VVA-Sortimentertagung in Würzburg

Anti-Staumaßnahmen eingeleitet

16. April 2018
von Börsenblatt
Rund 50 Buchhändler kamen am Montag zur VVA-Sortimentertagung in Würzburg. Es erwartete sie ein vielseitiges Programm, darunter ein aktueller Bericht aus dem Maschinenraum der VVA, Vorträge sowie geselliges Beisammensein.

Zwei Jahre sind vergangen seit der letzten VVA-Sortimentertagung. Zwei Jahre, in denen Vieles bei dem Logistiker weiterentwickelt wurde – im Großen wie im Kleinen. Und so hatte VVA-Chef Stefan Schierke, Gastgeber im Schlosshotel Steinburg hoch über Würzburg, einiges zu berichten. Zunächst freute er sich über neue Kunden, darunter Reclam, Oetinger und Red Bull Media. Schierke zeigte auf, dass die VVA als Branchenlösung einerseits und individuelle Verlagswünsche andererseits, nicht in Widerspruch stehen müssen. So habe man beispielsweise für kleine, beschädigungsanfällige Bücher oder Hefte eine maßgeschneiderte Innenverpackung entwickelt.

Einblicke gewährte Schierke auch in neue Geschäftsfelder mit anderen Branchen. Dazu zähle ein Zentrallager für POS-Material sowie Fulfillment/Distribution an Außendienst, Handel, Gastronomie und Endkunden. Kunde sei etwa ein Kaffeekapsel-Produzent.

Durch die Club-Schließung freigewordene Flächen würden aber auch für ein zusätzliches Kleinmengenlager für Langsamdreher genutzt. Ebenso wie für ein neues Palettenlager, in dem beispielsweise die elektronischen Kinderfahrzeuge des Neukunden Rollplay ihren Platz hätten.

Als Standort für den Spielwarenbereich kristallisiere sich zunehmend Verl heraus. „Hier gibt es jetzt einen Wertkäfig“, ließ Schierke hinter die Kulissen blicken. „Darin werden unter anderem besonders wertvolle Sammel- oder Tauschkarten aufbewahrt.“ Auch das Steuerungssystem „Felix“ komme hier zum Einsatz: Ein Arm-Terminal/Handheld, mit dem die Mitarbeiter „pick by picture“ ausführen können.

Besonders hob Schierke hervor, dass die VVA derzeit „das höchste manuell bedienbare Lager Deutschlands baut“. Sieben Millionen Euro würden in das 140 Meter lange, 35 Meter breite und 19,3 Meter hohe Lager investiert. Dessen Kapazität liege bei 25.500 Paletten, die ersten Einlagerungen sollen Mitte des Jahres erfolgen. „Es werden übrigens noch Staplerfahrer gesucht“, sagte Schierke schmunzelnd. Für diesen Job brauche es Mut, Unterstützung gebe es durch eine Teilautomatisierung der Abläufe.

Nochmals eine große Summe, nämlich acht Millionen Euro, fließen laut dem VVA-Chef in den Ausbau und die Anbindung eines Hochleistungs-GTP-Systems. Dahinter verbirgt sich eine Ware-zum-Mitarbeiter-Anlage (goods to person) an zunächst vier Arbeitsstationen.

In Bezug auf die Mengen bei der VVA-Gruppe berichtete Schierke, dass das Jahr 2017 verhalten angefangen habe, es dann aber zu einer „deutlichen Mengenbelebung gekommen ist.“ In Erinnerung dürfte noch der November 2017 sein, als die VVA Ware für 120 Sattelzüge fertig hatte, diese aber nicht abgeholt worden beziehungsweise faktisch unzustellbar gewesen sei. Die Folge: Rückstaus bis in den Kommisionierbereich, Abarbeitungsrückstände etc. Die Buchhändler in Würzburg wussten auch ohne dass Schierke den Namen Amazon nannte, dass der Onlineriese an der damaligen Misere nicht unschuldig war. Um Ähnliches zu verhindern, würden Maßnahmen ergriffen, wie etwa Ablaufveränderungen auch in Sachen Belieferung. So würden bestimmte Kunden nicht mehr beliefert, bevor sie die Ware abgeholt hätten. Zudem solle es Möglichkeiten zur externen Zwischenpufferung geben.

Ein Thema, das die Buchhändler besonders hellhörig machte, war die Wannenlieferung. Schierke eröffnete ihnen: „Ab 1. Mai bietet die VVA allen booxpress-Kunden auf Wunsch die Libri-Wanne gratis an.“ Mit Umbreit und KNV würde er derzeit Gespräche führen, um eine vergleichbare Kooperation zu erreichen.

Der Amtsschimmel wieherte ebenfalls bei der Tagung: Die Datenschutz-Grundverordnung beschäftige natürlich auch die VVA. Schierke versicherte: „Die VVA wird ihre Pflichten als Auftragsverarbeiter erfüllen. Dies entbindet unsere Verlage jedoch nicht, ihre Obliegenheiten als Verantwortliche im Sinne des Gesetzes umzusetzen. Ihr Ansprechpartner in Datenschutzfragen ist grundsätzlich der Verlag“, sagte er in Richtung der Buchhändler.

Die drei Referenten, die die VVA nach Würzburg eingeladen hatten, sorgten für weitere Denkanstöße: Autor Matthias Nöllke nahm sich des Themas Kooperationen an – und zeigte auf, wie sie funktionieren können und was sie zerstört. Klar wurde jedenfalls, dass wir Menschen lieber erst einmal zusammenarbeiten. „Der kooperative Modus ist die Grundhaltung des Menschen. Und Kooperation produziert Glückshormone.“

Doris Giesemann, ehemalige Verkaufsleiterin von Dorling Kindersley, blickte nach Jahrzehnten in der Branche nun von außen auf den Buchhandel und richtete im Rahmen ihres Vortrags mehrere Appelle an die Sortimenter. „Stacheln Sie die Neugier Ihrer Kunden an, besinnen Sie sich auf alte buchhändlerische Tugenden und arbeiten Sie den Reiz der Bücher heraus“.

Roman Heimbold, Geschäftsführer der Plattform Atalanda, erläuterte den ropo-Effekt: research online, purchase offline – die Kunden sollen im Netz recherchieren und stationär einkaufen. Dazu bietet sein Unternehmen diverse Dienstleistungen an, so etwa die Online City, in der die Handelsangebote von Städten im Netz gebündelt werden.

Das Abendprogramm, wie könnte es anders sein in einer großen Weinanbauregion, widmete sich ganz dem edlen Tropfen – erst bei einer Weinbergführung, dann beim Abendessen in geselliger Runde.