Selbst dann sei das kein Euphemismus – launige Anspielung auf das in allen Pausengesprächen gegenwärtige Weltbild-Desaster –, wenn man sich „nicht mal mehr auf die Stellvertreter Gottes auf Erden verlassen kann“. Die Branchenzahlen zeigten jedoch, dass „wir uns nicht in einer Krise, sondern in einer Zeit des Umbruchs befinden“. In der öffentlichen Wahrnehmung, zumal durch die Politik, sei die Branche nach wie vor hoch angesehen, stellte der verlegerische Aufbau-Geschäftsführer fest. Nicht zuletzt die Aufmerksamkeit des Bundespräsidenten zum Abschied des Hanser-Verlegers Michael Krüger habe das bewiesen.
Striens Befund vom Umbruch nahm Börsenvereinsvorsteher Heinrich Riethmüller auf, indem er eingangs seines ersten Grußwortes vor den Publikumsverlegern relativierend anmerkte, dass er „in Umbruchzeiten lebe, seit ich im Buchhandel arbeite“. Der Osiander-Chef resümierte das Jahr 2013 positiv: „Tolle neue Bücher, gute Bestseller, aber auch stark in der Breite“, hielt er fest, verbunden mit einem Dank für verlegerischen Mut und Kreativität.
Der Sortimentsbuchhandel habe sich erholt, die geschätzten 0,9 Prozent Umsatzwachstum seien eine gute Nachricht. Die nicht so gute Nachricht zu Jahresbeginn, die drohende Insolvenz der Verlagsgruppe Weltbild mit all ihren möglichen Folgen, ordnete der Vorsteher vehement „nicht als eine Systemkrise des Buchhandels“ an, sondern als Phänomen einer Firmenkonjunktur.
Riethmüller nutzte seinen Gastauftritt auch für eine Wunschliste eines Sortimentsbuchhändlers an seine Lieferanten:
- „Bleiben Sie kreativ und machen Sie weiter gute Bücher!“
- Eine konditionelle Gleichbehandlung des stationären Buchhandels und der großen Internethändler liege nicht zuletzt auch im Interesse der Verleger: „Oligopole und monopole Strukturen sind immer schlecht für die Wirtschaft.“
- „Hören Sie auf mit dem Spielen bei E-Book-Preisen!“
- Mehr Mut sei zu wünschen, Preisschwellen zu überschreiten.
Nicht zum ersten Mal wies der Vorsteher darauf hin, dass es im Zuge weiterer Verbandsreformen insbesondere notwendig sei, die Doppelstrukturen zwischen Bundesverband und den Landesverbänden abzubauen. Die Landesverbände, so Riethmüller, sollten ihren Fokus entschiedener auf ihre Kernaufgaben wie etwa Regionaltreffen richten.
In seinem Jahresbericht aus Verbandssicht betonte der Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins, Alexander Skipis, dass „die Aufmerksamkeit für das Lesen und das Medium Buch noch sie so groß gewesen ist wie im vergangenen Jahr“. Auch die im Frühjahr 2013 gestartete Marketingkampagne „Vorsicht Buch!“ habe diesen Aufmerksamkeitsgewinn stark gefördert.
Die neue politische Konstellation in Berlin bezeichnete Skipis als „sehr viel günstiger“ im Vergleich zur abgewählten Vorgängerkoalition. Für die Belange der Buchbranche sei die SPD ein besserer Koalitionspartner. Eine Reihe erfreulicher politischer Vorhaben sei im Koalitionsvertrag enthalten: darunter die Reduzierung der Mehrwertsteuer auf Hörbücher und E-Books, ein klares Bekenntnis zur Preisbindung auch für E-Books, die Anregung eines Preises für das unabhängige stationäre Sortiment als Ort kultureller Begegnung und Vermittlung; die Absicht der Bundesregierung, das öffentliche Bewusstsein fürs Urheberrecht zu stärken; schließlich der ausdrückliche Einsatz für eine kulturelle Ausnahme beim Freihandelsabkommen.
Zu den Wermutstropfen hingegen gehörten Entwicklungen in der Diskussion um Open Access, die bis zu „enteignungsgleichen Eingriffen“ für die Verlage führen könnten. Skipis betonte allerdings, dass die Branche sich grundsätzlich offen für Open Access zeige und dessen Ausgestaltung eine Frage unternehmerischer Entscheidungen sei.
Schließlich kam Skipis auf die – bedrohlich geheim verlaufenden – Verhandlungen zwischen Europa und den USA um ein Freihandelsabkommen zu sprechen. „Die Interessenlagen könnten extrem gefährlich für unseren Buchhandel sein“, warnte der Cheflobbyist der Branche. Von einem solchen Abkommen, würde es je zustande kommen, hätte der Buchhandel „nichts Positives“. Vielmehr drohten erhebliche Risiken. „Profiteure etwa von einem Fall der Buchpreisbindung wären allein die amerikanischen Internet-Riesen.“ Ermutigend merkte Skipis an, dass vielerorts die Widerstände gegen die sehr undemokratisch anmutende „Geheimniskrämerei“ der Verhandelnden in Brüssel und Washington wüchsen.