Klaus Kluge zur Käuferstudie des Börsenvereins

„Wir brauchen einen Schulterschluss zwischen Lesern und Handel“

5. Juni 2018
von Börsenblatt
Autoren, die ihren Zielgruppen verbunden sind, Verlage, die Mut haben, Singuläres anzubieten; Buchhändler, die sich etwas wegzulassen trauen, Vorbilder wie Globetrotter, die Produkte inszenieren können: Für Klaus Kluge, den Programm- und Marketingvorstand der Bastei Lübbe AG, ist mit dem aktuellen Rückgang der Buchkäufer noch nicht aller Tage Abend. Eher bricht ein Morgen neuen Denkens an.

Wie können Buch und Internet eine bessere Verbindung eingehen?
Wir schlagen ja mit zwei Verlagen bereits eine Brücke, nämlich mit den Community Editions und mit Lyx. Beide erreichen sehr zielgenau ihre Leserschaft, im Fall des Verlags für Influencer-Autoren sind das die Social-Media-Communitys, im Fall des Romance- und Fantasy-Spezialisten die jungen Vielleserinnen. Autoren wie Paluten oder Mona Kasten haben einen extrem hohen Konnex zu ihren Zielgruppen. Und sie bringen die Bereitschaft mit, sich mit denen auszutauschen. Die Buchbranche wird künftig genauer unterscheiden müssen: zwischen dem Geschäft mit Altmeistern wie Dan Brown oder Ken Follett auf der einen Seite, deren Namen weiterhin einen großen Nachhall haben, ohne jedoch in den sozialen Medien eine zentrale Rolle zu spielen; und andererseits den neuen Stars der Social-Media-Szene. Deren Fan-Potenzial haben wir in der Branche noch nicht ausreichend erkannt.

Braucht das Buch ein neues, positives Narrativ?
Wir brauchen kein neues Narrativ. Das Buch ist nach wie vor gut beleumundet. Worauf es jetzt ankommt, ist ein neuer Schulterschluss zwischen Autoren und Lesern sowie zwischen Lesern und Handel. Um den hinzubekommen, müssen Verlage und Handel noch intensiver kooperieren. Wir brauchen eine zielgruppengerechtere  Ausstattung der Bücher, und wir brauchen eine höhere Attraktivität, Emotionalität und Orientierung auf den Handelsflächen. Die Kunden suchen ja den Touchpoint zum Buch. Um sie dort aber richtig ansprechen zu können, bedarf es einer engen Begleitung durch Marktforschung. Das ins Bewusstsein gerückt zu haben, ist für mich das größte Verdienst der Käuferstudie des Börsenvereins.

Stimmen die Produkte, oder machen wir zu viel vom immer Gleichen?
Ich halte die Flut von Büchern, die sich in Cover, Ansprache und Inhaltsversprechen stark ähneln, für ambivalent. Der Vorteil des Gleichen ist: Der Handel kauft ein, wenn er etwas wiedererkennt. Der Nachteil ist: Der Kunde wird verwirrt und fühlt sich desorientiert. Lasst uns hier von Globetrotter lernen. Die zeigen, wie Produkte inszeniert werden können. Globetrotter lehrt uns aber auch, dass wir mehr Mut zum Weglassen brauchen. Verlage sollten die Bereitschaft haben, etwas Singuläres anzubieten. Wir bei Lübbe haben das mit Timur Vermes' „Er ist wieder da“ gemacht. Das Buch hat auch aufgrund seiner originären, nicht wiederholbaren Ausstattung so gut funktioniert. So etwas muss man dann konsequent durchdeklinieren, bis hin zum Preis von 19,33 Euro.

Wie lässt sich die kritische Altersgruppe der 40- bis 49-Jährigen erreichen?
Das ist die schwierigste Aufgabe, vor der wir im Moment stehen. Denn diese Leserinnen sind in ihrem Alltag stark beansprucht in verschiedenen Rollen, sie neigen deshalb zur Flucht in die schnelle Konsumierbarkeit – zum Nachteil der Bücher, die naturgemäß Zeit fordern. Ein Beispiel, das mir aber Mut macht, auch diese schwierige Alterskohorte erfolgreich zu adressieren, ist der neue Roman von Petra Hülsmann. Der stieg in den Taschenbuch-Charts der vergangenen Woche gleich von null auf 1 ein. Es steckt allerdings, vom Cover bis zum U4-Text, sehr viel Rheingold-Marktforschung drin.

Wie kann das Buch in seiner Funktion als Geschenk (oder als Selbstbelohnung) wieder an Bedeutung gewinnen?
Nach der Rückmeldung, die wir von Kunden bekommen, fehlt es sowohl bei den Büchern als auch im Handel häufig am Erfüllungsgrad. Im Buchhandel wird noch zu wenig kuratiert und verlagsseitig hapert es zu oft daran, dass ein Buch sein Versprechen, das es mit seinem Cover und mit dem Klappentext gibt, auch einlöst. Beides macht den, der ein Buch schenken will, unsicher. Hinzu kommt, dass über die Lektürevorlieben des zu Beschenkenden heute immer weniger gewusst wird. Auch hier lauten die entscheidenden Stichworte: mehr Orientierung, bessere Kuratierung!