Jahreshauptversammlung HRS

Zeitlich befristeter Beschluss

18. Juni 2025
Redaktion Börsenblatt

Beitragserhöhungen, Beharrlichkeit, Förderprogramme: nur drei von vielen Themen, über die die Mitglieder des Börsenvereins Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland am 16. Juni in Wiesbaden diskutiert und teils abgestimmt haben.

Jahreshauptversammlung des Landesverbands HRS

Jahreshauptversammlung des Landesverbands Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland 2025: Blick ins Plenum in der Wiesbadener Villa Clementine

Ein Hauch von Literatur weht durch die Räume der Villa Clementine, in der Fernsehverfilmung von Thomas Manns "Buddenbrooks" hat die Lübecker Patrizierfamilie in dem prachtvollen Wiesbadener Gebäude gelebt – die Innendekoration im ersten Stock erinnert noch an die für den Film geschaffene Kulisse. Am 16. Juni jedoch hatten die Mitglieder des Börsenvereins Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland im Literaturhaus wichtige Entscheidungen für die Zukunft zu treffen: Um nichts weniger als um eine automatische Anpassung der Mitgliederbeiträge ging es, die die steigenden allgemeinen Kosten und die Marktfaktoren berücksichtigt. Jährlich sollen die Beiträge ab Januar 2026 quasi als Inflationsausgleich an den Verbraucherpreisindex angeglichen werden.

Automatismus und Verbraucherpreisindex

Die Hauptversammlung des Bundesverbands hat einem solchen Flextarif bereits am 18. November 2024 zugestimmt, die Landesverbände müssen dazu jedoch ebenfalls Stellung beziehen, da sich die strukturellen Veränderungen auch auf die Höhe der Mitgliedsbeiträge des Landesverbands auswirken. "In der Verbandsgeschichte wurden schon einmal über 16 Jahre hinweg die Beiträge nicht angehoben – nun geht es darum, eine Formel zu finden, die künftige Beitragserhöhungen in einen logischen Automatismus setzt", warb Landesverbandsvorsitzender Lothar Wekel für den Flextarif. Naturgemäß sind finanzielle Aspekte sensibel, zumal in diesen wirtschaftlich angespannten Zeiten, und so wollten sich die Mitglieder auch die Zeit nehmen, das Für und Wider abzuwägen. Nicht wenige fanden die Erhöhung zum jetzigen Zeitpunkt nicht glücklich, "wo überall die Kosten steigen – es kommt immer noch etwas dazu und hier noch was und da noch was …" Eine Erhöhung sah die Mehrheit der rund 40 Mitglieder aus Verlagen und Buchhandlungen allerdings als unausweichlich an, tat sich aber schwer damit, sie langfristig festzuschreiben.

Wenn man nun dem Flextarif zustimme: "Rückgängig machen können wir es nicht – und dann?", so die Befürchtung. Doch, man könne Beschlüsse auch wieder revidieren und in zum Beispiel zehn Jahren neu überlegen, so weitere Stimmen. Geprägt war die lebendige Debatte nicht zuletzt durch die Sorge der Mitglieder, dass sich durch den Automatismus "im schlimmsten Falle bei hoher Inflation die Beiträge ins Unermessliche steigern können". Ausführlich wurden Zahlen aus den Beitragsgruppen gezeigt. Überlegt wurden auch die Folgen, was passiere, wenn immer mehr Buchhandlungen Partnermitglieder werden – "die kommen ja nicht 1:1 als Verbandsmitglieder zurück und die verbliebenen unabhängigen Buchhandlungen geraten noch mehr unter Druck."

Buchhändler:innen wie Verleger:innen machten in der Diskussion aber auch deutlich, welche Einsparpotenziale sie durch ihre Mitgliedschaft haben und die sie sonst nicht hätten. Am Ende fanden die Mitglieder zu einer sybillinischen Lösung: Sie beschlossen eine Kopplung des Landesverbandsbeitrags an den Bundesverbandsbeitrag bis 2028 – dann werden die Auswirkungen dieses Beschlusses auf der Hauptversammlung des Landesverbands evaluiert, der Beschluss wird überprüft und gegebenenfalls neu entschieden. Ebenso positiv stimmten die Mitglieder ab über die einmalige leichte Erhöhung des Landesbeitragsanteils am Bundesbeitrag um 0,45 bis 0,47% je Beitragsgruppe.

Landesverbandsvorsitzender Lothar Wekel

Landesverbandsvorsitzender Lothar Wekel

Herkulesarbeit in der Geschäftsstelle

Von großen Herausforderungen, die die Geschäftsstelle in diesem Jahr bewältigen musste, hatte Lothar Wekel zuvor berichtet. Nach fünf Jahren war Geschäftsführerin Andrea Wolf Ende 2024 zu einer neuen Aufgabe in ihre Heimatstadt gewechselt, ihre Nachfolgerin hörte nach nur drei Monaten im Mai auf, auch Katrin Witt war vorzeitig gegangen, so dass Bettina Endres und die erst vor kurzem als Elternzeitvertretung für Lilli Peters gekommene Silke Pfeiffer mit zwei studentischen Hilfskräften "die gesamte Arbeit stemmen mussten – und das auch noch knapp vor der Jahreshauptversammlung. Das alles haben sie mit Bravour gemeistert!", lobte Wekel, was das Plenum mit einem großen Applaus bekräftigte. Der Vorsitzende hatte noch zwei gute Nachrichten parat: "Lilli Peters wird 2026 nach ihrer Elternzeit wieder ihre Arbeit in der Geschäftsstelle aufnehmen. Und: Endlich ist die Heizung in den Geschäftsräumen erneuert worden, sodass man nicht mehr mit klammen Fingern arbeiten muss" – dem ein oder anderen fröstelte trotz sommerlicher Wärme schon bei dem Gedanken, im Winter mit veralteter Heizung arbeiten zu müssen.

Silke Pfeiffer vom Landesverband HRS

Silke Pfeiffer vom Landesverband HRS erläuterte das Geschäftsjahr

Langer Atem und Beharrlichkeit

"Es lohnt sich, einen langen Atem haben", berichtetet Conte-Verleger Stefan Wirtz über den Stand der saarländischen Verlage auf der Leipziger Buchmesse samt Abend mit saarländischen Autoren; entstanden sei die Idee vor 15 Jahren. Das Projekt mit Unterstützung des Wirtschaftsministeriums mausere sich ebenso das Festival "erLesen", das 2018 aus der Frage "Wie können wir mehr Sichtbarkeit bekommen?" entstanden sei. "2023 haben wir eine Festivalkoordinatorin einstellen können, wir konnten jedes Jahr die Einnahmenseite verbessern und werden voraussichtlich in zwei Jahren ganz in die Gewinnzone kommen", so Wirtz. "Auch hier: Beharrlichkeit und langer Atem zahlen sich aus." Weitere Highlight-Projekte wie der Hessische Verlagspreis, das Podium Rheinland-Pfalz auf der Frankfurter Buchmesse unter dem Motto "Viele Stimmen – ein Land", die Auszeichnung "Hessens beste Dorfbuchhandlung" u.a. wurden vorgestellt. 2024 erhielten die landesspezifischen Leseförderauszeichnungen einen Neuauftritt: Aus der "Lesefreude Hessen", der "Leselust Rheinland-Pfalz" und dem saarländischen "Netzwerk Mehr Lesen" wurde die "Leselust – Ausgezeichnete Leseförderung für Kinder und Jugendliche".

Fördermittel und -programme

Trotz vieler positiver Nachrichten muss der Landesverband auch Überraschungen verkraften: Lothar Wekel berichtete, dass sich das Saarland durch Umstrukturierungen in Ministerien für dieses Jahr am Aufbau und der sachgerechten Ausstattung saarländischer Bibliotheken nicht mehr wie gewohnt engagieren könne – "und das nach 18 Jahren, ohne Vorankündigung". 2024 noch waren an 48 Bibliotheken 94 Buchpakete mit 53.000 Euro vom saarländischen Ministerium für Bildung und Kultur gefördert worden. "Wir brauchen neue Ideen, wie wir in der Leseförderung jenseits der Unterstützung durch Landesmittel weiter agieren können", forderte Wekel. Lisa Greuel, beim Börsenverein Referentin für betriebswirtschaftliche Beratung in der Buchbranche, informierte denn auch im Anschluss darüber, welche Arten von Förderprogrammen es für Buchhandlungen und Verlage gibt. Ihr Tipp: Erst einmal nach regionalen Zuschüssen schauen; sie wies auf die Plattform zu Förderprogrammen auf der Börsenvereinswebsite hin. Wekel riet zudem, gleich ab September das Angebot von Greuel zu nutzen, einen persönlichen Beratungstermin auszumachen. Beraterin Gudula Buzman gab wichtige Hinweise, dass die meisten Förderprogramme für einen bestimmten Zeitraum gelten und die Fördersumme einen Eigenanteil beinhalte. Und "Ein Zuschuss wird immer im Nachhinein gewährt – und es kann auch sein, dass er nicht gewährt wird. Deswegen: So planen, dass nicht alles von dem Zuschuss abhängt."

Lisa Greuel, Referentin im Börsenverein

Lisa Greuel, Referentin im Börsenverein

Unterstützung und falsche Deklinationen

Über Fördermöglichkeiten und Unterstützung anderer Art informierte Carola Markwa, die neue Geschäftsführerin des Sozialwerks des Deutschen Buchhandels: "Jeder kann in eine Notlage geraten". Ausdrücklich sei das Sozialwerk für die im Buchhandel arbeitenden Menschen da, die unverschuldet in Not geraten seien, ob die private Wohnung vom Hochwasser überschwemmt wird oder die schmale Rente nicht für eine neue Sehhilfe oder den benötigten Rollator reicht. "Wir helfen unkonventionell und schnell", versprach Markwa. Oft trauten sich die Betroffenen nicht, um Unterstützung nachzufragen, die so existenziell wichtig sei: "Im vergangenen Monat sagte mir eine Betroffene: 'Heute Nacht kann ich endlich wieder ruhig schlafen – Danke!'" Warb Markwa um Spenden, so warb Sebastian Guggolz um die Stimmen der Mitglieder: Der Verleger des gleichnamigen Verlags und verantwortlicher Lektor für Klassiker bei S.Fischer, der auch im Kuratorium des Literaturfonds und im Verein der Hotlist tätig ist, bewirbt sich um das Amt des Vorstehers des Börsenvereins. Er möchte das von Karin Schmidt-Friderichs verfolgte Prinzip der Öffnung fortsetzen und stärker moderierend zwischen den unterschiedlichen Bedürfnissen der Mitglieder wirken, teilte er per Video mit.

Was aber wäre eine Jahreshauptversammlung in einem Literaturhaus ohne Literatur? Rainer Moritz, bis vor kurzem selbst Leiter des Hamburger Literaturhauses, hielt eine vergnügliche Lobrede auf das Lesen. Er sprach von der – den anwesenden Buchhändler:innen nur allzu bekannten – Angst, dass der eingeladene Autor zu spät zur Lesung oder am Ende gar nicht kommt, und über die Angst des Schriftstellers, dass er vielleicht nur versehentlich eingeladen worden ist und eigentlich ein prominenterer Autor lieber gesehen wäre. Moritz las Passagen aus seinen Büchern, etwa zur "furchtbaren Frage 'Wie schreiben Sie eigentlich?'" und ging mit dem laxen Umgang mit der Deklination des Wortes "Autor" ins Gericht: "Da wird man angekündigt mit dem Satz 'Das neue Buch des Autoren hat uns gut gefallen' oder 'Es ist mir eine Freude, meinem Lieblingsautoren heute zuhören zu dürfen …' – nein, es heißt nun mal: der Autor – des Autors – dem Autor – den Autor!" Und wenn er schon grammatikalisch so falsch angekündigt werde, reise er unverzüglich ab, verriet Moritz mit einem Augenzwinkern. Lothar Wekel aber habe ihn formvollendet angekündigt – ein Glück also auch für die Zuhörer:innen, die so eine höchst unterhaltsame Stunde erlebten.

Rainer Moritz

Vergnügliche Lesung mit Rainer Moritz