Serie: Die Verkehrsordnung - und was sie für die Branche regelt (2)

Mit Geduld und Übung zum Handelsbrauch

12. Januar 2017
von Börsenblatt
Werfen Sie doch mal wieder einen Blick in die Verkehrsordnung. Denn dort sind die wichtigsten Handelsbräuche der Branche zusammengefasst. Aber was macht einen Handelsbrauch überhaupt aus? Das beleuchtet Christina Schorling, Juristin in der Rechtsabteilung des Börsenvereins, im zweiten Teil der kleinen boersenblatt.net-Serie.

Ein Handelsbrauch benötigt Zeit

Die Verkehrs­ordnung (zur aktuellen Version geht es hier) formuliert Bedingungen für den Geschäftsverkehr zwischen Verlagen, Sortimentsbuchhandel (einschließlich ­Reise- und Versandbuchhandel) und Zwischenbuchhandel. Sie enthält unter anderem Begriffsbestimmungen, Normierungen zu Bezugsbedingungen, Bestellungen und Remissionen, Vorschriften zur Versendung sowie Sonderregelungen für Zeitschriften.

Da in einzelnen Bestimmungen der Verkehrsordnung Handelsbräuche (gemäß Paragraf 346 Handelsgesetzbuch) festgehalten werden, gilt sie grundsätzlich nicht nur für die Mitglieder des Börsenvereins, sondern für die gesamte Buchbranche.

Handelsbräuche sind nach der Definition des Bundes­gerichtshofs (BGH NJW 94, 659) verpflichtende Regeln, die auf einer gleichmäßigen, einheitlichen und freiwilligen Übung der beteiligten Kreise für vergleichbare Geschäftsvorfälle über einen angemessenen Zeitraum hinweg beruhen und denen eine einheitliche Auffassung der Beteiligten zugrunde liegt.

Zur Herausbildung eines Handelsbrauchs bedarf es eines gewissen Zeitraums, der Zustimmung der Beteiligten und der tatsächlichen Übung. Handelsbräuche sind keine zwingend gültigen Rechtsnormen und auch kein Gewohnheitsrecht. Sie sind aber dennoch in der kaufmännischen Praxis zu beachten und in Streitfällen von den Gerichten zu berücksichtigen. So wurde es zum Beispiel vom Oberlandesgericht Freiburg für die Sendung unter Vorbehalt (Paragraf 12, Absatz 1, Satz 1 der Verkehrsordnung) ausdrücklich entschieden (OLG Freiburg, NJW 1952, 1416).

Besondere Regelungen

In der Verkehrsordnung sind zum Beispiel folgende Punkte geregelt:

  • Die im Verzeichnis lieferbarer Bücher (VLB) veröffentlichten Ladenpreise gelten als gebundene Buchpreise im Sinne der Buchpreisbindung (Paragraf 3, Absatz 3),
  • die Remission bei Aufhebung oder Herabsetzung der gebundenen Ladenpreise für alle innerhalb der letzten zwölf Monate bezogenen und noch vorrätigen Bücher (Paragraf 3, Absatz 7),
  • der Eigentumsvorbehalt des Verlags an gelieferten Werken bis zur vollständigen Bezahlung (Paragraf 3, Absatz 12),
  • die Vorgehensweise, wenn eine Bestellung nicht in ­angemessener Frist ausgeführt werden kann (Paragraf 5, Absatz 2),
  • die Lieferung mit Remissionsrecht (Paragraf 6),
  • die Prüfpflicht des Abnehmers bei Sendung von Seltenheiten des Antiquariatsbuchhandels etc. (Paragraf 11, Absatz 3),
  • die oben erwähnten Sendungen unter Vorbehalt (­Paragraf 12),
  • die Versendung auf dem nach Wissen des Verlags ­günstigsten Wege (Paragraf 15, Absatz 1),
  • die grundsätzliche Berechnung der reinen Versandkosten ohne Verpackungskosten (Paragraf 15, Absatz 1).

Hier geht's zum ersten Teil der Serie, der einen Blick in die Geschichte der Verkehrsordnung wirft.

Am Montag lesen Sie den dritten Teil auf boersenblatt.net, dann zur Frage:
Verkehrsordnung oder Allgemeine Geschäftsbedingungen - was gilt?

Die drei Artikel von Christina Schorling basieren auf einem älteren Beitrag von Christian Russ, Preisbindungstreuhänder der Verlage.