Wie Sortimenter die richtigen Auszubildenden finden

Feuer und Flamme

31. Juli 2018
von Sabine Schmidt
Buchhändler betreiben nach wie vor einigen Aufwand, um die "richtigen" Auszubildenden zu finden. Was sie dafür tun, dass deren Freude am Beruf von Dauer ist: Beispiele von Nord bis Süd.

Buchhaltung lässt sich lernen, die Liebe zum Buch und zum Lesen nicht. Für viele Sortimenter bleibt es deshalb bei der Auswahl ihrer Auszubildenden eine Kardinalsfrage, wie sich Bewerber präsentieren, ob und was sie lesen, welche Themen sie besonders interessieren. Heike Heymann-Rienau zum Beispiel, Geschäftsführerin des Regio­nalfilialisten Heymann (14 Buchhandlungen in Hamburg und Umgebung), erwartet von jedem, der bei dem Unternehmen anheuern möchte, eine Lektüreliste als Teil der Unterlagen. "Dabei geht es nicht in erster Linie um die Auswahl der Titel – sondern vielmehr darum, dass die Freude am Lesen zu spüren ist."

Heymann hat eine hohe Übernahmequote, und die Chefin legt großen Wert darauf, dass das so bleibt. Die Lektüreliste ist eines der Kriterien, um die richtigen Auszubildenden zu finden.

Eine Rolle spiele zudem, dass Bewerber bereits Praktika absolviert und gejobbt, also schon erste Berufserfahrungen gesammelt haben, möglichst in einem (Buch-)Handelsumfeld. Wenn das nicht so ist, sonst aber vieles stimmt, vereinbart Heymann-Rienau ein Praktikum für zwei Wochen. "So können beide Seiten sicher sein, dass der Bewerber auch wirklich Freude daran hat, auf Menschen zuzugehen und Bücher zu verkaufen."

60 Bewerbungen sind bei Heymann im Laufe des vergangenen Jahres eingegangen. Drei junge Leute wurden für das neue Ausbildungsjahr ausgewählt. Möglichweise kommt eine vierte Interessentin dazu, die gerade in einem Praktikum erste Buchhandelserfahrungen sammelt.

Spätestens im zweiten Jahr können die Auszubildenden dann Verantwortung übernehmen, werden dabei von der Filialleiterin oder vom Filialleiter unterstützt. "Jeder bekommt eine eigene kleine Warengruppe zur Disposition, weil man am besten durch Erfahrungen lernt", erklärt Heymann-Rienau. "Die Verkaufszahlen der 'eigenen' Warengruppe werden regelmäßig besprochen und die Auszubildenden bekommen Hinweise, welche Titel, Autoren, Verlage sie im Blick haben und wann sie Bücher bestellen sollten."

Einmal im Monat findet bei Heymann ein Treffen aller Auszubildenden statt, bei dem sie in der Gruppe über das sprechen können, was ihnen auf dem Herzen liegt. Ein eigenes Projekt haben sie sich dabei auch ausgedacht, die "Büchercouch": Sie laden andere junge Leute in eine der Filialen ein und stellen ihre Lieblingsbücher vor. Dabei sollen die Auszubildenden alles allein machen, von den Plakatentwürfen bis zur Moderation.

Die Berufsschule ist natürlich wichtig, befindet sich aber nicht mehr in Hamburg. Vor einigen Jahren gab es Beschwerden, als mehrere Handelsbranchen in den Klassen gemischt wurden. Seit 2014 schickt Heymann die Auszubildenden deshalb zum mediacampus frankfurt.

Heymann kann ein urbanes Umfeld bieten, Sortimente wie die Bunte Stube in Ahrenshoop können das nicht. Der kleine Ostseeort in Mecklenburg-Vorpommern mit seinen nicht einmal 700 Einwohnern ziehe zwar Touristen an, sei für junge Leute aber eher unattraktiv, berichtet Inhaber Max Wegscheider. "Es gibt keine tollen WGs und keine Partys – die nächste Stadt ist ­Rostock und gut 40 Kilometer entfernt"; ein Highlight für seine Auszubildenden sei deshalb auch immer der Blockunterricht in der Berufsschule in Leipzig.

Dennoch: Die Bunte Stube mit einer Verkaufsfläche von jeweils rund 100 Quadratmetern für Kunsthandwerk und für Bücher sieht sich als Traditionsgeschäft und hat einen guten Ruf, der sogar weit über die Region hinausreicht. Für das neue Ausbildungsjahr sind für den Sortimentszweig in seinem Unternehmen zehn Bewerbungen aus ganz Deutschland eingegangen. "Es waren sehr gute dabei, und es war nicht leicht, mich zu entscheiden", so Wegscheider – ging es doch darum, jemanden zu finden, der sich an seine Zusage hält und die Ausbildung dann auch zu Ende führt. Ausgewählt hat er eine Schulabgängerin, die Verwandte in der Gegend und eine Vorstellung davon hat, was auf sie in Ahrenshoop zukommt. Und noch etwas war Wegscheider wichtig, etwas, das auch für ihn nicht mehr selbstverständlich ist: Die neue Auszubildende liest gern und interessiert sich für Bücher.

Weil er zuletzt die Erfahrung gemacht hat, dass junge Mitarbeiter wenig Eigeninitiative zeigten, geht er jetzt anders an die Zusammenarbeit mit ihnen heran: "Ich habe mir vorgenommen, mit der Auszubildenden Check- und Lernlisten zu erstellen, die sie dann mit Hilfe abarbeiten kann" – er ist zuversichtlich, dass sich die Lehre im neuen Jahr wieder mehr im Gespräch entwickeln wird.

Etwas andere Akzente als der klassische Buchhandel mit allgemeinem Sortiment setzt Lehmanns Media (21 Buchhandlungen): "Wir suchen Auszubildende, die auch Handel mit Fachinformationen und medizinischen Geräten treiben wollen", sagt Verkaufsleiterin Sabine Schönfelder. 16 junge Leute sind derzeit beim Fach­informationsdienstleister in Ausbildung. 13 von ihnen wollen Buchhändler werden, zwei werden zu Einzelhandelskaufleuten und einer zum Kaufmann für Bürokommunikation ausgebildet. "Die Richtigen zu finden, ist deutlich schwieriger geworden. Wir müssen zudem auch selbst, neben dem Berufsschulunterricht, dafür sorgen, dass unserem Geschäftsfeld entsprechend ausgebildet wird."

Lehmanns Media antwortet auf die Herausforderungen mit einer Ausbildungsoffensive. "Dazu gehört unter anderem, für uns als Arbeitgeber zu werben und darüber zu sprechen, was uns auszeichnet", so Schönfelder. "Wir bieten die Chance auf eine tolle Karriere, haben hohe Übernahmequoten und tun viel dafür, um noch besser zu werden."

Zum Konzept gehöre ebenso ein Ausbildungsplan, der für alle verbindlich ist. Er beinhaltet unter anderem zwei bis drei Hospitanzen in anderen Bereichen als dem, in dem die eigene Lehre hauptsächlich stattfindet. Dabei können die jungen Mitarbeiter sich aussuchen, wo sie Erfahrungen sammeln wollen, sei es im Marketing, in einer andere Filiale oder in der Logistik. Das Ziel ist klar: eine gute Ausbildung, von der beide, Mitarbeiter wie Arbeit­geber, profitieren – im besten Fall über die Lehrzeit hinaus.

Wie gelingt Ausbildung heute?

Monika Kolb, Geschäftsführerin am mediacampus frankfurt und Bildungs­direktorin des Börsenvereins, fragt Auszubildende regelmäßig danach, was sie motiviert. Das sind ihre Tipps: 

  1. Wertschätzung. Das ist den jungen Mitarbeitern besonders wichtig. Am besten beginnt man da schon mit der Sprache: Sie sind Auszubildende, nicht Azubis, Lehrlinge oder Stifte.
  2. Mentorenprogramm. Ein Mentor kann eine große Rolle für einen Auszubildenden spielen.
  3. Gespräche. Optimal wäre, wenn der Mentor durch einen Coach auf diese Aufgabe vorbereitet wird, aber es geht auch anders: Entscheidend sind regelmäßige Gespräche darüber, wie es dem jungen Mitarbeiter geht, was ihm schwerfällt, welche Unterstützung er sich wünscht.
  4. Ziele. Für Transparenz sorgt ein Ausbildungsplan, der aufschlüsselt, wie die Ziele erreicht werden sollen.
  5. Verantwortung. Bei eigenen Projekten können Auszubildende nach einer Eingewöhnungszeit von drei bis sechs Monaten praktische Erfahrungen sammeln. Zum Beispiel, indem sie eine kleine Warengruppe betreuen oder einen Thementisch gestalten, jeweils begleitet von einem Kollegen, der Feedback gibt und hilft.

Weiterlesen: 
Antje Iser, Monika Kolb, Nadine Schönwolf, Anna-Lena Wingerter, Franziska Wüst: "Besser(e) Buchhändler und Medienkaufleute ausbilden für Dummies", Wiley-VCH, 2016 

Die Broschüre kann kos­tenlos bestellt werden bei: berufsbildung@boev.de.