Die Sonntagsfrage zu den Mehrwertsteuerplänen der Großen Koalition

Kommt jetzt alles in Ordnung, Herr Meier?

4. Mai 2014
Redaktion Börsenblatt
Nach dem Willen der Großen Koalition soll für E-Books künftig der reduzierte Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent gelten. Lässt sich dieser Plan überhaupt umsetzen? Und wenn ja: Welche Folgen hätte das für Verlage und Leser? Antworten von AKEP-Sprecher Steffen Meier (readbox).

Die Senkung der Mehrwertsteuer für E-Books wird derzeit durch die Presse getrieben, als wäre diese bereits juristisch in Form gegossen. Und auch wenn die Berliner Koalition dies in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben und jetzt wieder bekräftigt hat (und vermutlich auch keinen politischen Rückzieher machen wird): Bis zur Umsetzung mag nicht nur noch sehr viel Wasser die europäischen Flüsse hinunterfließen. Mit Sicherheit wird auch die EU-Kommission ein gewichtiges Wörtchen mitreden wollen – sie tut es im Falle von Frankreich und Luxemburg ja jetzt schon. Dies macht das ganze Unterfangen im Moment eher zu einem politischen Statement, mehr nicht. Aber vielleicht wäre dies ja der richtige Zeitpunkt, in der derzeitigen Diskussion zwei andere Punkte etwas näher zu beleuchten:

Erstens: Digitale Güter kennen keine Landesgrenzen.


Die weltweit unterschiedliche Besteuerung von Inhalten mochte im Zeitalter regionaler Räume und Landesgrenzen noch irgendwie Sinn gegeben haben – im digitalen Zeitalter, in dem Regionen keine und Sprachgrenzen immer weniger eine Rolle spielen, führt dieses System dazu, dass es zu Ungleichheiten wie dem Luxemburger „Steuerschlupfloch“ kommt. Dieses wird zwar Ende des Jahres geschlossen, aber Ungleichheiten bleiben weiterhin.

Insofern ist es aus Sicht der deutschen Verlage und Autoren zu begrüßen, dass es zu einer steuerrechtlichen Gleichbehandlung von gedrucktem und elektronischem Buch kommen könnte, weil der Schwerpunkt der Betrachtung auf den Inhalt gelegt wird, nicht auf die Form. Mittelfristig geht jedoch kein Weg an europaweiten Überlegungen und Regelungen vorbei, selbst wenn man hierzulande darin nicht ganz zu Unrecht die Öffnung der Büchse der Pandora fürchtet – weil dann Themen wie die Buchpreisbindung, aber eben auch die niedrigeren Steuern für Kulturgüter, zwangsläufig auf die Tagesordnung kommen.



Zweitens: Print- und E-Buch werden durch eine Anpassung der Mehrwertsteuersätze inhaltlich noch enger aneinander gebunden, was einen „mentalen Nachteil“ bedeuten kann. Und der Kunde wird sowieso kaum etwas spüren.


"Mehr Netto vom Brutto" – damit werden nicht nur Wahlkämpfe geführt, auch das Antlitz von Verlagen und Autoren hellt sich unweigerlich auf. Dabei bleibt fraglich, wie sich dies aus Kundensicht entwickelt: Werden Verlage diese gewonnene Differenz an den Endkunden weitergeben, also werden E-Books günstiger? Kaum.

Zum einen gilt nach wie vor bei vielen Verlagen die Daumenregel, dass E-Books zu ihrem Print-Äquivalent etwa 20 bis 30 Prozent günstiger angeboten werden; die höhere Mehrwertsteuer bei E-Books wurde vielerorts zähneknirschend in die Kalkulation eingepreist. Hier entsteht Luft, die eher zur Deckung der auch bei E-Books entstehenden Kosten verwendet wird – als für Preissenkungen (auch wenn aus Unwissenheit im Sinne von „E-Books zu produzieren kostet ja nichts“ weiterhin noch viel diskutiert wird).


Auf der anderen Seite steht das E-Book immer schon im Schatten des großen, gedruckten Bruders. Und verspielt viel von seinem nativ digitalen Potential, das nichts mehr mit Linearität, Paginierung und gutenbergschen Erzähltraditionen zu tun haben muss.

Noch einmal: Eine Anpassung der Mehrwertsteuersätze unter dem Gesichtspunkt, dass Inhalt unabhängig vom Transport-Container ein schützenswertes (nichts anderes tut eine niedrigere Steuer schließlich) Gut ist – wenig dagegen einzuwenden. Aber eine mentale Fixierung am Medium „gedrucktes Buch“ mündet letztendlich bei vielen Verlagen darin, dass zwölf Prozent Steuerunterschied zu einer noch engeren Bindung des E-Books (als reine Kopie) an das gedruckte Buch führen. Schließlich ist es jetzt schon so, dass es bei Datenbanken juristisch heftige Auseinandersetzungen gibt, worum es sich hier eigentlich handelt: eine neue Form des E-Books, ein Stück Software? Die Innovationskraft und Experimentierfreude abseits der Buchkopie sollte nicht nachlassen, schließlich stehen wir beim E-Book erst ganz am Anfang.



Zur Person:
Steffen Meier verantwortet seit April 2014 die Bereiche Produkt-Innovation und -Marketing bei readbox. Daneben ist er Sprecher des AKEP (Arbeitskreis Elektronisches Publizieren im Börsenverein) und Mitglied der Kommission Digitale Medien der Deutschen Fachpresse.