Interview mit dem Lit.Cologne-Macher Rainer Osnowski

"Sie müssten sehen, wie reibungslos alles läuft"

23. Juli 2015
von Börsenblatt
Rainer Osnowski kommt pünktlich genau fünf Minuten zu spät zum Telefoninterview ins Büro gelaufen. In diesen Tagen hat er alle Hände voll zu tun. Er ist einer von drei Geschäftsführern der Lit.Cologne. Das Kölner Literaturfestival hat mit 206 Veranstaltungen an elf Tagen noch einmal zugelegt und startet heute mit der Gala zur Verleihung des Deutschen Hörbuchpreises.

Herr Osnowski, wie gestresst sind sie auf einer Skala von eins bis zehn?
Ich würde sagen: drei. Weil wir einfach so ein großes und tolles Team haben. Sie müssten sehen, wie reibungslos alles läuft. Jeder weiß, was er zu tun hat.

Ihr Kollege Werner Köhler sagte bereits vor einigen Jahren, das Höchstmaß an Veranstaltungen sei erreicht. Warum hat die Lit.Cologne trotzdem noch einmal von 172 auf 206 Veranstaltungen aufgestockt?
Was Werner Köhler meinte, ist, dass wir im Erwachsenenbereich mit 105 Veranstaltungen die Fülle erreicht haben, die sich gut realisieren lässt. Allerdings gibt es im ohnehin bereits umfangreichen Kinder- und Jugendprogramm noch einmal eine 40-prozentige Steigerung, weil die Nachfrage vor allem nach den Klasse-Buch-Lesungen so groß ist. Die Steigerung bedeutet übrigens, dass diesmal nicht nach drei Tagen alles ausverkauft war, sondern nach eineinhalb Wochen... Auch, wenn er defizitär ist, wollten wir in diesem Bereich zulegen.

Das müssen Sie mir erklären.
Auch im Erwachsenenbereich brauchen wir ja Sponsoren, um das Programm finanziell zu stemmen. Im Kinder- und Jugendbereich sieht das nicht anders aus: Wenn 200 Schulkinder als symbolischen Beitrag jeweils zwei Euro mitbringen, dann ist gerade mal der Autor bezahlt.

Aber Sie sind doch private Veranstalter – also raus damit aus dem Programm!
Ein elementarer Bestandteil der Lit.Cologne ist der Gedanke der Nachhaltigkeit. Und man wird belohnt, wenn man vorher die gelangweilten, Kaugummi kauenden Schüler sieht und sie nachher sagen hört: „Das war ja toll!“ Wir wollen das Thema Literatur ernst nehmen. Wir wollen so etwas sein wie Berlinale für das Buch, also das komplexe Bild der Gesellschaft abbilden – und da spielen die Kinder eine wichtige Rolle. Allerdings sprechen wir nicht von kultureller Bildung, sondern wir wollen schon beim Kinderbuch zeigen, was für spannende Stoffe es gibt. Bei uns arbeiten allein vier Personen für das Kinder- und Jugendprogramm. Sie sind dafür verantwortlich, zu zeigen, wie geil Bücher sind.

Haben Sie gerade „geil“ gesagt?
Ja, wir sprechen doch von Jugendlichen.

Mit wie vielen Besuchern rechnen Sie dieses Jahr?
Wir sind bereits bei 91 Prozent Auslastung und hoffen, erstmalig die 90.000er-Grenze zu nehmen.

Obwohl Sie nicht wie in den Vorjahren die Kölner Arena mit ihren über 10.000 Plätzen bespielen?
Wir haben ein paar Mal gezeigt, dass wir es können, und brauchen es nicht jedes Jahr. Dafür bespielen wir dreimal das derzeitige Quartier der im Umbau befindlichen Kölner Oper, die Oper am Dom mit 1.600 Plätzen. Ein Höhepunkt dort ist sicher die Begegnung mit Philippe Pozzo di Borgo und seinem Pfleger Abdel Sellou, die Vorbilder für den Film „Ziemlich beste Freunde“ sind. Philippe Pozzo di Borgo war so begeistert davon, dass wir uns das Thema Inklusion auf die Fahnen geschrieben haben, dass er unbedingt kommen wollte.

Was beinhaltet das Thema Inklusion auf der Lit.Cologne?
Gemeinsam mit der Aktion Mensch haben wir es geschafft, nicht nur die Internetseite, sondern auch ein Viertel der Veranstaltungen komplett barrierefrei zu gestalten. Das bedeutet unter anderem, dass jeweils zwei Schriftdolmetscher vor Ort sind, die das gesprochene Wort für hörgeschädigte Menschen, die die Gebärdensprache nicht gut können, in Schrift umsetzen.

Was bedeutet die Lit.Cologne für den inhabergeführten Buchhandel?
Die Buchhandlungen im Umkreis setzen Schwerpunkte auf das Programm und die Neuerscheinungen, die während des Festivals vorgestellt werden. Für sie ist das ein spürbarer Faktor unabhängig davon, dass Thalia ein großer Sponsor der Lit.Cologne ist.

Wie tragen Sie den neuen Medien Rechnung? Oder anders gefragt: Der Trend geht vom Buch zum E-Book – bleiben die Begegnung mit dem Autor oder die kreative öffentliche Auseinandersetzung mit Themen und Stoffen relevant?
Eventuell wird die eine oder andere Lit.Cologne-Veranstaltung gestreamt, aber das gemeinsame Literaturerlebnis, wie wir es bieten, bleibt wichtig oder wird sogar noch bedeutender. Und meiner Meinung nach wird noch viel Wasser den Rhein runter fließen bis das E-Book die Bedeutung hat, die ihm heute schon beigemessen wird.

Bleibt es neben dem großen Festival im Frühjahr beim Spezial zur Frankfurter Buchmesse?
Ja, das ist mittlerweile ein etabliertes Format und bei Autoren, Verlagen und Publikum gleichermaßen beliebt.

Die Lit.Cologne findet viele Nachahmer in anderen Städten. Könnten Sie sich vorstellen, mit dem Festival zu expandieren?
Ich halte das für eine gute Entwicklung: Marketing und Werbung für das Buch kann es gar nicht genug geben. Die Lit.Cologne bleibt allerdings in Köln. Berlinale-Direktor Dieter Kosslick fragt auch niemand, ob es sein Filmfest demnächst in der Eifel gibt.