach ist eine Beteiligung der Verleger aufgrund von einheitlichen Quoten nicht mehr zulässig. Nach Auffassung des Gerichts müsste künftig zunächst geklärt werden, ob der Autor dem Verlag die entsprechenden Rechte eingeräumt hat. Muss die VG WORT künftig also sämtliche Vertragsbeziehungen zwischen Autoren und Verlagen prüfen, bevor sie Gelder ausschüttet?
Falls die Entscheidung des OLG München letztinstanzlich bestätigt würde, wäre das wahrscheinlich erforderlich. Eine solche Prüfung ist der VG WORT aber kaum möglich, weil wir die Verträge zwischen Autoren und Verlagen nicht kennen und das Ganze darüber hinaus mit einem enormen Verwaltungsaufwand verbunden wäre. Das Gericht hat ja nicht etwa entschieden, dass Verleger überhaupt nicht an den gesetzlichen Vergütungsansprüchen beteiligt werden können. Vielmehr soll es darauf ankommen, wer die Ansprüche als erster bei der VG WORT eingebracht hat: Autor oder Verlag. Das setzt eine Einzelfallprüfung voraus, die aus heutiger Sicht kaum zu leisten ist.

Der Grundgedanke der pauschalen Regelung war doch von Anfang an das Solidarprinzip. Das heißt, Verlage sollten mit der Beteiligung an den Ausschüttungen auch dafür honoriert werden, dass sie den Autoren zur Veröffentlichung ihrer Manuskripte verhelfen …
Das ist ein Gesichtspunkt, den die Richter durchaus gesehen haben. Auch sie meinten, dass Verlage eine besondere Leistung erbringen, die die Nutzungen, für die die Vergütungen gezahlt werden, überhaupt erst ermöglichen. Dennoch hielt das Gericht eine einheitliche Verteilung nach Quoten, bei denen es nicht darauf ankommt, wer die Ansprüche bei der VG WORT eingebracht hat, nicht für zulässig und berief sich dabei auch auf den Wortlaut des § 63a des Urheberrechtsgesetzes.

Diese Vorschrift ist aber doch 2008 mit dem Ziel eingeführt worden, die gängige Praxis der VG Wort gesetzlich abzusichern …
Das ist eine längere Geschichte. Im Zusammenhang mit der Einführung des Urhebervertragsrechts im Jahr 2002 wurde § 63a UrhG in der ursprünglichen Fassung geschaffen. Der Wortlaut der Bestimmung wurde dabei teilweise so verstanden, dass in Zukunft nur noch Urheber an den gesetzlichen Vergütungsansprüchen partizipieren könnten. Das sahen die Verlage naturgemäß anders. Dieser Dissens der Lesarten führte zu anhaltenden Diskussionen innerhalb der VG WORT, die den Gesetzgeber schließlich dazu veranlassten, eine Klärung herbeizuführen. § 63a wurde mit Wirkung zum 1. Januar 2008 geändert und stellte nunmehr klar, dass der Urheber die gesetzlichen Vergütungsansprüche im Voraus an einen Verleger abtreten kann, wenn dieser sie in eine Verwertungsgesellschaft einbringt, die Rechte von Verlegern und Urhebern gemeinsam wahrnimmt. Damit sollte sichergestellt werden, dass die Verleger weiterhin an den Ausschüttungen der VG WORT zu beteiligen sind. Diese Absicht des Gesetzgebers lässt sich in der Gesetzesbegründung  ohne weiteres nachlesen.

In gewisser Weise legt die Entscheidung des OLG München die Axt an die Wurzel der VG WORT. Was wollen Sie nun tun?
Die VG WORT, ein wirtschaftlicher Verein,  wurde von Autoren und Verlagen im Jahr 1958 gemeinsam gegründet und sieht in ihrer Satzung von Beginn an eine gemeinsame Rechtewahrnehmung vor. Dieser Vereinszweck wird durch die Entscheidung des OLG München in Frage gestellt. Da § 63a in der geltenden Fassung nach Auffassung des OLG München eine Verteilung nach einheitlichen Quoten nicht zulässt, ist der Gesetzgeber dringend aufgefordert, endgültig klarzustellen, was bereits im Jahr 2008 geregelt werden sollte. Unabhängig davon wird die VG WORT gegen das Urteil des OLG München Revision einlegen. Das Urteil kann im Übrigen nicht nur für die Verleger, sondern auch für die Autoren sehr problematisch sein. Denn es käme in Zukunft darauf an, wie die individuellen Verträge zwischen Autoren und Verlagen ausgestaltet sind und wer als erster die Rechte bei der VG WORT einbringt. Bisher spielt das bei der VG WORT keine Rolle. Vielmehr richten sich die Ausschüttungen, wie bereits gesagt,  nach einheitlichen Quoten, die von den mit Autoren und Verlegern besetzten Gremien der VG WORT festgelegt werden. Das dient gerade auch dem Schutz der Autoren.

Das OLG-Urteil schafft insofern Rechtsunsicherheit, als alle Ausschüttungen nur unter Vorbehalt einer höchstrichterlichen Entscheidung vorgenommen werden können. Wann ist denn mit einem Urteil des Bundesgerichtshofs zu rechnen?
Das ist schwer zu sagen, möglicherweise erst in zirka zwei Jahren. Sollte auch noch der Europäische Gerichtshof eingeschaltet werden, so ist eher mit einer vierjährigen Verfahrensdauer zu rechnen. Das führt zu einer kaum erträglichen Rechtsunsicherheit für Autoren und Verlage, und deshalb ist der Appell an den Gesetzgeber sehr ernst gemeint.

Welche Motive leiten den Kläger Martin Vogel?
Der Kläger vertritt die Auffassung, dass die gesetzlichen Vergütungsansprüche ausschließlich den Urhebern zukommen sollten. Diesen Punkt hat der Gesetzgeber im Jahr 2008 klar anders entschieden. Auch das OLG München ist ja insoweit nicht dem Kläger gefolgt, sondern hat auf die Frage abgestellt, wer den Anspruch – als erster - bei der VG WORT eingebracht hat. Auch wenn dies aus den bereits genannten Gründen für die VG WORT sehr problematisch ist, schließt es nicht die grundsätzliche Beteiligung der Verleger an den gesetzlichen Vergütungsansprüchen aus. Der Kläger beruft sich außerdem auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, in dem es um die Vereinbarkeit des österreichischen Filmurheberrechts mit der EU-Richtlinie zum Urheberrecht in der Informationsgesellschaft ging. Ich habe erhebliche Zweifel, ob diese Entscheidung auf die vorliegende Konstellation übertragen werden kann. Das OLG München hat die Ansicht des Klägers jedenfalls auch insoweit nicht geteilt. Es wäre im Übrigen auch ein fragwürdiges Ergebnis, wenn zwar – wie es unstreitig der Fall ist – Tonträgerhersteller oder Filmproduzenten aufgrund der EU-Richtlinie an den gesetzlichen Vergütungsansprüchen partizipieren könnten, Verleger dagegen nicht.  

Die Verlage investieren ja in erheblichem Maße in Autoren und Buchproduktionen …
Und die Einnahmen aus der VG WORT sind für die Verlage von ganz erheblicher Bedeutung.

Auf welche Gebiete wollen Sie die Rechtewahrnehmung künftig noch ausdehnen?
Das hängt stets von der Entscheidung der Autoren und Verlage ab. Derzeit geht es konkret um die Frage, ob die VG WORT das neue Leistungsschutzrecht für Presseverleger und den dazu gehörenden Beteiligungsanspruch der Urheber wahrnehmen soll. Am 29. November findet dazu eine außerordentliche Mitgliederversammlung statt.

Es gibt auch noch andere Baustellen: Der BGH hat am 31. Oktober über die Urheberrechtsvergütung bei PCs und Druckern verhandelt. Ist schon eine Tendenz für die Entscheidung erkennbar?
Bei den Gerichtsverfahren, die bereits seit etwa zehn Jahren anhängig sind, und neben dem BGH bereits das Bundesverfassungsgericht und den EuGH beschäftigt haben, geht es um die Anwendung des bis Ende 2007 geltenden Urheberrechts. Die Vergütungspflicht für PCs und Drucker ist im Grundsatz seit dem 1. Januar 2008 nicht mehr streitig. Dessen ungeachtet handelt sich um sehr wichtige Verfahren für die VG WORT und die von ihr vertretenen Urheber und Verlage. Das Ergebnis ist noch offen. Am 22. Januar 2014 wird der Senat seine Entscheidung verkünden.