Interview mit Markus J. Karsten, Westend Verlag

"Die klare Ausrichtung bringt uns viele Sympathien ein"

20. Februar 2014
Redaktion Börsenblatt
Der Frankfurter Westend Verlag pflegt das gesellschaftskritische politische Sachbuch – und hat sich nach zehn Jahren im Buchhandel und in den ­Medien etabliert. Westend-Geschäftsführer Markus J. Karsten über die Verlagsstrategie und (digitale) Perspektiven für den Programmausbau.

Der Westend Verlag ist jetzt seit 10 Jahren am Markt und agiert heute unabhängiger als noch vor wenigen Jahren in der Kooperation mit Piper. Was hat sich in den letzten Jahren getan?
Wir haben den Prozess der Professionalisierung abgeschlossen und sind inzwischen im Buchhandel und in den Medien nachhaltig angekommen. Gerade im vergangenen Halbjahr haben wir verstärkt positives Feedback von Presse, Lesern und Autoren bekommen. Das liegt vor allem daran, dass wir ein sehr konsistentes Programm haben. Die klare Ausrichtung hat uns viele Sympathien eingebracht. Wir gehen nicht opportunistisch vor, sondern machen das, was uns interessiert. Nahezu 90 Prozent aller Titel werden von uns selbst angestoßen.

Das Programm steht für eine kritische Auseinandersetzung mit Gesellschaft, Wirtschaft und Politik. Muss man bei Ihnen "politisch" sein, um mitarbeiten zu können?
In gewisser Weise ist das ein Einstellungskriterium. Wir sind ein politischer Verlag und verfolgen einen links-kritischen, aber undogmatischen Ansatz.

Welche gesellschaftlichen Entwicklungen treiben Ihnen Leser zu – Finanzkrise, NSA-Skandal oder Genmais sind doch Themen, die die Menschen mobilisieren?
Es sind nicht in erster Linie die Themen, mit denen wir Leser ansprechen, sondern es ist die Art und Weise, wie wir es tun. Und da spielt die Medienkritik eine entscheidende Rolle: Immer mehr Menschen haben den Eindruck, unzureichend durch die Medien informiert zu werden. Medienkritische Internet-Blogs und -Plattformen übernehmen immer häufiger die Funktion, die man ursprünglich den klassischen Medien zugeschrieben hat: aufzuklären, für Transparenz zu sorgen und kritisch nachzufragen.

Sehen Sie da Potenzial für einen Programmausbau?
Wir können uns zum Beispiel Kooperationen mit Blogs vorstellen, die mit neuen Produktformen oder auch Veranstaltungen, beispielsweise Podien, verbunden sein könnten. So etwas trägt auch zur Profilbildung bei. Davon abgesehen wollen wir auch unser Titelangebot erweitern – wobei wir etwa an digitale Formate denken, mit denen wir schnell auf aktuelle Entwicklungen reagieren können. Es kommen aber nicht nur elektronische "Schnellschüsse" in Frage, sondern auch Formate unterschiedlichen Umfangs. So ließe sich etwa ein sehr umfangreiches Manuskript elektronisch veröffentlichen, und eine kürzere gedruckte Version im üblichen Umfang.

2013 war für viele Verlage ein schwieriges Jahr. Wie haben Sie sich behauptet?
Die zweite Jahreshälfte war recht erfolgreich – vor allem der Bestseller „Der Sieg des Kapitals“. Wir sind zuversichtlich, den Schwung des Herbsts in das Jahr 2014 mitzunehmen. Die angekündigten Titel von Werner Schneyder und Henning Venske – nach dem Tod Dieter Hildebrandts die beiden letzten großen politischen Kabarettisten – machen uns derzeit viel Freude.

Bestseller lassen sich nicht planen und können, wenn sie zum Megaseller ausarten, auch gefährlich werden. Wie gehen sie damit um?
Wenn unser Programm die Leser anspricht, die sich für diese Titel interessieren, dann liegen wir richtig. Das Potenzial für unsere Titel liegt bei 10.000 bis 25.000 Käufern. Wenn wir fünf Bücher im Jahr mehr als 10.000-mal verkaufen, können wir sehr zufrieden sein. Das ist uns eigentlich lieber, als einen Titel 50.000-mal zu verkaufen.

Westend pflegt seit zehn Jahren das Sachbuch. Gibt es andere Genres, die Sie einmal testen wollen?
Wir überlegen, eine Krimisparte aufzumachen – eventuell unter einem anderen Sublabel. Frankfurt bietet dafür ein spannendes Umfeld. Und so kann man sich Themen wie Korruption oder Börsenmanipulation mal von der unterhaltsamen Seite nähern.

Interview: Michael Roesler-Graichen