Nachruf: Trikont-Verleger Achim Bergmann

"Einer, der das tat, was er für richtig hielt"

2. März 2018
von Börsenblatt
Der Trikont-Verleger Achim Bergmann ist am 1. März im Alter von 74 Jahren gestorben. Ein Nachruf von Heyne-Core-Verlagsleiter Markus Naegele. Bei Heyne Core ist im vergangenen Jahr "Die Trikont-Story" zum 50. Geburtstag des Trikont Verlags erschienen.

Achim Bergmann ist nicht mehr da. Ein ganz lapidarer Satz, aber ein Satz mit unfassbarer Tragweite. Denkt man einmal kurz nach, stellt man fest, dass das nicht sein kann. Und natürlich stimmt er auch nicht wirklich. Denn Achim wird immer da sein. Im Herbst 2017 haben er und seine Frau Eva Mair-Holmes mit der kleinen Belegschaft das 50. Jubiläum ihres Trikont-Verlages gefeiert.

Wir durften die Feierlichkeiten mit einer umfangreichen Verlagschronik begleiten. „Die Trikont-Story. Musik, Krawall & andere schöne Künste“ erzählt farbenprächtig und voller Anekdoten eine (Erfolgs-)Geschichte, die einzigartig in der deutschen Kulturlandschaft ist. Aufgeschrieben haben es der Journalist Christof Meueler und Autor Franz Dobler. Und es war natürlich kein gewöhnliches Buchprojekt. Wie sollte man all die Geschichten halbwegs übersichtlich zusammentragen, wo anfangen, wo aufhören?

Wir saßen zig Mal im lauschigen Innenhof des Verlagshauses in der Kistlerstraße im Münchener Arbeiterviertel Obergiesing und diskutierten vor und zurück. Interviews mit den Künstlern, mit den Zeitzeugen, mit Achim und Eva, mit den Angestellten. Wenn man Achim ein Stichwort gab, sprudelten die Geschichten nur so aus ihm heraus. Er war nicht zu stoppen. Schwärmte von seinen Künstlern, redete sich in Rage. Wir mussten ihn immer wieder bremsen, gleichzeitig waren die Geschichten so spannend, so unglaublich.

Hier war ein Mann im fortgeschrittenen Alter, der immer noch eine bewundernswerte Energie besaß, der für das (Lebens-)Werk, das er mit unzähligen Publikationen und Tonträgern geschaffen hat, brannte.

Er konnte ganz leise und zart reden, er konnte laut werden, er war keiner, dem man doof kommen konnte. Er war ein aufrechter Kämpfer für die freiheitlichen Ideale, die ihm wichtig waren. Auf der letzten Buchmesse nahm er die rechte Stimmungsmache an einem Stand in der Messehalle nicht achselzuckend hin, sondern unterbrach einen nationalistischen Vortrag mit einer lautstarken Zwischenbemerkung, woraufhin er von einem Beisteher zusammengeschlagen wurde.

Der Zwischenfall ging durch die Medien. Achim gab mit dicker Lippe Interviews. Er ließ sich den Mund nicht verbieten. Und er fand deutliche Worte. So wie sich das auch gehört. Dafür habe ich ihn geliebt. Ein Mann der Tat. Einer, der das tat, was er für richtig hielt. Ohne Kompromisse. So sieht auch das Trikont-Programm aus. Achim und Eva haben immer das gemacht, was sie wichtig und relevant fanden, was ihnen gefiel. Erst danach machten sie sich Gedanken, wie sie  das auch verkaufen und vermarkten konnten. Heutzutage schauen Labelmanager zumeist erst auf Youtube-Clickraten und die Anzahl der Facebook- und Twitter-Follower, bevor sie einen Künstler „signen“. Nicht so Trikont. Hier geht es um echte Freundschaften, Haltung und Originalität. Ob Karl-Valentin-Boxsets, Hans-Söllner-Protestalben, die Che-Guevara-Tagebücher, die Arbeiterklassen-Lieder und so so vieles mehr.

Ohne Trikont wäre die deutsche und auch internationale Kulturszene um so vieles ärmer. Sie machten das, was andere sich nicht trauten. Und das ist immer noch so. Im April erscheint das Album meines Freundes Philip Bradatsch bei Trikont, ein begnadeter Folk-, Blues- und Americana-Musiker, den fast alle Labels übersehen oder abgelehnt haben, weil er eben nicht Deutsch singt, wie es gerade angesagt ist. Trikont hat die neuen Aufnahmen gehört, war begeistert und hat Nägel mit Köpfen gemacht. Dafür liebe ich sie.

Und ich hoffe sehr, dass Eva die Kraft und die Mittel hat, mit ihrem Team das große Werk fortzusetzen. Denn Trikont muss weiter leben. Ein Leben ohne Trikont ist nicht vorstellbar.

Als wir an dem Buch arbeiteten, fand ich heraus, dass Achim ein großer Fan des amerikanischen Krimiautors James Lee Burke ist, den er geradezu verehrte. Da wir James Lee Burke auch bei Heyne Hardcore verlegen und zu dessen 80. Geburtstag einige wenige James-Lee-Burke-T-Shirts gedruckt hatten, brachte ich Achim ein T-Shirt mit. Er zog es sofort über und grinste zufrieden. Spätestens hier war das Eis zwischen uns gebrochen. Achim und Jim (so heißt James für Freunde) hätten sich hervorragend verstanden. Als ich Achim erzählte, dass Jim auch Gitarre spielt, meinte er sofort: „Das bring ich raus.“ Daraus wird jetzt vermutlich nichts mehr werden. Aber ich werde Jim von Achim erzählen.

Achim, ich werde dich sehr vermissen, du bist mir ein großes Vorbild. Eva, ich wünsche dir und der Familie ganz viel Kraft.