Im Gespräch mit Ralf Tornow

Digitale Strategien bei Klett-Cotta

11. September 2016
von Börsenblatt
Bereits im März 2007 setzte Klett-Cotta als einer der ersten Verlage in Deutschland einen Blog auf. Und mit dem Joint Ventrure psychologiebuch.de hat Klett-Cotta in diesem Jahr eine verlagsübergreifende Netzplattform gelauncht. Der Verlag, dessen Wurzeln bis ins Jahr 1659 reichen, spielt bei der Digitalisierung in der Ersten Liga.

So war Ralf Tornow, Geschäftsleiter Vertrieb und Marketing, von Beginn an bei VlB-TIX dabei und ist nach wie vor guter Dinge, da sich die Teilnehmerzahlen kontinuierlich entwickeln und die Wünsche der teilnehmenden Unternehmen nach weiteren Features zügig umgesetzt werden. Da sich der Verlag die parallele Produktion von Print- und Digitalvorschau personell jedoch nicht leisten kann, wurde bei der VlB-TIX-Gestaltung die Berliner Agentur Literaturtest eingeschaltet, die auch den Fachkongress future!publish veranstaltet und mit deren Arbeit Tornow sehr zufrieden ist. Mittelfristig sollen die meisten dieser Arbeiten jedoch intern erbracht werden. Durch verschiedene Change-Maßnahmen wird derzeit versucht, die entsprechenden Freiräume dafür zu schaffen.

Die Hauptzielgruppe ist und bleibt der Buchhandel, perspektivisch kann sich Ralf Tornow aber auch die Presse und das allgemeine Publikum als Nutzer von VlB-TIX vorstellen. Seiner Meinung nach wird die Plattform sukzessive die gedruckten Vorschauen ablösen. Ob dies vollständig geschieht oder gedruckte Vorschauen für spezielle Zielgruppen weiter existieren werden ist für ihn eine offene Frage, die erst in ein paar Jahren beantwortet werden kann.

Das Thema digitale Leseexemplare steht bei Ralf Tornow ganz oben auf der Agenda. Für die verschiedenen Segmente des Verlages wie Belletristik, Geschichte, Psychologie, Gesellschaft sowie Fantasy existieren umfangreiche Adressverteiler. Die Ansprechpartner können ausgewählte Neuerscheinungen über einen Link kostenlos downloaden. Die Erfahrungen mit dem Buchhandel seien durchweg positiv. Noch größer ist der Zuspruch in der Blogosphäre. Dagegen sind die Medienvertreter noch sehr printlastig. Man ist bei Klett-Cotta aber auch für andere Modelle offen, beispielsweise die Thaliathek, einer Informations-Seite für MitarbeiterInnen der Buchhandelskette.

YouTube als Inszenierungs-Plattform für AutorInnen und Themen

YouTube kann, so Tornow, bei einem sehr heterogenen Programm für Einzeltitel nicht durchgängig als Werbekanal sinnvoll funktionieren. Vielmehr setzen die Cottas auf die Inszenierung von AutorInnen und Themen. Ein aktuelles Beispiel für die massive Nutzung filmischen Contents ist das gerade in Berlin stattfindende Symposium Ungleichheit im 21. Jahrhundert im Rahmen des Internationalen Literaturfestivals. Alle Veranstaltungen des Events werden aufgenommen, und es wird abschließend eine umfangreiche Reportage geben. Ferner werden Interviews in verschiedenen Längen zu den Titeln der AutorInnen des Verlages aufgenommen. Diese werden dann über YouTube und andere Verlags-Kanäle gestreut, aber auch dem Buchhandel für seine Online-Auftritte zur Verfügung gestellt. Bei dieser Veranstaltung hat sich der Verlag aufgrund der Prominenz der teilnehmenden AutorInnen, so tritt beispielsweise der aktuelle Wirtschaftsnobelpreisträger Sir Angus Deaton auf, und des gesellschaftlich extrem relevanten Themas für die starke Einbindung dieser Kanäle entschieden. Der häufig sehr teuren Entwicklung irgendwelcher mehr oder minder origineller Buch-Clips steht Tornow eher skeptisch gegenüber.

Social-Reading gehört zum Standard im Online-Werbemix

Vorablesen und Lovelybooks sind für Klett-Cotta die angesagten Social-Reading-Plattformen. Insgesamt sei, so Tornow, jedoch in letzter Zeit zu bemerken, dass die Effizienz der Aktionen ein wenig nachgelassen hat. Weil die Anzahl der auf diese Weise werblich unterstützten Titel zumindest gefühlt massiv gestiegen ist, sei die Anzahl der Besprechungen pro Titel leicht rückläufig. Dennoch bleibt die Partizipation am Traffic auf diesen Kanälen nach wie vor in vielen Fällen unabdingbar. Eine Platzierung auf den Social-Reading-Plattformen gehört für die meisten Publikumsverlage bei Spitzen- und Schwerpunkttiteln inzwischen zum selbstverständlichen Standard. Und der Zugang zu Lektüreeindrücken bleibt einer der wesentlichsten Faktoren im Online-Werbemix.

eBooks und Selfpublishing

Wie die meisten Publikumsverlage hat Klett-Cotta das Experimentieren mit aufwändigen Formaten eher hinter sich gelassen. Insbesondere Fantasy- und Krimireihen werden durch temporäre Pricingmaßnahmen gepusht. Vor allem im Fantasybereich gelingt dies recht häufig. Hier hat es sich bewährt, ab und zu die ersten Titel von Reihenwerken zeitlich befristet reduziert anzubieten. Dagegen bewirken derartige Aktionen beim gehobenen Sachbuch oder bei wissenschaftlichen Werken keine spürbaren Verkaufsimpulse.

Der Fantasy-Autor Christian von Aster hat bei Klett-Cotta kürzlich das eBook-only »Zombigida« veröffentlicht. Mit dem schrillen Fantasy-Zombiehorror-Abenteuer haben Autor und Verlag in der Pegida-Szene für erhebliche Unruhe gesorgt und aus dieser Ecke viele Hassmails erhalten. Das eBook-only-Format nutzt Klett-Cotta für Texte, deren Länge keine gedruckte Publikation ergeben. Aber auch für aktuelle Themen, deren Publikation sehr schnell über die Bühne gehen muss.

Der eBook-Marktanteil ist bei Klett-Cotta in der Hobbit-Presse am höchsten. Er bewegt sich bis zur 30-%-Marke vom Gesamtabsatz. Am niedrigsten ist er im Fachbuch und bei den hochpreisigen Sachbüchern.

psychologiebuch.de

In diesem Frühjahr wurde unter der Federführung von Ralf Tornow die verlagsübergreifende Plattform psychologiebuch.de gelauncht, die für ihre Zielgruppe derzeit über 30.000 Artikel anbietet. Neben Psychologiebüchern sind auch Fachzeitschriften, CDs, DVDs und Mp3-Dateien im Programm. Durch Buchempfehlungen von AutorInnen und Hinweisen zu wichtigen Tagungs- und Kongressterminen wird das Angebot von psychologiebuch.de abgerundet. Für die Plattform arbeitet Klett-Cotta derzeit mit über zwanzig Partnerverlagen zusammen, ansonsten bietet sie die thematisch passenden Bücher und Artikel aller Verlage an.

Über Blogs

Auf die beiden Blogs des Verlages angesprochen, betont Ralt Tornow, dass auf blog.klett-cotta.de von Anbeginn redaktionelle Beiträge, Fotos und Videointerviews zu den Büchern des Verlages veröffentlicht wurden. Das Konzept und die Aufmachung seien zwar mehr ganz state of the art, inhaltsstark ist der Blog aber allemal. Zum 10. Jubiläum des Blogs im nächsten Jahr, zeitgleich mit dem 40. Verlagsjubiläum von Klett-Cotta, wird er komplett überarbeitet, um einige Aspekte erweitert und visuell modernisiert.

In diesem Frühjahr hat Klett-Cotta der Hobbit-Presse einen eigenen Blog spendiert: http://www.hobbitpresse.de/. Der Wordpress-Blog auf der Höhe der Zeit bindet Autorinnen und Autoren sowie Fans der Reihe gleichermaßen ein und besticht durch eine Vielzahl von Features. Dazu mehr in diesem Video: