Annalise-Wagner-Preis 2017

Valentine Goby gewinnt mit "Kinderzimmer"

2. Juni 2017
von Börsenblatt
Die französische Schriftstellerin Valentine Goby erhält für ihren Roman "Kinderzimmer" den Annalise-Wagner-Preis, der von der Annalise-Wagner-Stiftung aus Neubrandenburg vergeben wird. Die Autorin wird den mit 2.500 Euro dotierten Preis am 23. Juni in Neubrandenburg entgegennehmen.

In der Jury-Begründung heißt es: "Valentine Goby entwickelt aus dem bedrückenden Sujet 'Kinderzimmer' eine hoffnungsvolle Geschichte von Mut und Widerstand, von Solidarität und Freundschaft, von Menschlichkeit und Menschenwürde unter menschenverachtenden Bedingungen. […] Ihre Sprache lässt keine Phrase, keine Rührseligkeit zu, sie trägt diese Geschichte voller Empathie, Prägnanz und Präzision. […] Mit diesem Roman gelingt ihr etwas Erstaunliches, das bislang nur einigen wenigen Überlebenden selbst gelungen ist, so zum Beispiel Primo Levi, Liana Millu, Imre Kertesz oder Charlotte Delbo: eine Zeugnissprache, die in das Innere des 'univers concentrationnaire' (David Rousset) führt, Fakten atmosphärisch zu Momentaufnahmen verdichtet, nach Schwierigkeit und Notwendigkeit dieser Erinnerungen fragt, nach ihrer Bedeutung für unser Verständnis von Menschenwürde und Menschenrechten – und auch nach der besonderen Rolle, die Literatur als Medium des kollektiven Gedächtnisses spielt. Der hervorragenden Übersetzung von Claudia Steinitz ist zu verdanken, dass sie auch deutsche Leser erreicht."

Zum Buch:

Basierend auf Zeitzeugenberichten erzählt Valentine Goby die Geschichte der fiktiven Résistance-Kämpferin Mila. Sie ist schwanger – und wird Anfang 1944 ins Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück deportiert; dort bringt sie ihren Sohn zur Welt. Gemeinsam mit vielen anderen Neugeborenen wird er im "Kinderzimmer" untergebracht, und Mila tut alles in ihrer Macht stehende, um sein und ihr Leben zu retten. Bei den Recherchen zu ihrem Roman sprach Valentine Goby mit der heute 93-jährigen Marie-José Chombart de Lauwe, Säuglingsschwester im "Kinderzimmer", sowie mit Jean-Claude Passerat, Guy Poirot und Sylvie Aymler, die im "Kinderzimmer" von Ravensbrück geboren wurden. Der Roman ist auf Deutsch im Februar im Verlag ebersbach & simon erschienen.

Die Annalise-Wagner-Stiftung zeichnet mit dem regionalen Literaturpreis Werke aus, die Besonderes beitragen zum kollektiven Gedächtnis der historischen Region Mecklenburg-Strelitz. In der regionalen Erinnerungskultur spielt die Auseinandersetzung mit "NS-Geschichte vor der Haustür" eine wichtige Rolle. Dazu gehören die vielfältigen Verbindungen von Orten wie Fürstenberg oder Neubrandenburg mit dem Frauenkonzentrationslager Ravensbrück, wie die Stiftung mitteilt.