Gerade diskutieren hier die Verlagspressesprecher über die aktuelle „FAZ“-Meldung „Bloß kein Soldat oder Pressesprecher!“, nach der der Job des Presssprechers zu den zehn stressigsten Berufen überhaupt zählt – richtig oder falsch?
Johannes Kambylis: Da ist sicher was dran, aber einen langweiligen Beruf will doch auch keiner … Unser Beruf wird immer komplexer, weil wir eine zunehmende Bandbreite an Medien bedienen müssen. Zugleich sind wir vom Fotograf bis zum Eventmanager alles in einer Person.
Andrea Wolf: Das Prinzip Gießkanne funktioniert nicht mehr, gerade wenn wir die digitalen Medien betrachten. Im Internet, so vermuten viele, würden die Kommunikationswege unpersönlicher, aber plötzlich reden wir mit den Bloggern direkt - das sind ganz andere Erfahrungen als noch vor zehn Jahren.
Haben die permanent aktiven Blogger den Kreislauf der Pressesprecher nach oben gejagt? Müssen sie immer den neuesten Diskussionen nachjagen?
Kambylis: Nein, eher umgekehrt sehen wir unsere Arbeit: In ihrem Dinner-Speech heute Abend hat die Münchner Beraterin Helena Bommersheim für mein Gefühl sehr eindrücklich dargestellt, wie wichtig es für die Pressestellen ist, jede Zielgruppe spezifisch zu bedienen und dass wir erspüren und eruieren müssen, welche Themen in der Luft liegen, um dann mit hohem qualitativen Anspruch diese Themen selbst zu setzen.
Wolf: Pressemeldungen herausgeben war gestern. Wir müssen inzwischen sehr genau schauen, wo wir welches Kommunikationsinstrument einsetzen. Das heißt, dass wir eigentlich ständig daran arbeiten müssen, in Kontakt mit der Zielgruppe zu sein, um zu wissen wie sie tickt. Und immer mehr ist heute das Feedback entscheidend – Kommunikation ist keine Einbahnstraße, weswegen die Tagung hier so wichtig ist zum Austausch.
Können Sie es denn überhaupt noch schaffen, alle unterschiedlichen Gruppen anzusprechen?
Kambylis: Wir leben in Deutschland längst mit einem Überfluss an Informationen, und wir stehen überall vor der Frage, wie wir überhaupt noch gehört werden können. Eines der wichtigsten Themen im Alltag der Pressestellen ist daher Relevanz: Was ist für wen wichtig, an wen muss welches Thema vermittelt werden? Zugleich stehen wir vor der Frage, welche Aktionen bei überschaubarem Aufwand hinreichenden Erfolg versprechen. Hier ist zu selektieren und priorisieren, denn den häufig sehr vielen denkbaren Möglichkeiten, die PR grundsätzlich bietet steht ein eng begrenztes (Zeit-) Budget gegenüber. Daher auch die Erfordernis, zunehmend strukturierter zu arbeiten.
Wolf: Unsere Aufgabe wandelt sich auch insofern, als wir jetzt viele Erfahrungen und Erkenntnisse, die wir von außen sammeln, in den Verlag zurückgeben, vor allem ins Lektorat und Marketing.
Ist die Evaluation von Pressearbeit noch ein Thema?
Wolf: Man kann versuchen, Rezensionsflächen in Zeitungen umzurechnen in Anzeigenpreise, aber derlei Vergleichsversuche hinken stark.
Kambylis: Immer wieder kommt es vor, dass eine Besprechung erhebliche Verkäufe bewirkt. Und dass nach einer Rezension in einem der Leitmedien zusätzlicher Absatz nicht nachweisbar ist, erleben wir mindestens ebenso häufig. Wichtiger als diese kurzfristigen Effekte ist jedoch strategisch angelegte PR, die auf Langfristigkeit hin angelegt ist. Eine Rezension bringt da aus unserer Sicht mehr als eine Anzeige, weil sie glaubwürdiger ist.
Wolf: Aber wir müssen auch sagen, dass wir seit Jahren mehr integrative Aktionen fahren, bei denen Marketing und Social Media, Presse und Vertrieb beteiligt sind.
Welche Themen brennen auf der Jahrestagung unter den Nägeln?
Kambylis: Es besteht nach wie vor eine gewisse Unsicherheit im Umgang mit der Verwertung von Rezensionen in der Buchwerbung, auch wenn inzwischen die rechtliche Seite klar zu sein scheint. Bislang war es ein nützliches Miteinander zwischen Pressestellen und Redaktionen, aber wir warten jetzt erstmal das Urteil des Landgerichts München am 7. Februar ab. Im Herbst haben wir eine Umfrage unter uns Pressesprechern gemacht, wie wir mit der Forderung von Zeitungen, für Zitate aus Rezensionen zu bezahlen, umgehen. Ein Drittel sagte „Weiter wie bisher“, ein Drittel, “Weiter, aber wir fürchten das Abmahnrisiko“, ein Drittel „Einschränken, aber wir werden dann wohl bezahlen müssen“. Klar ist, dass wir nicht mehr so weitermachen können wie bisher, wir können uns nicht länger in der rechtlichen Grauzone bewegen. Bei dieser Umfrage hat sich übrigens gezeigt, wie rasch wir untereinander kommunizieren können, das klappte innerhalb von 24 Stunden, dann wurde auf Facebook und anderen Kanälen diskutiert – das Netzwerk der Pressesprecher funktioniert. Und in den Regionalgruppen gibt es verteilt auf das Jahr spannende Veranstaltungen zu den unterschiedlichsten Themen.
Wann findet die nächste AVP-Jahrestagung statt?
Wolf: Wir haben gerade festgelegt, dass wir uns 2015 Ende Januar in Hamburg treffen werden.