Gastspiel Peter Wagner

"Stille Tage im Klischee"

6. Juli 2015
von Börsenblatt
Immer mehr Männer kochen gern. Und nehmen auch gern ein gutes Kochbuch zur Hand. Eines aber stört die junge Küchenliebe: das verschwitzte Anrempeln der Marketingabteilungen. Meint Foodjournalist Peter Wagner.

"Wann ist ein Mann ein Mann?" fragt Herbert Grönemeyer. Wenn er mit versengten Augenbrauen seine Bierflasche über die verkohlten Steaks auf dem Grill schüttet? Wenn er zwischen Kerzenanzünden und Mundspray schnell noch das Lieferservice-Essen in den Kochtopf umfüllt, kurz bevor das neue Dating klingelt? Wenn er drei Tage verzweifelt versucht, für seine Kochclubfreunde dieses Hummertrüffelsouflé vom Sternelokal nachzukochen? Wenn er eine Extraportion Ketchup über die Spaghetti für die Wochenendkinder kippt? Vier Richtige, könnte man sagen, so viel Selbsterkenntnis muss schon sein, unter uns Männern. Aber wehe, jemand wagt es, uns mit einem Kochbuch für Fleischverbrenner, Pfannen-Pretender, Kochpinzettenfummler oder Teilzeitmama-Ersatz anzusprechen. Frechheit!

Na gut, beim Grillen machen wir eine Ausnahme und freuen uns vielleicht sogar, wenn aus dem Geschenkpapier "Die Hohe Kunst des Grillens", "Ein Mann − ein Rost", oder die "Grillbibel" hervorlugt. Oder man satte 129 Euro auf den Buchhändlertresen knallt, die Muskeln anspannt und den Sechspfünder "Teubner Grillen und Räuchern" in die heimische, rußgeschwärzte Höhle schleppt. Geht schon klar, aber schwallt uns dabei nicht mit Marketing-Quatsch voll wie: "Am Grill dürfen Männer sein, wie Männer eben sind. Hier haben sie alle Macht behalten: Sie dürfen sich nächtelang probieren und austauschen, scheitern und siegen."

Natürlich dürfen sie das alles, aber sie dürfen dann bitte auch einen großen Bogen um Eure Männerkochbücher machen, denn sobald der BBQ erkaltet ist und das Küchenlicht brennt, kann es so richtig zappenduster werden. "Gerichte, die eisenharte Männer weich werden lassen" (Werbespruch für "Mann kocht selbst: Rezepte für echte Männer"), oder all die 89-Cent-Ebook-Downloads von "Geniale und leckere Rezepte die auch Mama's Liebling kochen kann" bis "Das Männerkochbuch: Für den Mann mit Eigenschaften". Noch nicht einmal einer der auflagenstärksten Zielgruppentitel des Jahres (zur gleichnamigen TV-Serie mit Frank Buchholz), "Beef Buddies: Das Kochbuch für echte Kerle", glaubt auf verschwitztes Anrempeln verzichten zu können: "Tough guys don't dance. They cook!"

Natürlich muss nicht jedes Printprodukt, das den "Mann" im Titel trägt, per se als ein selbst mit Viagra nicht zu rettender Hänger enden. Mit dem Claim "Für Männer mit Geschmack" bringt die Zeitschrift "Beef!" zunehmend erfolgreich ihre vergleichsweise hochpreisigen Inhalte "an den Mann" (neuerdings auch in Steakbuch-Form) – diesen Erfolg haben die Hamburger freilich nur, weil sie sich von den allzu naheliegenden Männerphantasien der ersten Hefte längst zu einem profunden Lifestyle-Magazin, tschuldigung!, eMANNzipieren konnten. Gutes Stichwort für die andere Seite dieser Fahnenstange: "Nur für echte Kerle: Das ultimative Männer-Kochbuch" wirbt an der Kante zur Resterampe noch immer mit "HausMANNSkost". MANNoMANN!

Andererseits sollte ich mich da selber auch mal an die Nase fassen: Als ich vor ein paar Jahren wegen der hundsmiserablen Qualität der im Internet kostenlos verfügbaren Rezepte auf die Idee gekommen bin, das Männerkochportal "Kochmonster" für penible Intensivkocher (wie ich selber einer bin) zu gründen, bewarb ich es mit einem markigen Spruch, der ebenfalls aus dem Weltbestseller "Stille Tage im Klischee" hätte stammen können: "Frauen kochen was sie wollen, Männer was sie können". Ja ja, ich weiß, die beiden Kommata. Hab' ich verschluckt, weil der Spruch ohne sie auf der Kochschürze besser aussieht.

Eine Schürze übrigens, die − das sehe auch ich an dem Leseverhalten meiner "Kochmonster"-Besucher − von den Männern in den letzten Jahren zunehmend nicht nur am Grill, sondern tatsächlich in der Küche getragen wird. Und dort haben sie gern auch ein gutes Kochbuch liegen. Über Steaks zum Beispiel, Hamburger, oder was für's Hirn wie das augenzwinkernde "Der gastrosexuelle Mann" − aber auch alles Mögliche vom Dreisterner-Wälzer bis zum coolen Anfänger-Piktogramm-Crashkurs nach dem Muster "So geht Kochen!: Das ultimative Anleitungsbuch". Nur eines sollten alle, die ihr Kochbuch an den MANN bringen wollen, stets beachten:

"Studentenkochbücher" werden nur von Studenteneltern gekauft, "Seniorenkochbücher" niemals von Senioren ("...das ist doch was für die Alten...") – und "Männerkochbücher" allerhöchstens von unseren Partnerinnen. Merke: "Männer sind auf dieser Welt einfach unersetzlich". Vor allem, wenn man sie, wie in jedem ernstzunehmenden Männerkochbuch beschrieben, mit ein paar Knoblauchzehen und einem Zweig Rosmarin sechs Stunden leise simmern lässt.