Nachruf auf Klaus Wagenbach

Charmant und heiter

29. Dezember 2021
von Rainer Nitsche

Am 17. Dezember ist Verleger Klaus Wagenbach gestorben, der die Buchwelt wie kein Zweiter prägte. Ein Nachruf von Transit-Verleger Rainer Nitsche, der lange Jahre auch Vorsitzender des Börsenvereins Berlin-Brandenburg war. 

Es passte alles so wunderbar zusammen. Als Klaus Wagenbach 1964 in einer großen Wohnung (Jenaer Straße 6 im Bayerischen Viertel Berlins) seinen Verlag gründete, war er kein Neuling mehr. Er hatte bei S. Fischer als Lektor für Literatur gearbeitet, war 1959 zum ersten Mal bei der Gruppe 47 dabei, auf deren Bekanntschaft und Beifall der neue Verlag bauen konnte. Hinzu kam, dass seine Frau Katia Wagenbach-Wolff dieses Wagnis energisch unterstützte.

Und kulturell bot die Stadt allerbeste Voraussetzungen. Für die damalige Literaturszene war West-Berlin, auf andere Art auch Ost-Berlin, ein Eldorado. Es gab eine "einheimische" Szene um Robert Wolfgang Schnell und Günter Bruno Fuchs (die Kreuzberg-Fraktion), eine ganze Kolonie arrivierter Zugezogener wie Enzensberger, Grass, Elisabeth Borchers, Klaus Roehler, Uwe Johnson, Ernst Schnabel, zeitweise Ingeborg Bachmann und auch Jüngere wie Klaus Völker, Hans Christoph Buch, Nicolas Born, F. C. Delius, Rolf Haufs (die Friedenauer Fraktion) – viele von ihnen waren zumindest zeitweise mit dem neuen Verlag verbandelt. Dazu die Initiativen von Walter Höllerer, von internationalen Lesereihen bis hin zum Literarischen Colloquium, und literarisch aktive Studentengruppen, die ein ideales, weil neugieriges Publikum abgaben.

Der geniale, »glatte« Start für den Verlag setzte sich aber zunächst nicht fort. Was folgte, ist oft genug beschrieben worden: die Große Koalition als Mutter der APO und einer sehr radikalen Studentenbewegung, die im Verlag intensive Resonanz fand, Prozesse, die Spaltung in Wagenbach und Rotbuch Verlag, die Orientierung auf italienische Literatur, neue, riskante Reihen, neue, erfolgreiche Gestaltung. Keine Zeit, sich zurückzulehnen, keine Chance, ein alter Hase zu werden.

Als 1989 das Ende der DDR eingeläutet wurde, war Klaus aktiv im Vorstand des Berliner Buchhändler- und Verlegerverbands, dem West-Berliner Teil des Börsenvereins. Ich weiß noch, wie er uns gratulierte: "Jetzt haben wir 17 Millionen Leser mehr!" Hatten wir dann leider nicht, dafür das Problem, wie wir Ost-Berliner oder Brandenburgische Buchhandlungen und Verlage in die für sie neue Gesellschaft, die Marktwirtschaft und auch in den Verband integrieren sollten. Wir setzten uns im Berliner Vorstand energisch dafür ein, dass es in Berlin-Brandenburg nicht zum Ausverkauf an Filialisten oder große Verlagskonzerne kommen sollte. Das wiederum bedeutete zeitraubende Verhandlungen mit der Treuhand, um unter verschiedenen Personen die Geeignetsten herauszufinden und diese dann auch praktisch zu beraten.

Er war kein dröhnender Mensch, der nach außen zelebrieren musste, wer und wie wichtig er war.

Rainer NItsche

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