MVB-Geschäftsführer Ronald Schild über Internationalisierung

Weniger abhängig

7. Mai 2018
von Börsenblatt
Die MVB betreibt zunehmend internationales Geschäft. Ihr Chef Ronald Schild sieht darin den besten Weg zu neuen Umsatzquellen – als Zukunftssicherung bei einem rückläufigen Inlandsmarkt.

Ein VLB für Brasilien, Zukäufe in den USA, Sondierungen in weiteren Auslandsmärkten: Die MVB betreibt zunehmend internationales Geschäft. Warum und mit welchem Ziel?
Die Buchbranche wird immer globaler, sodass wir uns als Unternehmen breiter aufstellen wollen und müssen. Das Potenzial dazu, unsere digitalen Infrastruktur-Dienstleistungen im internationalen Wettbewerb erfolgreich zu platzieren, haben wir. Derzeit laufen unsere Geschäfte sehr gut, aber perspektivisch führen Entwicklungen auf dem heimischen Markt zwangsläufig zu Umsatzverlusten für die MVB: rückläufige Buchkäuferzahlen, sinkende Kundenfrequenz in den Innenstädten und eingeschränkte Sichtbarkeit für das Buch, dazu Konzentrationsbewegungen auf Verlags- wie Buchhandelsseite. Aufgrund unserer starken Position in den meisten unserer Geschäftsbereiche sind Wachstumspotenziale bereits weitestgehend ausgeschöpft. Dennoch müssen wir fortlaufend in die Weiterentwicklung unserer Produkte investieren und Personal- und Herstellungskosten entwickeln sich konstant nach oben. Um langfristig erfolgreich zu bleiben, muss die MVB also neue Umsatzquellen erschließen. Und diese sehen wir in erster Linie im Export unserer Technologien ins Ausland.

Sie gehen damit aber auch neue Risiken ein. Wie managen Sie die?
Tatsächlich betreiben wir mit der Interna­tionalisierung unserer Aktivitäten eine Risikominimierung. Denn durch unser Engagement in unterschiedlichen Buch­märkten werden wir weniger abhängig von nationalen Entwicklungen. Wir investieren ausschließlich in Märkte mit eindeutigem Potenzial. Voraussetzung dafür sind eine ähnliche Branchenstruktur mit entsprechendem Titelvolumen sowie ein Wett­bewerbsumfeld, das eine schnelle Marktdurchdringung möglich macht. In Brasilien unterstützt uns mit dem Verlegerverband zudem ein starker Partner, der sich intensiv für die Nutzung von Metabooks einsetzt. Vom sogenannten Skalierungseffekt der gemeinsamen Technologienutzung, also einmalige Entwicklung bei mehrfacher Anwendung, profitieren auch unsere deutschen Kunden. Denn die fortlaufend notwendigen Investitionen in die Weiterentwicklung unserer Plattformen lassen sich so auf mehrere Schultern verteilen. Gleichzeitig werden so weitere Investitionen in unsere Produkte ermöglicht – und hiervon profitieren alle Marktteilnehmer.

Wird die Neuentwicklung von Produkten und Dienstleistungen für die Märkte in DACH an Bedeutung verlieren?
Keinesfalls. Aber wie bisher gilt, dass eine Entwicklung völlig neuer Angebote für die MVB aus wirtschaftlicher Perspektive nur dann interessant ist, wenn es keine vergleichbaren Produkte und Dienstleis­tungen mit bereits hohem Marktanteil gibt. So wie im Fall der digitalen Vorschau, die wir mit unserem Titelinformationssystem VLB-TIX erfolgreich in den Markt eingeführt haben.

Wie entwickeln sich Ihre Geschäfte in Brasilien und den USA?
Sehr zufriedenstellend. In Brasilien sind wir nach weniger als einem Jahr eine bekannte Größe im Markt. Wir haben in unserer Datenbank Metabooks bereits 20 Prozent der aktiven Titel und wollen diese Zahl schnell verdoppeln. Die Mehrzahl der führenden Verlage ist bereits mit von der Partie und große Buchhändler haben Schnittstellen zu Metabooks eingerichtet oder sind gerade dabei. Natürlich sind wir hier noch in der planmäßigen Investitionsphase. In den USA haben wir 2017 die etablierten Bestellplattformen Pubnet und PubEasy übernommen und in eine eigene Firma überführt. Wir konnten in den letzten neun Monaten alle Kundenbeziehungen erneuern, ohne einen einzigen Kunden zu verlieren. Und obwohl wir uns im Prozess der technischen Umstellung befinden, haben wir mit dem Fachverlag Elsevier einen weiteren Großkunden gewonnen. Betrachtet man beide Vorhaben gemeinsam, so bewegen sich die Investitionen in Brasilien in der Größenordnung des positiven Deckungsbeitrags, den wir in den USA erzielen. Das bedeutet, dass die Auslandsinvestitionen den Cashflow der MVB nicht belasten. 2018 sollen die Auslandsaktivitäten ca. 15 Prozent zum Gesamtumsatz der MVB beitragen.

Was haben die Börsenvereinsmitglieder von Ihren internationalen Aktivitäten?
Grundsätzlich profitieren der Börsen­verein und damit seine Mitglieder direkt von unserem wirtschaftlichen Erfolg. Die jährlichen Ausschüttungen, die wir zusammen mit den Kollegen von der Frankfurter Buchmesse erwirtschaften, tragen einen relevanten Teil zur Verbandsfinanzierung bei. Noch viel unmittelbarer profitieren die Mitglieder vom Aufbau international vernetzter Plattformen. Wenn wir beispielsweise unser VLB oder VLB-TIX in verschiedenen Märkten betreiben, wird es für deutsche Verlage einfacher, ihre Titel in internationale Kataloge zu melden und im Ausland zu verkaufen. Außerdem erhalten deutsche Buchhändler einen wesentlich einfacheren und besseren Überblick über fremdsprachige Titel. Gleiches gilt perspektivisch für unserer Bestellsysteme Pubnet, PubEasy und IBU, die wir nach und nach in einer einheitlichen Plattform integrieren.

Hat die MVB überhaupt die Kapazität, im Ausland tätig zu sein, oder stehen dadurch weniger Ressourcen für die bestehenden Angebote zur Verfügung??
Um uns auf die Auslandsaktivitäten vorzubereiten, haben wir in den Jahren 2015 und 2016 unsere Organisationsstruktur in einem ambitionierten Projekt an die kommenden Anforderungen angepasst – auch dadurch, dass wir Mitarbeiter mit entsprechenden Kompetenzen eingestellt haben, die uns bis dahin gefehlt haben. Gleichzeitig haben wir auf kompetente Kollegen vor Ort gesetzt. In den USA konnten wir alle Mitarbeiter von Pubnet und PubEasy übernehmen und in Brasilien haben wir Kollegen mit langer Erfahrung im Buchmarkt gefunden. Mittlerweile arbeiten etwa zehn Prozent der MVB-Belegschaft an unseren Standorten São Paulo und New York. Die bestehenden Angebote in DACH werden weiterhin wie gewohnt in Frankfurt betreut.

Wie finanzieren Sie Ihre internationalen Projekte?
Dank der angesprochenen neuen Organisationsstruktur konnten wir unsere Kosten um ca. zehn Prozent senken und so einen Teil der Investitionen direkt aus eigenen Mitteln stemmen. Der andere Teil ist kreditfinanziert und wird in einem verhältnismäßig kurzen Zeitraum getilgt.

Wenn Sie auf die kommenden Monate blicken, wohin geht die Reise?
Unsere Metadaten-Technologien "Made in Germany" sind sehr beliebt. Aktuell erreichen uns viele Anfragen aus anderen Buchmärkten. Dieses Interesse wollen wir für weiteres Wachstum nutzen. Denn Brasilien und die USA waren nur die ersten Schritte unserer Internationalisierungsstrategie. In Sachen VLB führen wir derzeit sehr vielversprechende Gespräche über die Etablierung einer spanischsprachigen Metabooks-Version in mehreren lateinamerikanischen Märkten. Aufgrund der einmaligen Sprachanpassung ist diese Ausbauvariante besonders charmant. Bei der Expansion von VLB-TIX liegt unser Fokus auf europäischen Buchmärkten, wo wir im Moment verschiedene Möglichkeiten sondieren.