Ihr Ziel ist es, mit log.os eine neue Bücherplattform als Alternative zu Amazon zu etablieren. Bislang sind jedoch alle derartigen Versuche gescheitert, Amazon den Rang abzulaufen.Das stimmt, aber wir haben ganz einfach ein besseres Konzept. Andere Projekte, wie Europeana, kranken daran, dass es ihnen nicht gelingt, die Balance zu finden zwischen dem Buch als Kulturgut und als Wirtschaftsgut. Sobald eine Seite ein Übergewicht bekommt, führt das entweder zu einer Wirtschaftsdiktatur à la Amazon oder aber dazu, dass das öffentliche Interesse durch mangelnde Kundenorientierung marginal bleibt. Die Europeana mag für Wissenschaftler interessant sein, gesellschaftlich hat sie keine Relevanz. Man überzeugt Nutzer nicht mit guten Absichten, das Produkt muss plausibel sein. Wir müssen daher wie ein normales Unternehmen handeln, ohne eines zu sein. Das erreichen wir dadurch, dass eine Stiftung die Neutralität einer GmbH garantiert.
Und das Libreka-Projekt?Hinter libreka steckt eine lobenswerte Absicht. Das Ganze ist allerdings von Anfang an zu sehr von der Branche her gedacht, von deren Bedürfnissen, nicht vom Endkunden. Divergierende Interessen der Branchensparten haben zudem zu Kompromissen geführt. So wurden zwar die Gemüter beruhigt, aber die Nutzerinteressen sind immer weiter aus dem Blick geraten. Wenn man eine Mondmission startet, sollte man letztlich auch auf dem Mond landen und nicht daran vorbeifliegen – auch wenn es nur zehn Meter sind.
Lässt sich Amazons Vorsprung aufholen?Auch Amazon hat in einer Garage angefangen und ist gegen scheinbar übermächtige Giganten wie AOL oder Walmart angetreten. Wir werden Amazon sicherlich nicht morgen und auch nicht übermorgen einholen. Nicht in fünf Jahren, vielleicht auch nicht in zehn oder 15 Jahren. Aber sie sind einzuholen – insbesondere wenn man sich auf einen einzigen Bereich konzentriert. Man muss Schritt für Schritt gehen, ohne das Ziel aus den Augen zu verlieren. Amazon hat vor Jahren die Zeichen der Zeit erkannt, dass sich nämlich große Teile des Handels ins Netz verlagern. Das hat das Unternehmen groß gemacht, aber eben dieser Ansatz wird auch zum Problem werden. Amazon handelt mit Schrauben oder Autoreifen ebenso wie mit Büchern – dadurch wird das Angebot des Unternehmens für die Bedürfnisse von Lesern zu unspezifisch werden.
Im Gegensatz zu Amazon wollen Sie vornehmlich E-Books anbieten. Warum?Es geht uns tatsächlich vor allem um das Buch in seiner digitalen Form, ganz pathetisch gesprochen um ein digitales Gedächtnis der Menschheit. Wir verstehen uns als soziales Netzwerk von Büchern und Büchermenschen. Letztlich ist log.os ein Logbuch dessen, was die Nutzer gelesen haben und wie sie es gelesen haben. Über solch einen Wissensschatz sollte nicht ein einzelnes Unternehmen verfügen, sondern nur eine gemeinnützige Institution. Das ist der Grundgedanke von log.os. Wenn unsere Kunden jedoch ein gedrucktes Exemplar möchten, dann müssen wir auch das liefern können. Eine komplette Vertriebslogistik aufzubauen ist trotzdem nicht nötig, die gibt es ja bereits. Es wird hier eher darum gehen, Kooperationsmodelle zu finden.
Bislang gibt es weder eine Stiftung, noch den Grundstock eines Unternehmens. Woran krankt der Fortgang des Projektes?Es braucht 50.000 Euro, um eine Stiftung zu errichten, 25.000 für eine GmbH. Für die Anschubfinanzierung ist eine weitere halbe Million notwendig, für die ersten fünf Jahre kalkulieren wir mit fünf Millionen. Wir waren mit einem Henne-und-Ei-Problem konfrontiert: Wir brauchten eine gemeinnützige Rechtsform, um Geld einwerben zu können. Und Geld ist nötig, um eine solche zu errichten.
Wie haben Sie das Problem gelöst?Wir haben zunächst einen Förderverein gegründet, der seit November eingetragen ist. Seine Aufgabe besteht darin, das Projekt log.os publik zu machen und das nötige Kapital einzuwerben. Unser Ziel ist, zur Frankfurter Buchmesse einen Dummy vorstellen zu können, die erste Beta-Version wollen wir zur Leipziger Buchmesse im kommenden Jahr präsentieren.
Wie soll sich log.os finanzieren?Gemeinnützig heißt nicht umsonst, sondern nur, dass erwirtschaftete Überschüsse wiederum gemeinnützigen Zwecken zugeführt werden müssen – und in unserem Falle eine neutrale Institution die Daten der Nutzer verwaltet. Darüberhinaus aber agiert log.os wie ein normales Unternehmen. Wenn Kunden direkt bei log.os kaufen, bleibt eine Handelsmarge bei der Plattform. Wenn die Kunden bei einer angeschlossenen Buchhandlung einkaufen und wir nur das digitale Barsortiment sind, dann erhält log.os lediglich einen Funktionsrabatt. Das entspricht dem klassischen Erlösmodell von Plattformen.
Die Herausforderung für jedes neue Angebot im Netz ist es, überhaupt bekannt zu werden.Das halte ich nicht für so schwierig. Wenn etwas gut funktioniert, wird es durch Mund-zu-Mund-Propaganda – Beispiel: Zappos – quasi von selbst bekannt. Der mit Abstand schwierigste Teil ist das Projekt ins Rollen zu bringen, die Anschubfinanzierung zu stemmen, eine kritische Masse zu erreichen, jetzt, da es noch kein Produkt gibt, mit dem wir die Leute überzeugen können. Das ganze Projekt steht und fällt mit der Unterstützung einzelner Menschen und damit, dass sich jemand persönlich angesprochen fühlt und sich engagiert.
Mit wie vielen Büchern soll log.os starten?Man muss das gesamte deutschsprachige E-Book-Programm anbieten. Das ist die Mindestvoraussetzung, der erste Schritt. Doch dabei soll es nicht bleiben. Wir wollen letztlich ein komplettes Angebot offerieren, eines, das weit über die hiesige aktuelle Verlagsproduktion hinausgeht. Das gelingt nur, wenn wir zusätzlich mit Bibliotheken sowie Universitäten kooperieren und uns international aufstellen.
Die E-Book-Plattform sobooks ist vor einigen Monaten mit ähnlich großen Ambitionen angetreten. Das Angebot aber ist nach wie vor sehr überschaubar.Ich weiß nicht, wo es bei sobooks hakt. Verlage sind dankbar für jede neue Verkaufsplattform. Aber es gibt natürlich gewisse Grundvoraussetzungen für eine Zusammenarbeit, nicht nur technischer, sondern auch juristisch-/vertraglicher Natur. Viele Dinge liegen in der Luft und es gibt einige valide Angebote, die Internet und Buch miteinander verbinden. Was uns in der Branche lange gebremst hat, ist der konventionelle Blick auf die Dinge, während Jeff Bezos und Konsorten diesen ganzen Traditionsballast nicht kennen und daher viel experimentierfreudiger sind.
Interview: Holger Heimann