Buchmesse-Podium zur E-Book-Ausleihe

Der Erfolg der Onleihe - und das Dilemma der Vergütung

16. Juli 2015
von Börsenblatt
Deutsche Bibliotheken erleben gerade einen Nachfrageschub - beim gedruckten Buch, aber auch und vor allem bei der E-Book-Ausleihe. Was bedeutet das für Verlage und Autoren? Eine Podiumsdiskussion zum E-Lending, bei der es am Ende vor allem um eines ging: ums liebe Geld.

Die Onleihe, E-Book-Plattform für Bibliotheken im deutsprachigen Raum, ist derzeit erfolgsverwöhnt: 2013 habe es acht Millionen Gesamtausleihen gegeben - bei mehr als 1,5 Millionen Vormerkungen, meldete Betreiber divibib im September. Zufrieden sind die Bibliotheken mit den digitalen Stand der Dinge trotzdem nicht. Denn wichtige Titel auf der Bestsellerliste fehlen, weil nicht alle Verlage bei dem E-Book-Leihmodell dabei sind: "Diesen Zustand würde ich gerne ändern", so Frank Simon-Ritz, Vorsitzender des Deutschen Bibliotheksverbands.

Im Verlauf der Podiumsdikussion "E-Book - E-lending - E-infach?", die der Börsenverein am Buchmesse-Freitag im Forum Wissenschaft veranstaltete, wurde allerdings schnell deutlich, warum mit Bonnier und Holtzbrinck zwei große Verlagskonzerne bislang nicht bei der Onleihe mitmachen. Es gehe dabei keineswegs um eine Verweigerungshaltung, machte Matthias Ulmer deutlich, im Börsenverein Vorsitzender des Verleger-Ausschusses: "Das Urhebervertragsrecht verlangt eine nutzungsabhängige Honorierung der Autoren. Verlage gehen ein enormes juristisches Risiko ein, wenn sie ihre Bestseller auch ohne ein solches Vergütungsmodell an die Bibliotheken geben". Konsequenz: Betreiber divibib müsse das Modell der Onleihe umstellen.

"Derzeit werden meine Bücher über die Onleihe ausgeliehen - und ich bekomme nichts": Gerlinde Schermer Rauwolf vom Bundesvorstand des Verbands deutscher Schriftsteller vertrat auf dem Podium die Sicht der Autoren und Übersetzer. Natürlich sollten Bibliotheken alles anbieten, was Autoren schreiben - aber bitte, so wie beim gedruckten Buch, mit Vergütung pro Ausleihvorgang. Die Verwertungsgesellschaft Wort sei ein wunderbares System, um eine solche Lösung auch für die digitale Welt zu etablieren. Entsprechende Gespräche über eine mögliche Lizenzierung über die VG Wort seien auf der Buchmesse geführt worden - und stimmten Schermer Rauwolf durchaus hoffnungsvoll: "Wir haben eine Annäherung erreicht".

Die Crux dabei: Mehr Geld aus öffentlichen Haushalten wird nicht unbedingt zu Verfügung stehen. "Letztlich geht es darum, die Bibliothekstantiemen von 15 Millionen Euro, die derzeit fürs gedruckte Buch fließen, anders zu verteilen", fürchtet Bibliothekar Simon-Ritz.

Verleger Matthias Ulmer dagegen machte deutlich, dass die Tantiemen für die digitale Nutzung sogar weit über dem Printniveau von 3 Cent pro Ausleihe liegen müssten, um weiter steigende Leihzahlen abzufedern. Der digitale Markt funktioniere nach anderen Regeln als der Printmarkt, wo sich Bibliotheksleihe und Buchkauf gegenseitig befruchten würden, warnte Ulmer. Kostenlose Angebote würden beim E-Book deutlich stärker nachgefragt: Setze sich diese Entwicklung ohne finanziellen Ausgleich oder Nutzungsbeschränkungen fort, sei das für Verleger und Autoren auf Dauer "tödlich".

Onkel & Onkel-Verleger Volker Oppmann appellierte an die Podiumskollegen, das Thema nicht nur durch die Brille eigener Bedürfnisse zu betrachten: Mit neuen Flatrate-Angeboten wie Amazons "Kindle Unlimited" stelle sich die Frage, ob die Branche nicht gerade von links überholt und der öffentliche Versorgungsauftrag dann eines Tages von kommerziellen Großanbietern ausgefüllt werde: "Wir müssen schnell gemeinsame Angebote schaffen - bevor Amazon Fakten schafft," so Oppmanns Plädoyer, das nicht ins Leere lief. Gerlinde Schermer Rauwolf jedenfalls kann sich einen Schulterschluss gegenüber der Politik und eine gemeinsame Lobbyarbeit gut vorstellen - "vielleicht ist es ja doch möglich, einen relevanten Betrag für die E-Book-Leihe zu bekommen". Ein Video der meinungsstarken Runde, die von Börsenblatt-Chefredakteur Torsten Casimir moderiert wurde, können Sie hier abrufen.