Hauptversammlung Landesverband SaSaThü

"Wette auf die Zukunft"

9. September 2020
von Nils Kahlefendt

Zu ihrer 30. Hauptversammlung trafen sich die Mitglieder des Landesverbands SaSaThü erstmals wieder physisch. Wichtigstes Thema: Was plant die Leipziger Buchmesse für 2021?

Eigentlich findet die Hauptversammlung des Landesverbands Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen (SaSaThü) alle fünf Jahre außerhalb von Leipzig statt. Nach Dessau (1995), Weimar (2000), Görlitz (2005), Quedlinburg (2010) und Erfurt (2015) wollte man im Mai eigentlich nach Meißen reisen. Die Corona-Pandemie hat das verhindert. Dass man sich gestern im Leipziger Haus des Buches nach einer für Buchhändler und Verleger abenteuerlichen Zeit erstmals physisch treffen konnte, wenn auch unter Masken und mit deutlich gestrafftem Programm, fühlte sich gut an.

Man ist sich als Branche nahe in diesen Krisenzeiten, näher jedenfalls als die laut Hygienekonzept vorgeschriebenen 1,50 Meter. Die Auswirkungen der Pandemie sind auch im Einzugsgebiet des Dreiländerverbands divers: Das Spektrum reicht von Verlagen, die 95 Prozent Umsatzausfall zu beklagen hatten bis zu Anbietern mit zweistelligem Wachstum, von arg gebeutelten großen Ketten bis zu kleinen Buchhandlungen, die dank ihres Engagements bis an die Schmerzgrenze mit einem blauen Auge durch den Lockdown kamen.

"Wer im Osten aufgewachsen ist und 1989 bewusst miterlebt hat", brachte es Verleger Mark Lehmstedt auf den Punkt, "hätte sich nicht gedacht, noch einmal eine Phase durchzumachen, die an die Grundlagen der Existenz geht. Für meine Lebenszeit ist der Bedarf jetzt gedeckt."

Mit Spannung erwartet wurde der Auftritt von Oliver Zille, Direktor der Leipziger Buchmesse, der in der gemeinsamen Fachgruppenversammlung von Herstellendem und Verbreitendem Buchhandel über den aktuellen Stand des Messekonzepts für 2021 berichten wollte. Während Zille noch von der Hoffnung auf eine Frankfurter "Zeichensetzung" im Herbst sprach, platzte die Nachricht von der Absage der Hallenausstellung am Main in die laufende Veranstaltung. Konsultierte Smartphones, lange Gesichter. Eine Wendung, die zeigt, wie volatil, wie unwägbar die Verhältnisse zurzeit sind.

Zilles Frage "Was ist das neue Normal?" stand quasi leitmotivisch im Raum. Und natürlich war jedem im Raum klar, dass nun der Druck auf die kalendarisch nächstfolgende Messeveranstaltung wächst. Was haben sie vor in Leipzig, wo sie die ersten beiden kleinen Messen, die am letzten Samstag unter Pandemie-Bedingungen eröffnet wurden (das Konsumgüter-Messedoppel aus "Cadeaux" und "Midora"), "wie Weihnachten gefeiert" (Zille) haben.

"Wir wollen ein schönes Bücherfest, eine Messe, die möglichst nahe an unsere reguläre Veranstaltung herankommt", erläutert Zille. "Deshalb haben wir auch das Wort 'Sonderedition' nicht in den Mund genommen." Alle Kraft solle in "Leipzig liest", die Präsentation auf dem Messegelände und in den Buchverkauf gesteckt werden, für den der Filialist Hugendubel, der bereits in diesem Jahr einsteigen wollte, weiterhin bereitsteht. Die Verlegung in den späten Mai war für Zille alternativlos. "Aufgrund anderer Veranstaltungen hatten wir nur diesen einen Slot. Die Frage war: Nehmen wir den – oder bleiben wir im März." Ende September, so Zille, werden die Geschäftsbedingungen der Messe noch einmal angepasst – dann soll auch bekanntgegeben werden, auf welche Weise Aussteller von der Förderung der Kulturstaatsministerin profitieren sollen – Leipzig wird eine Million aus Grütters’ Mitteln erhalten.

Die Gretchenfrage: Wird sich auch genügend Publikum mobilisieren lassen? Ende September wird die Buchmesse auch erklären, in welchen Größenordnungen sie, Stand jetzt, bei Leipzig-liest-Veranstaltungen und Besucherzahlen plant. Klar scheint: Es werden nicht 210.000 aufs Messegelände kommen, wie zuletzt 2019. Zille rechnet immerhin mit "einer Größenordnung im sechsstelligen Bereich". Folgerichtig haben sich die Leipziger auch dafür entschieden, den Verbund mit der parallel veranstalteten Manga Comic Con beizubehalten. "Gerade in Zeiten, wo man um jeden Besucher kämpfen muss, werden wir das nicht abschneiden." Auch das für 2021 avisierte Gastland Portugal plant seinen Auftritt weiterhin mit Hochdruck; einen ersten Vorgeschmack wird man im Rahmen des kommenden Literarischen Herbsts (20. bis 25.Oktober 2020) erleben können.

Leipziger Buchmesse 2021 ist eine "Riesen-Chance"

Aus Sicht der Verlage ist Leipzig im Mai 2021 eine "Riesen-Chance", so SaSaThü-Vorsitzender Helmut Stadeler. Vielleicht könnte der Buchmesse zum Vorteil gereichen, was ihr häufig als Nachteil ausgelegt wurde: Leipzig ist nicht dezidiert Geschäftsmesse, Zahlen werden hier eher am Rande geschrieben – eine einmalige Verschiebung (das zu betonen, wurde Zille nicht müde) in den Mai trifft die Veranstaltung wohl nicht existenziell.

"Umso wichtiger ist es", meint denn auch Mark Lehmstedt, "Leipzig als Lese- und Publikumsmesse zu stärken. Aus Sicht der Verlage ist das eine Wette auf die Zukunft." Der Verlagshistoriker Lehmstedt erinnerte bei dieser Gelegenheit daran, dass das Kantate-Essen einst als unumstrittener Höhepunkt der Messe galt – die sich nun ihrem historischen Termin wieder annähere. Und: Gab es nicht nach der Wiedervereinigung Leipziger Buchmessen im April, Mai oder Juni? Helmut Stadeler jedenfalls entließ die Kolleginnen und Kollegen in Leipzig mit einer kreativen Übersetzung des Wortes "Krise" ins Chinesische. Dafür gebe es gleich zwei Schriftzeichen, eines stehe für "Gefahr", das andere für "Gelegenheit".