Verleihung des Deutschen Hörbuchpreises 2017

Köln feiert die großen Stimmen für große Literatur

8. März 2017
von Max Florian Kühlem
Ein Abend, der große Literatur mit großen Stimmen paarte, ein Abend der guten Begegnungen, ein Abend der eigentlich unmöglichen Projekte, die doch möglich wurden – all das war die Verleihung des 15. Deutschen Hörbuchpreises in Köln.

Die Gala, die auch die Eröffnung des gigantischen Literaturfests Lit.Cologne darstellte, wurde zum dritten Mal von Götz Alsmann moderiert. Er ging vor allem mit einem Anspruch in den Abend: "Wir wollen eigentlich nur, dass es besser wird als die Verleihung der Goldenen Kamera." Ein falscher Ryan Gosling wurde im WDR-Sendesaal unweit des Kölner Doms jedenfalls nicht gesichtet – und auch sonst kein Fake-Star.

Dafür gab es wie immer eine große Bühne für große Stimmen. Die stärkste brachte gleich zu Anfang Ulrich Noethen mit, der als Bester Interpret für das Hörbuch zu Friedrich Anis Rachemord-Geschichte "Nackter Mann, der brennt" (Hörbuch Hamburg) ausgezeichnet wurde. In einem kurzen Auszug ließ der Schauspieler aufscheinen, wie nah er dem Zuhörer die Psychologie eines Menschen bringt, den Verletzungen und Gewalt, die ihm angetan wurden, zum kaltblütigen Killer gemacht haben. Noethen schmeckt wie ein Gourmet den treffenden sprachlichen Bildern des Textes nach, erzählt von der "eingeübten Lächerlichkeit" seines Protagonisten und der "Aura von Altersarmut" seines Gegenübers. Nach wenigen Minuten hat man Lust auf beides: Buch und Hörbuch, das das eindrucksvolle Literatur-Erlebnis auch nachträglich zum Fest machen kann.

Eine nicht weniger beeindruckende sprachliche Performance legte Bibiana Beglau hin, die als Beste Interpretin für Thea Dorns Wissenschafts-Roman "Die Unglückseligen" (Der Hörverlag) ausgezeichnet wurde. "Sie liest den Text nicht, sie spricht ihn", befand Götz Alsmann – und bescherte dem Abend seine erste Begegnung, bei der die Funken sprühten: Autorin Thea Dorn überbrachte ihrer Interpretin den Preis nämlich höchst selbst und fiel bei der Vergabe vor ihr auf die Knie. Beglau kniete in der Folge auch selbst und beide Damen erstarrten kurz schmunzelnd in gegenseitiger Bewunderung. "Thea kam in die ‚Faust‘-Vorstellung am Redidenztheater in München", erinnerte sich Beglau,"ich habe den Teufel gespielt". "Der beste Mephisto seit Gustaf Gründgens", befand Thea Dorn – und die Wahl für ihr Hörbuchprojekt war getroffen.

Für die zweite außergewöhnliche Begegnung sorgte Götz Alsmann selbst als er Christine Westermann auf die Bühne bat. "Die Göttin der Morgenröte, Star des Literarischen Quartetts, eine Frau, die ich einmal sehr geliebt habe", kündigte er die Journalistin an, mit der er 20 Jahre lang die Sendung "Zimmer frei" moderiert hatte. Sie erklärte in ihrer Rolle als Jurymitglied den Hörbuchpreis in der Kategorie Beste Unterhaltung für Joachim Meyerhoffs live eingesprochenes Werk "Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke" (Random House Audio). Alsmanns vorsichtig kritische Nachfrage, ob Meyerhoff sich damit nicht von der Literatur in Richtung Kabarett bewege, wollte Westermann nicht verstehen und blieb beim Lob seiner Stimme: "Er hat die Gabe, mit ihr Räume zu schaffen, jeder Figur eine andere Farben zu geben."

Eigentlich unmöglich zu realisierende Projekte gab es am Abend gleich zwei – und an beiden war Leonard Koppelmann als Regisseur beteiligt: Er hat nicht nur Frank Witzels Mamut-Roman mit dem Mamut-Titel "Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969" (belleville Verlag Michael Farin / BR) in ein vielstimmiges Bestes Hörspiel verwandelt, sondern auch John Dos Passos Polyphonie einer Großstadt "Manhattan Transfer" (Hörbuch Hamburg) zum Preis Hörbuch des Jahres des Senders hr2 verholfen.

Zu diesem Anlass, aber auch bei der Auszeichnung des Besten Sachhörbuchs "Geheime Sender – Der Rundfunk im Widerstand gegen Hitler" (Der Hörverlag) wurde der Sendesaal zur Bühne für bedeutende historische Aufnahmen wie Albert Einsteins Erklärung gegen den Krieg. "Die BBC erreichte mit ihren Sendungen Millionen Deutsche und bestätigte ihnen, dass der Geist des Landes von Goethe und Schiller noch existiert", sagte Autor Hans Sarkowicz. Bedeutende Stimmen der Gegenwart bescherten schließlich den perfekten Ausklang: Max Mutzke sang im Duett mit Carolin Kebekus "Ain’t No Mountain High Enough".

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