Kindle Paperwhite und Co.

Hörbücher auf Lesegeräten: Spielerei oder zukunftsweisend?

19. Dezember 2018
von Börsenblatt
Die neueste Generation des weltweit und wohl auch in Deutschland meistverkauften Lesegeräts, des Kindle Paperwhite, verfügt über eine Wiedergabe-Funktion für Hörbücher. Amazon befeuert die Nutzung dieser Funktion bereits mit attraktiven Bundles und Rabatten - natürlich alles andere als uneigennützig. Aber wird die Hörbuch-Wiedergabe über Kindle und Co. tatsächlich salonfähig?

Gegenüber dem 2015 erschienenen Vormodell ist der neue Kindle Paperwhite wasserdicht, er hat eine plane Gehäuseoberfläche - und er spielt Hörbücher ab. Auch darum hat Amazon schon beim Basismodell den Speicherplatz von 4 Gbyte auf 8 Gbyte verdoppelt, gegen einen Aufpreis von 30 Euro gibt es sogar 32 Gbyte Speicherplatz. Das ist dann mehr als ausreichend Platz auch für die beliebten ungekürzten Lesungen der Amazon-Tochter Audible.


Amazon verdient nur mit den Inhalten Geld

Schon unmittelbar nach dem Verkaufsstart im Oktober reduzierte Amazon den Verkaufspreis des neuen Modells. Von bereits günstigen 120 Euro für das Einstiegsmodell ging es zur Amazon-Rabattschlacht "Cyber Monday Woche" im November herunter auf 77 Euro. Das ist ein Verkaufspreis, bei dem Amazon mit großer Wahrscheinlichkeit bei jedem verschickten Gerät Geld verloren hat - mit der begründeten Hoffnung, es sich im Laufe der Zeit durch verkaufte eBooks innerhalb des geschlossenen Ökosystems zurückzuholen. Und durch verkaufte Hörbücher.

In den USA bietet Amazon den Kindle Paperwhite bereits in einem "Audible Bundle" an, bestehend aus eBook Reader, Bluetooth-Kopfhörern und einer dreimonatigen Audible-Mitgliedschaft. Bei uns gibt es ein solches Bundle noch nicht, wohl aber stark subventionierte Amazon-Schnuppermitgliedschaften. So erhalten Amazon-Prime-Mitglieder im Rahmen eines immer wieder erneuerten Aktionsangebots seit geraumer Zeit die ersten drei Monate Audible geschenkt. In diesem Zeitraum geladene Hörbücher hat die Amazon-Tochter natürlich ganz normal den Verlagen zu vergüten.


Die Wiederentdeckung der Audio-Funktion

Der Kindle Paperwhite 4 ist beileibe nicht der erste eBook Reader mit Audio-Unterstützung. Schon der 2007 erschienene Ur-Kindle unterstützte MP3-Dateien, die Wiedergabe erfolgte ganz konventionell über einen Kopfhörerabschluss. Auch Geräte anderer Hersteller spielten MP3s ab, genannt sei etwa der Sony Reader PRS-T1. Im Laufe der Jahre verschwand die Audio-Unterstützung aber sukzessive von den Datenblättern der Hersteller, die sich zunehmend auf die Kernfunktion der Geräte konzentrierten: Die optimale Zugänglichkeit und Darstellung von eBooks.

Warum nun also die Kehrtwende (die Amazon schon 2017 mit dem ebenfalls Hörbücher unterstützenden Einstiegs-Kindle einleitete)? Natürlich hegt Amazon die Hoffnung, über die Funktion zusätzliche Audible-Abonnenten gewinnen respektive Bestandskunden bei der Stange halten zu können. Dazu passt, dass es weder eine Text-to-Speech-Funktion noch eine Unterstützung für MP3-Dateien gibt. Noch mehr als bei eBooks sind Kindle-Käufer bei Audiobooks also an das geschlossene Amazon-Ökosystem gebunden.


Realer Nutzwert überschaubar

Der reale Nutzwert der Audio-Funktion ist gleichwohl arg begrenzt, hat doch heute praktisch jeder Hörbuch-Fan in Form seines Smartphones ein deutlich intuitiver nutzbares Abspielgerät bereits in der Tasche. Eigentlich gibt es nur zwei Szenerien für eine sinnvolle Hörbuch-Wiedergabe über den eBook Reader. Szenario Nummer 1: Der Strand. Das 100-Euro-Lesegerät hat man zwecks Entspannung ohnehin dabei und kann es mitsamt günstigen Kopfhörern relativ bedenkenlos auf dem Handtuchzurücklassen, während das inzwischen gerne mal über 1.000 Euro kostende Premium-Smartphone zuhause bleiben kann. Szenario Nummer 2: Mischnutzung, etwa bei Pendlern. In der Bahn wird gelesen, beim Verlassen dann mit einem Tab aufs Hörbuch gewechselt. Amazon befeuert eine solche Mischnutzung bereits seit geraumer Zeit mit vergünstigten Bundles von Digital- und Hörbuch.

Keine zentrale Funktion, aber für Amazon sinnig

Trotzdem werden Hörbücher mit Sicherheit keine zentrale Funktion bei Lesegeräten werden, dazu ist ihr Mehrwert einfach zu gering. Für Amazon braucht sie das auch gar nicht, der technische Aufwand und die zusätzlichen Hardware-Kosten für das verbaute Bluetooth-Modul dürften überschaubar sein. Die Audio-Unterstützung der hauseigenen Lesegeräte ist vielmehr eine weitere Untermauerung der Ambition, das Ökosystem und die Stellung von Audible im boomenden Hörbuchmarkt zu erweitern. In diesem Bereich nimmt Amazon viel Geld für Kundengewinnung und eigene Content-Produktionen - neben ungekürzten Lesungen zunehmend auch exklusive Podcasts, darunter nutzwertige Ratgeber von Intervallfasten bis Trennungsschmerz ebenso wie konventionelle Unterhaltung - in die Hand.