Buchmesse: Christiane zu Salm über ihr Projekt The Arts+

"Ich sehe mich als Türöffnerin, vor allem in die Kunstwelt hinein"

12. Oktober 2016
von Börsenblatt
Mit Medien kennt sie sich genauso gut aus wie mit Kunst. Bei The Arts+ führt Christiane zu Salm beides zusammen. Die Messe in der Buchmesse richtet sich an die gesamte Kultur- und Kreativszene, an Verleger, Designer, Architekten, Museumsleute, Entwickler, Künstler, Fotografen. Und das aus gutem Grund. Ein Interview.

Sie sind gelernte Verlagsbuchhändlerin - und seit 2016 Nicolai-Verlegerin. Wann waren Sie zuletzt auf der Buchmesse?
Selbstverständlich gehe ich seit über 20 Jahren jedes Jahr zur Buchmesse, egal, in welcher Branche ich gerade gearbeitet habe - ob Fernsehen, Internet, Zeitschriften oder Kunst. So kann ich die Messe aus den verschiedensten Blickwinkeln betrachten, denn nirgendwo gibt es so viel Inhalt auf einmal wie auf einer Buchmesse.

Gemeinsam mit der Buchmesse haben Sie das neue Messeprogramm The Arts+ gegründet. Rücken Buch- und Kunstwelt in digitalen Zeiten näher zusammen?
Alle Welten rücken zusammen, immer mehr. Aber nicht aus einer Not heraus, sondern wegen des Internets. Gewohnte Grenzen zwischen Raum und Zeit sind längst aufgelöst. Somit entsteht viel Neues. Wir leben in höchst spannenden Zeiten, gerade, wenn es um die internationale Kulturwirtschaft geht. Denn es gibt viel zu gewinnen, aber auch einiges zu verlieren - und zwar das Recht am eigenen Werk.
Wäre The Arts+ ohne Ihre Doppelrolle als Verlegerin und Kunstsammlerin denkbar gewesen?

Ich sehe meine Rolle bei The Arts+ in erster Linie als Türöffnerin in andere Welten, vor allem in die Kunstwelt hinein.


Ob Film- oder Spiele-Industrie: Zur Buchmesse kommen schon seit Jahren auch andere Kreativbranchen. Was soll, was kann The Arts+ ihnen Neues bieten?

Alles Neue, mehr denn je. Denn im Zeitalter von 3D-Druckern, künstlicher Intelligenz und Virtual Reality passiert in jeder kulturellen Kategorie - von Film, Spielen über Musik bis hin zur Mode - so viel neues, dass es jetzt genau der richtige Zeitpunkt ist, einen Treffpunkt für die internationale Kulturwirtschaft zu schaffen. The Arts+ soll zum einen Impulse und Ideen für die Potenziale digitaler Technologien geben, und zum anderen Austauschmöglichkeiten über den Schutz von kreativen Rechten geben. 


Welchen Vortrag dürfen Verleger auf keinen Fall verpassen?

Bitte glauben Sie mir: einer ist spannender als der andere. Wir haben großartige Redner zu Gast, die uns die Umbrüche vor Augen führen und ihre Einschätzung zur Zukunft abgeben. Für fast alle Bereiche der Kreativität muss das geistige Eigentum neu verhandelt werden. Hierum geht es vor allem auf unserer Konferenz. Wem gehört zum Beispiel der Le Corbusier-Stuhl, den Sie in Ihrem Wohnzimmer ausdrucken? Diese Frage wird schon bald jeden interessieren müssen, der etwas erschaffen hat.


The Arts+ spricht auch die Museen an. Fehlt den Ausstellungshäusern bisher ein Forum für den digitalen Fachaustausch?

Ich habe jedenfalls noch nie von einem Forum gehört, auf dem man so anschaulich begreifen kann, wo es in Zukunft lang geht. Und was alles möglich ist!

Unbedingt sehen müssen Sie einen verblüffend echten Rembrandt von vor über 300 Jahren, der mit 150 Gigabytes digital gerenderten Grafiken so rüberkommt, als sei er gestern frisch gemalt worden. Als ob die Ölfarbe noch riecht. Oder machen Sie sich virtuell zum Teil eines Bruegel-Gemäldes von 1562. Es wird auf einem Laufsteg auch 3D-Mode zu sehen sein, Röcke und Oberteile frisch ausgedruckt. Auf The Arts+ kann jeder erfahren, wie Technologie unser Kunst-und Kulturerleben verändern kann und wird.

Die Museen präsentieren sich außerdem auf einer eigenen Messefläche. Warum kommt das Museum of Modern Art aus New York zur Frankfurter Buchmesse? Weil die Frankfurter Buchmesse längst zu einem Marktplatz für alle kulturellen Inhalte geworden ist, weit über das Buch hinaus. Hier werden in Zukunft Lizenzen auch für Kunst, Architektur, Design und Mode verhandelt. Museen finden das interessant, weil sie genauso wie alle anderen Kulturinstitutionen zusehen müssen, in intensiven Umbruchszeiten neue Vermittlungswege und auch neue Geschäftsmodelle zu finden.

David Hockney ist bei der Eröffnungspressekonferenz der Buchmesse zu Gast. Ihre erste Begegnung mit ihm? Ja, und ich bin schon sehr gespannt. Was für ein Pionier für Kunst im digitalen Zeitalter. Und das in seinem Alter. An seiner Unerschrockenheit gegenüber allen neuen Technologien nehme ich mir ein Beispiel.
Haben Sie in Frankfurt einen Termin, der Ihnen persönlich besonders wichtig ist? Sehr wichtig. Aber ich verrate nicht, mit wem!

The Arts+

  • Auf der Ausstellungsfläche in Halle 4.1 (rund 2 000 Quadratmeter) präsentieren sich die Documenta und der Taschen Verlag, große Museen wie das Victoria & Albert Museum aus London, das Van Gogh Museum aus Amsterdam und das Museum of Modern Art, New York.
  • Bei der Konferenz am Messemittwoch, 19. Oktober, stellt Bas Korsten von der Agentur JWT Amsterdam das Projekt "The Next Rembrandt" vor – ein Bild, das aussieht wie von Rembrandt gemalt, aber mit Daten seines gesamten Werks auf 3-D-Druckern entstand – und grundlegende Fragen aufwirft: Passen Technologie und Kreativität zusammen? Und wird der künstlerische Prozess von Algorithmen abgelöst? Außerdem mit dabei: Kunstsammlerin Julia Stoschek, Web-Visionär Jeff Jarvis, Edward Budd, Chief Digital Officer der Deutschen Bank, und viele andere.
  • Ein großes Thema im Messesalon von The Arts+, der seine Türen in Halle 4.1 für Vorträge öffnet, ist Virtual Reality. Die Technik könnte alles revolutionieren: Filmproduktion, Spieleindustrie, Museumsarbeit. Experten liefern Fachwissen aus erster Hand (Mittwoch, 19. Oktober, 13.15 Uhr und Freitag, 21. Oktober, 12.30 Uhr). Am Wochenende wird der Salon zur virtuellen Spielwiese fürs Publikum. Das ganze Programm von The Arts+ unter www.theartsplus.com.

Die Fragen stellte Sabine Cronau