Stephan Schierke über den Bürokratiewahn

"Franz Kafka hätte seine wahre Freude"

1. Oktober 2025
Redaktion Börsenblatt

Die überbordende Bürokratie und neue Gesetzesvorhaben beschäftigen den Ausschuss für den Zwischenbuchhandel. Mit welchen Ungetümen und Monstern sich das Gremium herumschlägt, machte der Vorsitzende Stephan Schierke bei der Hauptversammlung des Börsenvereins deutlich.

Stephan Schierke

Hier sein Beitrag im Wortlaut:

"EUDR, ESPR, LPR, SCDDA  – ach was waren das noch für tolle Zeiten, als uns nur die GDPR die Sorgenfalten auf die Stirn trieben

Für diejenigen, die hier nur Bahnhof verstehen oder den Song MFG von den Fantastischen Vier vor Augen haben, eine Klarstellung: Es geht um den Kampf gegen die überbordende Bürokratie – das Thema schlechthin im Zwischenbuchhandelsausschuss.

Neben Wortungetümen wie Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (englisch Supply Chain Due Diligence Act – SCDDA), die wir inzwischen einigermaßen hinter uns wissen, sind es aktuell die zum Glück um ein weiteres Jahr verschobene Anti-Entwaldungsrichtlinie (EUDR), sowie die zum Glück nicht auf Bücher fokussierte Öko-Design Richtlinie (auf Englisch: Ecodesign for Sustainable Products Regulation – ESPR) und die EU-Zahlungsverzugsverordnung (auch bekannt als Late Payment Regulation – LPR), die uns im Zwischenbuchhandel auf Trab halten. Ein direkter Bezug zur Buchbranche ist unübersehbar: Franz Kafka hätte seine wahre Freude. Die Freude im Zwischenbuchhandel ist jedoch eher verhalten.

Die Anti-Entwaldungsrichtlinie wurde um ein Jahr verschoben.

Wir setzen uns bekanntlich im Wesentlichen aus Barsortimenten, aus Verlagsauslieferungen als reine Dienstleister und aus solchen Verlagsauslieferungen zusammen, die die Bücher zwecks Bündelung und Vereinfachung zwischenzeitlich erwerben. Die Auswirkungen der diversen Regulierungen fallen je nach Konstellation höchst unterschiedlich aus und müssen genaustens analysiert werden. Hinzukommen selbstverständlich die Auswirkungen auf Verlage und Buchhändler, die von uns ebenfalls berücksichtigt werden.

Doch der deutsche Gesetzgeber hat das Problem erkannt. Um zu vereinfachen und insbesondere kleinere und mittlere Unternehmen von Bürokratie zu entlasten, wurde 2024 das Wachstumschancengesetz – WCG verabschiedet. Wie die bereits zuvor erwähnten EU-Gesetzesvorgaben hat auch das WCG leider einen Geburtsfehler. So hehr die Ziele, so dämlich die Umsetzung. Wenn ein Gesetz "Gesetz zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness" heißt und somit ganze zwölf eher lange Worte für den eigenen Namen benötigt, dann kann man leider nicht von Vereinfachungen ausgehen. Stattdessen spendiert uns das WCG durch die Hintertür die Pflicht zur E-Rechnung, die aktuell bei allen Sparten zur Erhöhung des Blutdrucks beiträgt.

Wenn ein Gesetz 'Gesetz zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness' heißt und somit ganze zwölf eher lange Worte für den eigenen Namen benötigt, dann kann man leider nicht von Vereinfachungen ausgehen.

Stephan Schierke

Der Zwischenbuchhandel wird noch in diesem Jahr in Abstimmung mit anderen Stakeholdern eine Empfehlung für einen E-Rechnung-Branchenstandard erstellen, damit nicht ein und die gleiche Rechnungsinformation auf zehn verschiedene Arten und Weisen an den Buchhandel gemeldet wird. Bleibt zu hoffen, dass diesem Standardisierungsaufruf eine schnellere Umsetzung gelingt, als dem Aufruf des Zwischenbuchhandels, vom BWA Satz auf Edifact umzustellen, was inzwischen über 30 Jahre zurück liegt, ohne dass sich viel seitdem getan hätte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen in der Buchbranche, natürlich hatten wir auch andere Themen in unserem Ausschuss, die Sie allerdings vermutlich wenig interessieren werden. Bitte nehmen Sie als Quintessenz meiner Ausführungen stattdessen nur diese eine Information mit: Überall, wo es brenzlig wird, stellt sich der Zwischenbuchhandel der Herausforderung und wird eine für die Branche tragbare Umsetzung finden. Das war im vergangenen Jahr so und das wird auch in Zukunft der Fall sein."