Christoph Links über Verlagsvertreter

Engagierte Makler

2. März 2017
von Börsenblatt
Um die heutige Bedeutung von Vertretern für einen Verlag richtig zu ermessen, muss man sich die Funktionsgeschichte dieses Berufsstands ansehen. Die ist nämlich überaus aktuell – meint Christoph Links.

Historisch nachgewiesen sind die ersten Verlagsvertreter vor etwa 130 Jahren. Ausgangspunkt waren die Kinder- und Jugendbuchverlage. Der Loewe Verlag in Stuttgart durchbrach als Erster die Tradition, neue Titel nur im Börsenblatt oder durch Verleger-Cirkulare (also Rundbriefe) anzukündigen. Die Händler sollten die schönen Illustrationen und die Art der Ausstattung sehen können, denn so waren sie eher zu Bestellungen zu motivieren. Loewe schickte damals einen angestellten Kollegen los. Doch da die überschaubare eigene Produktion die Reisekosten nicht deckte, nahm er auch Malbücher und Kinderspiele anderer Verlage mit.

Zur Jahrhundertwende folgten dann die sogenannten Kulturverlage, die ihre belletristischen und grafischen Werke gegenüber dem Buchhandel persönlich erläutert und präsentiert sehen wollten. So berichtete der Verleger Reinhard Piper 1903 seinem Autor Arno Holz, dass er die »gerissene Art der Jugendschriften-Fabrikanten« auch für seinen gerade im Entstehen begriffenen Verlag nutzen und "Reisende mit ihren Riesenkoffern ausrücken" lassen wollte, um den Werken von Anfang an mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen.

Die zweite, für Verlage damals ebenso wichtige Aufgabe bestand darin, vor insolvenzbedrohten Buchhändlern zu warnen und den Verlagen ein realistisches Bild des Handels zu vermitteln. Konnten sich anfangs nur große Verlage fest angestellte Reisevertreter leisten, schlossen sich seit den 20er Jahren immer mehr kleinere Verlage zusammen und engagierten gemeinsame Provisionsvertreter, woraufhin man bald Kollegen mit besonders dicken Taschen durchs Land ziehen sah und sich die Ansicht durchsetzte, dass für diesen Beruf nur "Kraftnaturen" geeignet seien. Durch die fortschreitende Motorisierung wurde es alsbald jedoch auch zarteren Personen möglich, der Arbeit per Motorrad oder Automobil nachzugehen.

Die erheblichen Entbehrungen führten nach dem Zweiten Weltkrieg dazu, dass es eine große Nachfrage gab und mit der wieder einsetzenden Papierproduktion bald auch die Buchproduktion einen regelrechten Boom erlebte. Allerdings kam dabei auch jede Menge Schrott auf den Markt, der sich dann als nicht absetzbar erwies. Hier nun kam eine dritte wichtige Funktion auf die Vertreter zu, die mit den Jahren der anhaltenden Überproduktion immer mehr an Bedeutung gewann und die zweite Funktion (Warnung vor zahlungsunfähigen Händlern) zunehmend ablöste. Ernst Heimeran, von dem die grundlegende Arbeit "Der Verlagsvertreter" aus dem Starnberger Bachmaier-Verlag stammt, schrieb 1956: "Es würde deutlich weniger Verlagsnieten und weniger Ladenhüter geben, wenn sich Verleger und Sortimenter persönlich über Produktion und Absatz vereinbaren könnten."

Diese eher planwirtschaftlich klingende Idee versuchte die DDR mit ihren zentralstaatlichen Steuerungsorganen umzusetzen, weshalb dort ja nur vergleichsweise wenige Verlage mit klar abgegrenztem Profil zugelassen waren, deren Programme tatsächlich mit den mehrheitlich staatlichen Händlern und der monopolistischen Auslieferung im Vorfeld abgestimmt wurden. In der Bundesrepublik fiel diese Abstimmungsaufgabe den Vertretern zu, die damit für die Verleger noch wichtiger wurden. Sie erhielten die Funktion, Makler zwischen beiden Handelspartnern zu sein und nach jeder Seite wichtige Informationen zu transportieren: Was ist im Handel gefragt, welche Qualität müssen neue Titel haben (inhaltlich wie äußerlich), wie können sie argumentativ gut an die Händler und ans Publikum vermittelt werden?

Die historisch gewachsenen Funktionen des Vertreterberufs sind nach wie vor aktuell. Wenn es den heute reisenden Vertreterkollegen gelingt, als engagierte Makler zwischen Verlagen und Händlern gute Bücher gut zu verkaufen und die Verlage in ihrer Programmarbeit kompetent zu beraten, so muss einem um die Zukunft des Berufsstandes nicht bange sein, auch wenn manch ein Vertriebler dies im elektronischen Zeitalter anders sieht.

Die geschichtlichen Informationen gehen auf Heinz Sarkowski zurück: "Der Verlagsvertreter. Ein historischer Rückblick", erschienen in der Zeitschrift "Buchhandelsgeschichte", Heft 3 und 4/1993; sowie auf das von Hans Jordan herausgegebene Buch "Auf Verlegers Rappen. Verlagsvertreter berichten von ihren Begegnungen mit Buchhändlern, Verlegern und Autoren", Metzler-Verlag Stuttgart und Weimar 1994.