Jahrestagung der BücherFrauen

"Auf Freiheitspotentiale setzen"

25. November 2025
Redaktion Börsenblatt

Am 15./16. November fand die Jahrestagung der BücherFrauen, die ihr 35-jähriges Jubiläum feiern konnten, im Haus Dacheröden in Erfurt statt. Das Motto lautete: "Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit". Es gehe darum, unser "historisches Glück" der Demokratie zu schützen, so Keynote-Speakerin Ines Geipel.

Die Christine-Preisträgerinnen: Übersetzerin Friederike Hofert (links) und Marianne Eppelt für den Verlag w_orten & meer. Sie stemmen gemeinsam den Pokal.

Die Christine-Preisträgerinnen: Übersetzerin Friederike Hofert (links) und Marianne Eppelt für den Verlag w_orten & meer

Unter dem Jahresthema "Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit" startete das Tagungsprogramm am Samstag mit der Keynote von Ines Geipel, Schriftstellerin, Publizistin und Professorin für Verssprache an der Berliner Hochschule für Schauspielkunst, zum Thema "Neues Land? Populismus, Trauma, Rechtsextremismus, Nostalgie", berichten die BücherFrauen.

Ines Geipel am Pult bei ihrer Keynote

Ines Geipel bei ihrer Keynote

Historisches Glück der Demokratie schützen

Die Trägerin des Bundesverdienstkreuzes drängte darauf, "unsere deutschen Ängste hinter uns zu lassen, auf Freiheitspotentiale zu setzen, auf uns selbst zu setzen" und damit engagierte Freiheit zu ermöglichen, indem wir uns "für das Unwahrscheinliche verfügbar halten". Um unser "historisches Glück" der Demokratie zu schützen, brauche es "eine Gegenerzählung. Keine, die märchenhaft auf Verkitschung, Naivität, Schwarz-Weiß, Plus-Minus, An-Aus setzt, sondern auf Goodwill, direkte Begegnung und Zugehörigkeit. Auf offene Orte, Bibliotheken, Buchhandlungen, Kneipen und Shisha-Bars", so die BücherFrauen.  

An die Keynote anschließend diskutierten Ines Geipel, die Schriftstellerin Esther Dischereit sowie Nour Al-Zoubi vom Flüchtlingsrat Thüringen e.V. über die reale Lebenswelt und welche Strategien gegen den aktuellen Rechtsruck wirken können. Britta Jürgs, Verlegerin des AvivA Verlags, moderierte die Podiumsdiskussion. Esther Dischereit, die als "eine der wichtigsten literarischen Stimmen unter den Nachkommen der Shoa-Überlebenden in Deutschland" gelte und sich selbst als "solidarische Zeugin" bezeichnete, habe betont, dass es darum gehe "sehen [zu] wollen, was ist" und dass sich aus dem Sehen eine Verantwortung ergebe. Sie habe eindringlich die Wirkmechanismen der Vertreibung beschrieben und wie es sich anfühle, wenn die Familie auf der ganzen Welt verstreut lebt. Man wisse auch häufig gar nicht, wer überhaupt überlebt habe und wo man anfangen solle zu suchen, erklärte sie. Ähnlich ergeht es der engagierten Sozialarbeiterin Nour Al-Zoubi, die im Jahr 2015 aus Syrien nach Deutschland floh und im Alltag permanent rechtfertigen müsse, warum ein Bürgerkrieg Menschen in die Flucht treibt. Alle im Podium stimmten überein, dass es wichtig sei, die Stimmen der direkt Betroffenen hörbar zu machen, mit Menschen direkt zu sprechen und durch Medien ihre Perspektive zu veröffentlichen, denn nur im Dialog entstehe Verständnis.

Am Nachmittag folgten vier Workshops, die verschiedene Aspekte des Tagungsthemas aufgriffen: Von #psychologischen Ursachen des Fremdenhasses und #Neue Narrative, welche Bücher brauchen wir heute über #das Wort ergreifen beim Poetry Slam sowie #Power mit der eigenen Stimme wurden zahlreiche Facetten des Jahresthemas beleuchtet. Mit dem Impulsworkshop zu #Körperarbeit für die Innere Mitte von Iris Seyband endete das Tagungsprogramm am Samstagnachmittag.

Verleihung des BücherFrauen-Literaturpreises "Christine"

Am Abend des Jahrestreffens wurde der Literaturpreis "Christine" zum dritten Mal verliehen. Zum ersten Mal ging dieser an eine Übersetzung. Ausgezeichnet wurde Friederike Hofert für ihre Übersetzung des Romans "Was Hortensia nicht mehr erzählen konnte" der spanischen Autorin Dulce Chacón, 2024, erschienen im Verlag w_orten & meer. Helena Cosano, Kultur- und Wirtschaftsrätin der Spanischen Botschaft in Deutschland, übermittelte der Preisträgerin ihre tiefe Anerkennung des Werkes in Form eines Grußwortes.

Die mit 10.000 Euro dotierte Auszeichnung ist mit der Statuette "Christine" verbunden, benannt nach der Schriftstellerin und Philosophin Christine de Pizan (1363–1429). Da die Autorin bereits verstorben ist, wird das Preisgeld zwischen der Übersetzerin und dem Verlag geteilt.

Der neue Vorstand (v.l.): Carola Köhler, Yvonne de Andrés und Juliane Seifert. Annett Geselle fehlt auf dem Foto 

Der neue Vorstand (v.l.): Carola Köhler, Yvonne de Andrés und Juliane Seifert. Annett Geselle fehlt auf dem Foto 

Neuer Vorstand gewählt

Der Sonntag (16. November) stand ganz im Zeichen der Vollversammlung und war von den Wahlen eines neuen Vorstands geprägt. Die Kulturmanagerin Yvonne de Andrés wurde als 1. Vorsitzende des Branchennetzwerks gewählt. Neu im Vorstand sind die Literatur- und Fachübersetzerin Juliane Seifert als zweite Vorsitzende und Annett Geselle als Schriftführerin. Carola Köhler wurde als Schatzmeisterin bestätigt. Alle Kandidatinnen wurden mit überwältigender Mehrheit und ohne Gegenstimme gewählt. Neu gewählt wurde auch Verena Schmidt, die ab sofort gemeinsam mit Turì Bankwitz Ansprechperson für die Pressearbeit des Verbandes ist.

Die BücherFrauen

Das Branchen-Netzwerk BücherFrauen e. V. wurde 1990 nach dem Vorbild der englischen "Women in Publishing" (WiP) in München gegründet. Mittlerweile bündelt der Verein nach eigenen Angaben die Interessen von gut 800 Verlagsfrauen, Buchhändlerinnen, Übersetzerinnen und Frauen aus anderen Arbeitsbereichen rund ums Buch. Zielsetzung des BücherFrauen e. V. ist es, Kontakte herzustellen, Informationen und Erfahrungen auszutauschen, Jobs und Aufträge zu vermitteln, aber auch frauenspezifische Interessen in der Buchbranche zu vertreten. Bundesweit sind die BücherFrauen in Regionalgruppen organisiert, die eigenständig thematische Schwerpunkte setzen sowie Veranstaltungen wie beispielsweise Fachvorträge, literarische Ausflüge oder Stammtische organisieren. Darüber hinaus bringen Mentoring-Projekte weibliche Nachwuchskräfte mit Führungsfrauen zusammen. Mehr Informationen zum Verein sowie den deutschlandweiten und regionalen Angeboten und Veranstaltungen unter www.buecherfrauen.de.