Interview mit Sven Gábor Jánszky zur Zukunft der Arbeit

"Viele werden tun, was die Technologie ihnen sagt"

20. Juli 2015
von Börsenblatt
40 Prozent aller Berufstätigen ziehen als Projekt-Hopper von einem Unternehmen zum nächsten, Maschinen geben die Arbeitsanweisungen - der Trendforscher Sven Gábor Jánszky über die Arbeitswelt im Jahr 2025.

Alle sprechen von Burn-out. Ist  das 2025 noch Thema?
Ja, Burn-out und stärker noch Bore-out, also das Ausbrennen durch Langeweile, bleiben die Modeerkrankungen des Jahrhunderts. Doch die Wahrheit ist: Es gibt heute nicht mehr Erschöpfte als früher. Die Gründe dafür mögen sich verändert haben, der Sachverhalt der Erschöpfung und die Zahl der Erschöpften schwanken den Studien zufolge kaum. Unsere neuen Lebens- und Arbeitsbedingungen laugen nicht mehr aus, sondern anders.

Burn-out als Erfindung der Krankenkassen?
Unser Eindruck, uns in einem gigantischen Burn-out-Trend zu befinden, hat seine Ursache vor allem im verfeinerten Repertoire an diagnostischen psychiatrischen Instrumenten und in der veränderten Aufmerksamkeit der Gesellschaft. Was früher verschwiegen und im internen Kampf ausgetragen wurde, darf heute auf Anerkennung als Krankheit hoffen. Für jeden psychisch Kranken ist das eine segensreiche Entwicklung, die aber dazu geführt hat, dass wir uns fälschlicherweise von einer Welle psychisch krankmachender Einflüsse umzingelt sehen.

Es hat sich also nur die Art der Krankheit verändert?
Das Kontinuum zwischen den Anforderungen der Unternehmen an das Leistungsvermögen ihrer Facharbeiter, deren Erwartungen an die eigenen Leistung und einem selbstbestimmten Umgang mit den Möglichkeiten der Technologie, bleibt eine der größten Herausforderungen der Arbeitswelt. Dies ist nichts Neues. Die gleiche Situation gab es in den Bergwerken unserer Großväter und an den Produktionsbändern unserer Väter. Nicht mehr und nicht weniger. Wir sind auf einem positivem Weg, auch wenn uns die Berichte über Burnout & Co. manchmal etwas anderes vormachen.

Routineaufgaben fallen weg, alle arbeiten kreativ. Stimmt’s?
Tatsächlich werden uns viele der einfachen Aufgaben durch Technologie abgenommen. Geräte und Maschinen treffen selbstständig Entscheidungen und finden durch Datenanalyse bessere Antworten auf viele Fragen als Menschen. Entsprechend werden wir Menschen diesen Technologien auch mehr vertrauen als anderen Menschen, die heute als Berater, Makler oder Verkäufer agieren. Doch dies führt nicht dazu, dass jeder kreativ arbeitet. Vielmehr wird es neben den kreativen, hochqualifizierten Mitarbeitern auch weiterhin niedrigqualifizierte Mitarbeiter geben. Durch den zunehmenden Fachkräftemangel müssen diese sogar höherwertige Arbeiten übernehmen. Dies geht durch „assisted working“ oder einfach gesagt: Viele von uns werden das tun, was die Technologie uns sagt.

 

Der Fachkräftemangel wird sich 2025 extrem verschärfen. Mit welchen Folgen?
Die Bundesagentur für Arbeit geht davon aus, dass in 10 Jahren bis zu 6,5 Millionen weniger Menschen im deutschen Arbeitsmarkt sind als bisher. Das führt zu einem gigantischen Mangel an Mitarbeitern und zu katastrophalen Verhältnissen für deutsche Unternehmen.

Was wird passieren?
Die hochqualifizierten Mitarbeiter werden täglich von Headhunter-Anrufen überschwemmt. Sie könnten ständig wechseln. Und das werden sie auch tun. Wir rechnen mit zirka 40 Prozent Projektarbeitern. Das sind Menschen, die sich für ein Projekt anstellen lassen, danach aber das Unternehmen wechseln zum nächsten herausfordernden Projekt. Es gibt nur wenige Strategien, diese Mitarbeiter zu binden. Das ist eine riesige Herausforderung. 

Unternehmen werden also nehmen müssen, wen sie kriegen können?
Die heutige Praxis, dass man ein Tätigkeitsprofil ausschreibt, und daraufhin melden sich zahlreiche passende Kandidaten, ist schlicht vorbei. Unternehmen werden nehmen müssen, wen sie kriegen können. Entsprechend der verfügbaren Mitarbeiter werden dann die Tätigkeiten und Verantwortlichkeiten ständig zwischen Abteilungen und Mitarbeitern hin und her geschoben. Dies macht die fluiden Unternehmen der Zukunft aus. Das Fazit aus Sicht von Unternehmen: Sie werden entweder zu „fluiden Unternehmen“ oder zu „Caring Companies“. In jedem Fall jedoch wird die Personal-Strategie zum Herzstück des Unternehmens.

Ist der Anteil von Frauen und Männern in Führungspositionen 2025 ausgeglichen?
Ja, der Vormarsch der Frauen wird im Jahr 2025 an allen Orten zu spüren sein. Denn Frauen sind die Gewinner des Übergangs in die Wissensgesellschaft. Sie haben die besseren Schulabschlüsse, den höheren Anteil an den Studierenden und nehmen auch in den Unternehmen mit zunehmenden Tempo Leitungspositionen ein. Dabei kommt den Frauen oftmals zugute, dass sie besser als Männer mit den Anforderungen der neuen Jobs umgehen können. In den Unternehmen des Jahres 2025 wird der Erfolg in erster Linie davon abhängen, ob die Mitarbeiter schöpferisch mit neuem, unbewährtem Wissen umgehen können.

Die Gleichstellungspolitik hat 2025 ausgedient?
Das natürliche Vordringen der Frauen in die Entscheidungspositionen der Wirtschaft führt dazu, dass spezielle Gesetze und Quoten zur Förderung von Frauen im Jahr 2025 keine wesentliche Rolle mehr spielen werden. Sie könnten ersetzt werden durch Gesetze zur Förderung von Müttern. Denn es sind die Mütter, die weniger verdienen und höheren Armutsrisiken ausgesetzt sind als Männer. Im Jahr 2025 wird sich die Gleichstellungspolitik wohl dieser etwas differenzierteren Mütterförderung verschrieben haben. Ob sie damit schnellen Erfolg hat, dürfte realistisch betrachtet vor allem davon abhängen, ob dann aus demografischen Gründen verstärkt die Mütter als Fach- und Führungskräfte benötigt werden oder ob das Demographieproblem durch andere Maßnahmen inzwischen gelöst ist.

Sven Gábor Jánszky (40) ist Direktor des Trendforschungsinstituts 2b AHEAD ThinkTank und  gefragter Keynotespeaker auf Strategietagungen. Gemeinsam mit Lothar Abicht hat er im Mai das Buch "2025 - So arbeiten wir in der Zukunft" im Goldegg Verlag veröffentlicht.

Mehr zur Zukunft der Arbeit, über den Markt für Berufs-Ratgeber und die neuesten Trends bei den Büchern für die Karriere lesen Sie im Börsenblatt Spezial Karriere & Berufsbildung, das am 11. Juli erscheint.