Robert Habeck beim Jubiläumskongress

"Das sage ich, um Ihnen ein Stück weit den Rücken gerade zu machen“

5. Juni 2025
Sabine van Endert

Die große Bühne in der ehemaligen Eisengießerei, laut Moderatorin Shila Behjat gewissermaßen das "Lagerfeuer" des Kongresses, gehörte zum Auftakt dem Politiker und Schriftsteller Robert Habeck. Er brachte Aufmunterung mit, aber auch eine Warnung.

Robert Habeck am Rednerpult des Kongresses "Neue Kapitel"

 Robert Habeck 

Strukturförderung ist Ihr gutes Recht, doch widerstehen Sie dem Wunsch, eine staatliche Förderung für Ihre Branche zu fordern.

Robert Habeck, Grünen-Politiker und ehemaliger Vizekanzler

Es sei seine erste Rede seit dem 21. Februar, den Ende des Wahlkampfs, sagte der ehemalige Vizekanzler. Und dass er sich darüber freue, diese erste Rede vor der Buchbranche halten zu dürfen. Trotz aller Widrigkeiten in der Welt solle sie "ein Geburtstagsständchen sein, keine Problemanalyse".

Kapitalismus und wirtschaftlicher Druck

Wie geht es der Branche? Er sei überrascht gewesen, denn: "Auf den zweiten Blick gar nicht so schlecht." 200 Jahre nach der Gründung des Börsenvereins stehe die Buchbranche immer noch, "und sie steht besser da als viele vergleichbare Branchen, die von der Digitalisierung viel mehr getroffen wurden. Das sage ich, um Ihnen ein Stück weit den Rücken gerade zu machen."

Es scheine ein anhaltendes Bedürfnis nach Literatur zu geben, doch: "Auf den dritten Blick tritt das ein, was immer eintritt, wenn der Druck größer wird: der Kapitalismus wirkt." Die von Habeck beschriebenen Folgen: Konzentrationsprozesse, Insolvenzen und eine schwierige Gemengelage, unter der besonders kleinere Unternehmen leiden.

Selfie-Time mit Robert Habeck

Blick an Zuhörern vorbei auf Robert Habeck am Rednerpult des Kongresses "Neue Kapitel"

Robert Habeck

Kulturpolitik und staatliche Förderung

Auch auf die Kulturpolitik ging der ehemalige Wirtschaftsminister ein: Die Buchpreisbindung habe ihren Sinn, betonte Habeck – ebenso der KulturPass und der reduzierte Mehrwertsteuersatz für Bücher:  "Weiter runter wird der Satz wohl nicht mehr gehen, aber da müssen Sie den amtierenden Wirtschaftsminister fragen. Dafür bin ich nicht mehr zuständig".

Der Politiker warnte jedoch vor Forderungen, die die inhaltliche Unabhängigkeit der Branche gefährden könnten: "Strukturförderung ist Ihr gutes Recht, doch widerstehen Sie dem Wunsch, eine staatliche Förderung für Ihre Branche zu fordern." Womit vor allem gemeint war: eine Förderung, die mit inhaltlichem Einfluss verbunden ist. Allgemeine Unterstützung sei gut und wichtig, doch Staatsferne sollte geboten sein, meint Habeck: "Sie wissen nicht, wer diesen Staat führen wird."

Die Logik der Programme ist eine andere: Literatur und Bücher führen zu einer individuellen Erfahrung, AI führt zu einer Vereinheitlichung.

Robert Habeck

Klick-Journalismus und KI

Habeck warnte zudem davor, dass sich der Journalismus an die Talk-Shows angleiche, um möglichst viele Leser zu erreichen. Argumente würden leider nach Abrufzahlen aufbereitet, beobachtet der Politiker, der bekannt dafür ist, auch in Talkrunden komplexe Sachverhalte vermitteln zu wollen.

Die Geschichte der Literatur dagegen sei eine Fortschrittsgeschichte von Rationalität, von Selbststkritik, so Habeck in Abgrenzung zur heutigen, kurzlebigen und klickgetriebenen Medienlandschaft. "Welche Erfahrung wir durch Lektüre machen, prägt unser Leben. Wir erfahren Selbstbewusstheit durch Bücher. Die Geschichte der Aufklärung, der Demokratie, ist an Bücher gebunden." Nicht zuletzt deshalb sind Leseförderung und die Überwindung des Analphabetismus für Habeck "eine gesellschaftliche Aufgabe".

Mit Künstlicher Intelligenz, einem Kernthema des Kongresses, gebe es jetzt eine neue mediale Leitform, so Habeck weiter: "AI überprüft Plotlinien der Bücher, folgt stilistischen Vorgaben, schreibt wie Hemingway. AI ist das Lernen des Bekannten und das Ausrechnen dessen, was als nächstes kommt." Das sei nicht das, was die Branche in den vergangenen 200 Jahren ausgemacht habe. Habecks Sorge: "Die Logik der Programme ist eine andere: Literatur und Bücher führen zu einer individuellen Erfahrung, AI führt zu einer Vereinheitlichung."