Neujahrsgruß der Vorsteherin

"Lassen Sie uns aus alten Konkurrenzbeziehungen Kooperationen machen"

2. Januar 2024
von Karin Schmidt-Friderichs

Die vergangenen Jahre waren nicht leicht. Für keinen. Und 2024 werden die Sorgen vermutlich nicht kleiner. Vorsteherin Karin Schmidt-Friderichs blickt trotzdem hoffnungsvoll nach vorn - "weil der Herzschlag dieser Branche Hirnschmalz in Bewegung setzt."

Karin Schmidt-Friderichs

Liebe Kolleg:innen,

„Complaining is silly – either act or forget“

Kreativstar Stefan Sagmeister hat diesen Satz in seinem öffentlichen Tagebuch „Things I’ve learned in my life so far“ in Szene gesetzt und mir damit aus dem Herzen gesprochen. Das Buch erschien 2013 – wir waren gerade dabei, nach 28 Jahren die Druckerei zu schließen, aus der der Verlag hervorgegangen war. Keine leichte Zeit.

Und der Satz traf ins Mark.

Auch die letzten Jahre waren nicht leicht. Für Sie nicht. Für mich nicht. Für die Unternehmen nicht, in denen wir arbeiten, die wir leiten, mit denen wir uns identifizieren.

Erst traf uns Corona mit der vollen Wucht einer Mischung aus Sorge um die Leben unserer Lieben und Lockdown mit Sorge um das Überleben unserer Läden. Darauf folgten fast unmittelbar die Energiekrise und eine Inflation von historischem Ausmaß. Leere Innenstädte, ein schwaches Konsumklima, schlechte Leseleistungen, Kostensteigerungen in allen Bereichen, leere Staatskassen – das alles beunruhigt uns auf der Schwelle zum Jahr 2024.

Und da soll der Neujahrsgruß Ihrer Vorsteherin Sonne ins Düstere bringen? Zumal der völkerrechtswidrige Angriff Russlands auf die Ukraine und die schrecklichen Terrorakte der Hamas auf Israel und ihre Auswirkungen uns anhaltend besorgen und betroffen machen.

Selbst der größten Optimistin, der tapfersten Kämpferin fällt das nicht leicht.

Was ich aber versuchen möchte, ist, Ihnen zu schreiben, warum ich trotz allem Hoffnung habe. Und warum ich an diese Branche glaube.

Die Sorgen, die uns umtreiben, sind berechtigt. Lassen Sie uns trotzdem miteinander auf die Chancen blicken.

Karin Schmidt-Friderichs

Je unstabiler und besorgniserregender die Welt wird, desto unschätzbarer ist der Wert von guten Büchern, die helfen, die Lage einzuschätzen. Je mehr Angst und Sorge den Alltag der Menschen bestimmen, desto wertvoller sind Geschichten, die für Ablenkung sorgen. Je mehr Kreativität zur Währung in einer Welt von künstlicher Intelligenz wird, desto wichtiger sind die Impulse aus Romanen und Sachbüchern.

Unsere Arbeit ist höchst relevant, gerade jetzt. Sie ist Politiker:innen Buchmessenbesuche und Einladungen in Ministerien wert. Und wir erreichen sogar eine Generation, über deren „Unerreichbarkeit“ Bücher geschrieben werden. Das zeigt sich nicht zuletzt daran, dass das Buch Spitzenreiter bei den Ausgaben 18-Jähriger mit dem Kulturpass ist.

Nun können wir davon allein unsere Mieten nicht zahlen. Aber es kann uns doch anspornen, mit Kreativität und Selbstvertrauen weiter zuzupacken. Die Sorgen, die uns umtreiben, sind berechtigt. Lassen Sie uns trotzdem miteinander auf die Chancen blicken – und sie entschlossen und mutig ergreifen.

Lassen Sie uns  in unseren Geschichten über uns selbst nicht die Opferrolle einnehmen, sondern den Sorgen Kreativität, Energie und Willensstärke entgegensetzen.

Karin Schmidt-Friderichs

Seit beinahe 200 Jahren begleitet der Börsenverein diese wunderbare Branche – also Sie – durch Veränderungen und Umbrüche. Technische Neuerungen, aber auch Kriege und Wiederaufbau, die Teilung und Wiedervereinigung eines Landes forderten heraus und nicht alle Unternehmen überstanden alle Zeiten. Aber es kamen Neugründungen, neue Märkte, neue Marktkonzepte … Weil der Herzschlag dieser Branche Hirnschmalz in Bewegung setzt. Und weil die Menschen Geschichtenwesen sind.

Lassen Sie uns auf Tagungen, Messen und Sitzungen miteinander überlegen, wie wir die Herausforderungen der Zeit miteinander lösen. Lassen Sie uns aus alten Konkurrenzbeziehungen Kooperationen machen. Lassen Sie uns selbstbewusst den Wert unserer Arbeit und unserer Bücher kommunizieren und uns in unseren Geschichten über uns selbst nicht die Opferrolle einnehmen, sondern den Sorgen Kreativität, Energie und Willensstärke entgegensetzen.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein gutes neues Jahr.
Lassen Sie es uns gemeinsam dazu machen!