Ein <3 für Standards

16. Oktober 2016
von Börsenblatt
Mit der fortschreitenden Digitalisierung und Zweitverwertung von Inhalten wird deren medienneutrale Produktion immer wichtiger. Der Einsatz von Standards in der Herstellung ist entscheidend, um diesen Prozess wirtschaftlich und effizient zu gestalten. Doch es lohnt sich nicht nur aus reinen Kostengründen mehr Standardisierung zu wagen.

Im Austausch mit anderen Diensten oder Dienstleistern wird im Verlag längst regelmäßig mit Standards gearbeitet. So wird ONIX verwendet um bibliographische Informationen an Barsortimente und Bibliotheken weiterzugeben. PDF/X dient als Datenformat zur Übermittlung von Druckdaten an Druckereien. In unterschiedlichen Prozessen garantieren verbreitete und offen zugängliche Standards den reibungslosen Austausch und die zuverlässige Weiterverarbeitung der Informationen. Sei es die korrekte Darstellung in Online-Katalogen oder die vereinbarte Qualität des gedruckten Buches.

Bei der eigenen Produktion jedoch lassen sich Verlage nur sehr zögerlich auf das Thema Standardisierung ein. Dabei können einheitliche Regeln in den Produktionsprozessen zu besseren Ergebnissen und geringeren Aufwänden führen. So erleichtern Namenskonventionen für Bild- und Satzdateien deren Auffindbarkeit. Zusätzlich lassen sich darüber Informationen zum Inhalt der Datei mitgeben ohne diese vorher öffnen zu müssen. Entsprechende Festlegungen können auch für andere Produktionsbereiche wie Layouts oder Papierformate getroffen werden. Denn erst mit der Definition von Richtlinien können Daten und Prozesse hinsichtlich der Einhaltung von Qualitätskriterien bewertet werden. Dabei ist es wichtig, diese Anforderungen zu dokumentieren, also in Form von Spezifikationen festzuhalten.

Anforderungen neu zu entwickeln und zu dokumentieren ist ein aufwändiger und langwieriger Prozess, der Erfahrung und Expertise erfordert. In vielen Fällen lohnt es sich daher, auf sogenannte offene Standards zurückgreifen. Diese werden von Konsortien verfasst, kontinuierlich weiterentwickelt und öffentlich publiziert. Dabei profitiert man von anderen Nutzern des Standards, welche Vorschläge zur Erweiterung oder Verbesserung einreichen oder für bestimmte Fragestellungen »Best Practices« entwickeln.

Die Vorteile eines offenen Standards lassen sich am Beispiel EPUB illustrieren. Der Standard hat sich als Datenformat für elektronische Bücher durchgesetzt und ist weit verbreitet. Viele Lesegeräte unterstützen das Format und selbst um Amazons proprietäres Konkurrenzformat KF8 zu erzeugen, wird EPUB benötigt. Die Spezifikation des Standards und Best Practices, z.B. für eine bessere Barrierefreiheit, sind für alle offen zugänglich.

Wie bei anderen Standards auch, wird EPUB nicht von allen Lesegeräten vollständig unterstützt (was auch ein Indiz für deren Qualität ist). Um sicherzugehen, dass die Verlagsinhalte auf möglichst vielen Readern richtig dargestellt werden, müssen weitere verlagsspezifische Qualitätskriterien definiert werden. So kann man festlegen, dass für mathematische Formeln Grafiken als Fallback hinterlegt sein müssen und bei Multimedia Alternativtexte bereitgestellt werden, sollte der Reader die Funktionalität nicht bieten.

Die Nutzung eines offenen Standards ist besonders bei medienneutralen Daten sinnvoll. Inhalte ausgabeneutral vorzuhalten ist bei vielen Verlagen inzwischen wichtiger Bestandteil der Prozesskette und Teil der strategischen Ausrichtung. Einerseits werden Inhalte für mögliche Zweit- oder Drittverwertungen verfügbar gemacht. Andererseits spielt es eine wesentliche Rolle bei der Automatisierung von Prozessen. Damit dies möglichst gezielt und fehlerfrei bewerkstelligt werden kann, sind Standards unverzichtbar.

Um Inhalte mit ihrer Struktur und Semantik unabhängig ihrer späteren Ausgabe zu speichern, verwendet man die Auszeichnungssprache XML. Dafür stehen viele Schemas zur Verfügung, also definierte Vokabulare und Grammatiken zur Auszeichnung kritischer Editionen, technischer Dokumentationen oder wissenschaftlicher Artikel.

Bei der Auswahl eines XML-Schemas auf offene Standards zu setzen macht aus verschiedenen Gründen Sinn: Denn ein eigenes Schema zu entwickeln erfordert Know-How und bindet Personal- und Zeitressourcen, nicht nur für die initiale Definition, sondern auch für die Dokumentation und Weiterentwicklung. Zudem entstehen zusätzliche Kosten, wenn diese Daten weiterverwendet werden sollen. So muss das Verlags-Schema bei der Verwendung in Branchensoftware (Editoren, CMS, Prüftools) erst implementiert werden. Sollen Dienstleister mit der Erstellung von XML-Daten beauftragt werden, müssen diese das Schema zunächst erlernen und es in ihren Prozessen integrieren. Diese Aufwände werden mit dem Einsatz eines offenen Standards vermieden.

Im Wissenschaftsbereich haben sich JATS und BITS (ehemals NLM) als Standards etabliert. Weltweit wird es von vielen Wissenschafts- und Universitätsverlagen verwendet. Es gibt eine frei zugängliche Dokumentation, öffentliche Mailinglisten und mit der JATS-Con jährlich eine Konferenz mit über 300 Teilnehmern, die in der Nähe von Washington D.C. stattfindet. Auch Abstracting & Indexing Services setzen auf JATS. Damit sind Dienste gemeint, welche die Inhalte wissenschaftlicher Zeitschriftenbeiträge anhand der vom Verlag zur Verfügung gestellten XML-Daten erschließen. Aufgrund des gemeinsamen Datenformats können bei der Weitergabe der Inhalte zur Indexierung größere Konvertierungsaufwände vermieden und so Kosten gespart werden.

Standards haben aufgrund ihrer angestrebten Allgemeingültigkeit häufig die Schwäche zu wenig restriktiv zu sein. Daher lohnt es sich auch bei Standard-XML-Schemas verlagseigene Anforderungen zu definieren. Es zahlt sich aus, detailliert festzulegen welche Informationen in welcher Form und in welchem Kontext vorliegen müssen. Diese zusätzlichen Anforderungen leiten sich aus dem späteren Verwendungszweck der Daten ab. Wenn man im E-Book Alternativabbildungen für Formeln braucht, müssen diese schon im XML enthalten sein.

Einer der wichtigsten Aspekte bei Standardisierung ist die Qualitätssicherung. Getreu dem Motto »Standards sind gut, Kontrolle ist besser« muss sichergestellt werden, dass alle Daten den gesetzten Qualitätskriterien genügen. In einigen Bereichen sind dabei manuelle Prüfungen nicht zu umgehen. Etwa bei der Umsetzung von Layoutanforderungen müssen die Ergebnisse individuell geprüft werden. Automatische Prüftools kommen vor allem bei der Kontrolle elektronischer Daten, wie XML und EPUB zum Einsatz.

Mit der Definition von Standards und der Überprüfung ihrer Einhaltung lässt sich nicht nur eine wirksamere Qualitätssicherung betreiben, man kann auch typische Fehler gezielt erkennen und abstellen. Zusammen mit einer statistischen Auswertung lassen sich Entwicklungen über längere Zeiträume feststellen und analysieren. Durch diesen Prozess lernt man außerdem die eigenen Inhalte besser kennen. Dazu gehört auch, dass man mitunter für bestimmte Bereiche bewusst Ausnahmen oder alternative Anforderungen definieren muss. Vor diesem Hintergrund spielen Standards und damit auch das Wissen um Qualität und Struktur der eigenen Daten eine entscheidende Rolle um Verlagsinhalte verwertbar zu machen und zukünftige Ausgabekanäle bedienen zu können.