Modernisierung im Verlag

Die Symbiose wagen!

4. Mai 2017
von Börsenblatt
Neue Technologien können das Bestehende unterstützen und modernisieren. In den Verlagen ist die Zeit deshalb reif für Publishing 4.0, meint Henrieke Schröder. Sie studiert Verlags- und Handelsmanagement an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur in Leipzig. Ihr Beitrag basiert auf einer Studie von zehn HTWK-Studenten zum Thema Publishing 4.0 in Verlagen.

"Publishing 4.0" als Begriff wird in der Buchbranche mittlerweile inflationär genutzt. Doch von einer praktischen Umsetzung dieses Ansatzes sind die Verlage noch weit entfernt. Der Begriff Publishing 4.0 ist angelehnt an das Industrie-4.0-Konzept und bietet Verlagen neue Geschäfts- und Gestaltungsperspektiven, wobei die Optimierung des gesamten Lebenszyklus von Produkten durch die Digitalisierung im Mittelpunkt steht. Die Herausforderung liegt hierbei bei der Kombination von Mensch, Technik und IT im Arbeitsprozess.

Diese theoretische Beschreibung der Erwartung an das doch zugegeben sehr abstrakt klingende Konstrukt Publishing 4.0 verspricht viel: Steigerung der Produktivität und des Outputs, ein hohes Innovationspotenzial und die Realisierung einer optimalen Wertschöpfung.

Doch bei der Etablierung von Publishing-4.0-Prozessen gibt es Risikofaktoren wie fehlende Erfahrung der Mitarbeiter, fehlende Best-Practice-Beispiele, und natürlich ist auch der Kostenfaktor nicht zu unterschätzen; eine ziemlich lange Liste an Argumenten, Publishing 4.0 erst einmal ad acta zu legen und die Theorie den Wissenschaftlern zu überlassen.

Publishing 4.0 ist mit der Mykorrhiza, einer Baum-Pilz-Symbiose, vergleichbar. Bei der Mykorrhiza umhüllt der Pilz die Baumwurzeln und lebt so mit ihm in einer Lebensgemeinschaft, bei der jeder voneinander profitiert; so trägt der Pilz beispielsweise zum Schutz und zum längeren Überleben des Baums bei, wobei der Baum dem Pilz einen Lebensraum bietet.

Die Implementierung digitaler Prozesse in den Verlagsalltag ist auf lange Sicht unausweichlich und wird nicht dazu führen, dass alte Abläufe gänzlich verschwinden. Best-Practice-Beispiele aus der Automobilbranche zeigen, dass die neuen Technologien das Alte unterstützen und zugleich modernisieren. Wie bei der Mykorrhiza bedeutet dies, dass Publishing 4.0 in einer Lebensgemeinschaft mit dem althergebrachten Know-how und Profil des Verlags existieren wird und sowohl die Verlage untereinander als auch die gesamte Buchbranche von diesem schwierigen Schritt profitieren werden.

Momentan sind die Verlage noch nicht bereit, Publishing 4.0 in ihren Unternehmen als feste Größe zu implementieren. Man möchte rufen: Trauen Sie sich! Eine Veränderung kann Gutes bewirken, und wenn sie zu lange ignoriert wird, entsteht keine Mykorrhiza, sondern vielleicht eine Schmarotzerpflanze, die dem Baum schadet. Angst vor Neuem bewirkt Stillstand.

Die Buchbranche ist über kurz oder lang dazu angehalten, Hemmschwellen gegenüber digitalen Arbeitsprozessen abzubauen und der Theorie auch Raum in der Praxis zu gewähren. Das Buch als ältestes Medium der Welt braucht beste Begleitung, um in der digitalisierten Welt weiterhin auf einen stabilen Absatzmarkt bauen zu können. Publishing 4.0 bietet einen modernen Lösungsweg, den Verlagen unterstützend zur Seite zu stehen.