Markus Langer von Oetinger zum Hörbuchmarkt

"Hörbücher gehören zum kindlichen Alltag"

2. April 2015
von Börsenblatt
Mit 14,3 Millionen verkauften Hörbüchern auf CD wurde laut GfK Entertainment 2014 der Absatzrekord des Vorjahres noch einmal übertroffen. Unter den Genres führt das Kinder- und Jugendhörbuch mit 44,3 Prozent knapp vor der Belletristik (43,5 Prozent). Warum das so ist, erklärt Markus Langer, Verlagsleiter Oetinger Media.

 Es ist so weit: Die Kinder- und Jugendhörbücher haben die Belletristik überholt. Können Sie das erklären?Bereits im Jahr 2013 haben die Kinder- und Jugendhörbücher einen Riesensprung gemacht und überproportional um 12,8 % zugelegt. Wie so oft gibt es mehrere Ursachen dafür: Der Flächenrückbau im Sortiment hat das belletristische Hörbuch sicher ungleich stärker getroffen als das Kinderhörbuch. Auch hier ist man zwar mit schwindenden Verkaufsflächen konfrontiert, aber noch im erträglichen Rahmen. Die meisten Buchhändler haben verstanden, dass es sinnvoll ist eine gewisse Breite und Vielfalt im Kinderhörbuch zu präsentieren und nicht nur auf Monokultur und Schnelldreher zu setzen. Hörbuch-Hören bleibt trotz aller Konkurrenz durch Apps, Games & Co – Stichwort Medienkonvergenz – eine feste Größe im kindlichen Alltag. Auch kommen Jahr für Jahr durch die stetige Kernerarbeit unserer unermüdlichen Außendienstmitarbeiter neue Händler dazu. Schätzungen zufolge gibt es immer noch rund 2000 Buchhändler, die bislang keine Hörbücher im Sortiment haben – da ist also immer noch Luft nach oben. Ein anderer Faktor für die guten Zahlen im Kinderhörbuch sind sicherlich immer auch eine Handvoll Spitzentitel, die den Markt im jeweiligen Zeitraum dominieren. In den beiden vergangenen Jahren waren dies aus unserem Programm die "Tribute von Panem"-Gesamtausgaben, "Pettersson & Findus" und auch das "Paddington"-Filmhörspiel.


Welche Rolle spielt die Backlist dabei?Leider insgesamt eine immer kleinere! Konnte man vor einigen Jahren noch davon ausgehen immer mehrere, wenn nicht alle Werke von Hörbuch-Klassikern wie Lindgren, Kästner, Preußler im Handel vorzufinden, so ist das heute längst nicht mehr der Fall. Diese mangelnde Präsenz bedeutet sicher nicht mangelndes Kundeninteresse. Wir zumindest stellen fest, dass die Kunden bestimmte Backlist-Einzeltitel mehr und mehr online und in anderen Handelskanälen kaufen. Mir ist durchaus bewusst, dass angesichts einer Vielzahl von Neuerscheinungen und begrenzter Ladenfläche auch bei der Backlist stärker selektiert werden muss. Wir begegnen dieser Situation auf kreative Weise, indem wir unsere Backlisttitel in unterschiedlichen Formaten, Bundles und Neuaufnahmen immer wieder beleben. Gegenüber unseren Buchkollegen sind wir damit klar im Vorteil: Man kann nicht alle drei Jahre eine neue Übersetzung bringen oder ein Werk neu illustrieren lassen. Aber eine neue akustische Interpretation eines Textes, sei es als Hörspiel oder als Lesung, ist sicherlich reizvoll. So werden wir beispielsweise im Herbst eine neue Pippi-Langstrumpf-Lesung mit Josefine Preuß herausbringen.

Kaum zu glauben, aber die Marktanteile physisch / download liegen seit Jahren unverändert bei ca. 80 / 20. Wird das so bleiben?Deutschland ist ein gallisches Dorf, was die Stabilität physischer Tonträger anbelangt! Wenn man auf den anglo-amerikanischen oder den skandinavischen Raum blickt, wo der Markt für CDs, DVDs und blurays in kurzer Zeit regelrecht kollabiert ist, muten die deutschen Zahlen umso erstaunlicher an. Die Deutschen sind ja nicht gerade als technikfeindlich bekannt. Was also ist der Grund? Vielleicht bewege ich mich auf dünnem Eis, aber ich vermute, dass das auch mit der Nachkriegsmentalität zu tun hat, im Sinne von: Was man hat, das hat man. „Wir haben einen CD-Player, also kaufen wir CDs, bis das Ding auseinanderfällt!" Hinzu kommt im Kinderbereich, dass es keine echten Alternativen bei der Audio-Hardware gibt. In Deutschland werden für bestimmte Kinderserien immer noch Kassetten produziert und verkauft. Vinyl kommt zurück. Das ist eine weltweit einzigartige Situation, von der ich glaube, dass sie sich mittelfristig auch nicht signifikant ändern wird. Ich wage auch zu behaupten, dass nur dieses gesunde Verhältnis zwischen download und physisch die künstlerische, thematische und verlegerische Vielfalt garantiert, die wir momentan haben und die alle so zu schätzen wissen. Natürlich wird die Nutzung digitaler Vertriebswege tendentiell zunehmen, aber langsam, nicht abrupt, und diese Zeit sollten wir nutzen, um für angemessene Vergütung und Honorierung insbesondere beim Streaming, aber auch bei Abo- und Leihmodellen zu kämpfen.

Sie standen im vergangenen Jahr bei Preisverleihungen schön regelmäßig auf dem Treppchen. Was haben Sie richtig gemacht?Eigentlich alles – oder? Spaß beiseite: Es hat mich unheimlich gefreut, dass wir die drei wichtigsten Auszeichnungen für drei unterschiedliche Titel erhalten haben, die beispielhaft für unser Programm und unsere Haltung beim Hörbuchmachen stehen. Das Kinderhörbuch des Jahres , „Nur ein Tag" von Martin Baltscheit, hätte es wohl nie gegeben, wenn ein Controller sich die Vorkalkulation angeschaut hätte. Zur Sicherheit habe ich sie unserem Controller gar nicht erst gezeigt. Hörspiele zu produzieren können oder wollen sich die meisten Verlage gar nicht leisten. Zumal es mit der MwSt-Diskrepanz noch unattraktiver geworden ist. Mit Hörspielen aber hat alles angefangen und ich sehe es – jetzt muss ich pathetisch werden - als kulturelle Pflicht an, diese besonders bei Kindern beliebte Kunstform zu erhalten. Notfalls auch querfinanziert. Bei „Nur ein Tag" sind wir übrigens mittlerweile in der fünften Auflage. Den deutschen Hörbuchpreis erhielt Maria Koschny für ihre Interpretation von „Das Jahr, nachdem die Welt stehen blieb" erhalten. Der Titel – das Buch ist bei Hanser erschienen - steht paradigmatisch für unser offenbar glückliches Händchen beim Einkauf hausfremder Stoffe. Dieser Blick über den Tellerrand ist wichtig und bereichernd. Wenn er mit einer Auszeichnung belohnt wird – um so toller. Und last but not least gab´s den Hörkulino, den Publikumspreis des Deutschen Buchhandels für Ulrich Noethens wunderbare Lesung von „Ronja Räubertochter". Ein Beispiel für die Wiederbelebung unserer Backlist, das auf besondere Resonanz gestoßen ist, weil es bisher gar keine ungekürzte Lesung dieses Titels gab.

Welche Rolle spielen Eigenproduktionen für Oetinger?
Wie so oft ist auch das eine Frage der Kapazitäten und des Budgets. Bei Oetinger media haben wir schon vereinzelt Eigenproduktionen gemacht, „Nur ein Tag", zu dem es keine Buchvorlage, sondern nur ein Theaterstück gab, oder Produktionen im Bereich Kinderlieder. Aber wir haben darüber hinaus auch schon konkrete Pläne innovative Formate auszuprobieren. Mit „Oetinger 34" haben wir eine großartige digitale Kreativplattform im eigenen Haus. Daraus werden sich zukünftig sicher viele Anregungen, Kooperationen, genre- und formatübergreifende Projekte ergeben. Es bleibt spannend.