Börsenverein: Fachausschusssitzungen

Zwei Lichtblicke im Kostendruck

23. März 2023
von Börsenblatt

Der Kulturpass für 18-Jährige ist eine große Chance für Buchhandlungen und Verlage, die Kostenspirale bei Druck und Energie dagegen ein Risiko, dem die drei Sparten jetzt mit einem „Szenario-Workshop“ begegnen wollen: Zwei von vielen Themen, mit denen sich die Fachausschüsse des Börsenvereins an diesem Mittwoch beschäftigt haben.

Stephan Schierke, Doris Janhsen, Christiane Schulz-Rother (von links)

Ab diesem Sommer sollen 18-Jährige mit Wohnsitz in Deutschland 200 Euro bekommen, die sie unter anderem für Kino, Theater, Museumsbesuche oder Bücher ausgeben können. Vorbild ist der „Pass Culture“ aus Frankreich: „Dort hat sich gezeigt, dass fast die Hälfte der 200 Euro in die Buchbranche fließen“, machte Christiane Schulz-Rother (Tegeler Bücherstube) bei einem Pressegespräch zum Abschluss des Frankfurter Sitzungstages deutlich.

Die Berliner Buchhändlerin ist Vorsitzende im Ausschuss für den Sortimentsbuchhandel, der am Mittwoch parallel zu den anderen beiden Fachausschüssen im Haus des Buches getagt hat.

Der Kulturpass ist eine Riesenchance. Je mehr Buchhandlungen dabei sind, desto besser.

Christiane Schulz-Rother, Vorsitzende des Ausschusses für den Sortimentsbuchhandel

Der Kulturpass kommt!

Via App soll der Kulturpass den jungen Erwachsenen zur Verfügung stehen. An den technischen Details wird in der Behörde von Kulturstaatsministerin Claudia Roth (BKM) noch gefeilt. Geplant ist, dass die Nutzer:innen  dort über eine Schnittstelle zum VLB Titel auswählen und dann bei registrierten Buchhandlungen kaufen können. Schulbücher und digitale Medien sollen außen vorbleiben, wie Christiane Schulz-Rother berichtet. Und: Der Kulturpass ist für Bücher nur stationär im Laden einlösbar.

Der Börsenverein ist in die Planungen involviert und berät das BKM und die zuständigen Dienstleister wie SAP. Ziel sei es, die Beteiligung der Buchhandlungen und den Kaufprozess für die Jugendlichen so einfach wie möglich zu gestalten, berichtete Schulz-Rother.

Ihr Appell: Möglichst viele Buchhandlungen sollten sich für die Teilnahme am Kulturpass registrieren: „Das Projekt ist eine Riesenchance. Je mehr Anbieter dabei sind, desto besser.“ Die Registrierung soll in wenigen Wochen starten, der Börsenverein wird seine Mitglieder dann umfassend informieren.

Auch die Verlage sind mit im Boot: Das machte Doris Janhsen (Droemer Knaur) als stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Verlage im Videocall vor der Presse deutlich: „Alles, was wir zum Erfolg des Projektes beitragen können, wollen wir tun.“ Weitere Themen auf der Agenda der Fachausschüsse:

Ärger ums Vergaberecht

Der Ausschuss für den Sortimentsbuchhandel beschäftigte sich mit der europaweiten Ausschreibung von Schulbuch- oder Bibliotheksaufträgen, die dem stationären Buchhandel das Leben schwer machen (hier geht es zu einem aktuellen Beispiel in Hannover und einem älteren Fall in Leipzig).

Auch wenn in Hannover ein Erfolg noch möglich sei: Alles in allem fehle vielen ausschreibenden Bibliotheken und Kommunen zu oft der Mut, die Belange des örtlichen Buchhandels aktiv zu berücksichtigen, obwohl das Vergaberecht dies zulasse, fasste Christiane Schulz-Rother die Diskussion zusammen.

Gespräche zum digitalen Schulbuch

Das Pilotprojekt im Saarland, das ab Sommer eine Umstellung auf digitale Lernmedien vorsieht (mehr dazu hier), stand im SoA ebenfalls auf der Agenda. Die Branche müsse jetzt alle Bühnen und Plattformen für Gespräche nutzen, um die Herausforderungen des rein digitalen Lernens deutlich zu machen, mahnte Schulz-Rother: „Wir müssen klarstellen, dass Digital und Print Hand in Hand gehen.“ Zusammen mit der IG Lernmedien des Börsenvereins laufen Gespräche auf vielen Ebenen, mit der Politik, aber auch mit dem Verband Bildungsmedien, Eltern- und Lehrervertreter:innen.

Der Kostendruck wird nicht nachlassen, sondern sich verstetigen und zum neuen Ist-Zustand der Branche werden. Das bringt uns alle an Grenzen - und zum Teil darüber hinaus.

Doris Janhsen, stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Verlage

Kostenspirale dreht sich weiter

Die Preisspirale bei Papier, Energie und vielen anderen Faktoren bringt die gesamte Branche in Bedrängnis. Das betonte Doris Janhsen. „Der Kostendruck wird nicht nachlassen, sondern sich verstetigen und zum neuen Ist-Zustand der Branche werden“, so die Analyse der Verlegerin: „Das bringt uns alle an Grenzen – und zum Teil auch darüber hinaus.“ Mit dem Finger auf die jeweils andere Sparte zu zeigen und dort Entgegenkommen einzufordern, bringe nichts: „Wir sind jetzt dazu gezwungen, jenseits kartellrechtlich verbotener Absprachen gemeinsam kreative Lösungen für die Zukunft zu finden.“

Das will der Verband in so genannten Szenario-Workshops machen, die in diesem Jahr starten sollen und alle Sparten an einen Tisch holen: „Klar ist, dass wir Lösungen nicht mit einem Fingerschnippen finden werden, sondern dass uns das Thema über Jahre hinweg beschäftigen wird“, meint Janhsen.

Die Arbeit in den geplanten Szenario-Worskshops wird eher ein Marathon als ein Sprint.

Stephan Schierke, Ausschuss für den Zwischenbuchhandel

Das Kostenthema sei „virulent“, ergänzte Stephan Schierke (Arvato / VVA), Vorsitzender im Ausschuss für den Zwischenbuchhandel. Das zeige sich auch an den aktuellen Insolvenzen und Gebührensteigerungen im Zwischenbuchhandel. Die Arbeit in den Szenario-Worskshops werden eher ein Marathon als ein Sprint.

Strukturelle Verlagsförderung ist in Arbeit

Besonders betroffen von der Inflation sind die kleineren Verlage. „Ihnen steht das Wasser bis zum Hals, punktuelle Maßnahmen reichen nicht mehr aus“, so Doris Janhsen. Der Börsenverein spricht deshalb schon seit längerem mit dem BKM über eine strukturelle Verlagsförderung, der Weg durch die verschiedenen behördlichen Ebenen werden mit Hochdruck vorangetrieben berichtete Janhsen. Wann das Konzept für die strukturelle Verlagsförderung startklar sein werde, lasse sich im Moment aber noch nicht abschätzen.

ChatGPT stellt Herausforderungen an kreative Arbeit

Auch mit dem Thema Künstliche Intelligenz haben sich die Verlage in ihrer Ausschuss-Sitzung befasst. Mit der Weiterentwicklung von ChatGPT könnte die Buchbranche vor einem Paradigmenwechsel stehen, sagte Verlegerin Janhsen. Vor allem urheberrechtliche Fragen treiben die Verlage um: „Es geht darum, wie wir die kreative Arbeit der Autor:innen, von der wir letztlich alle leben, schützen können,“ so Doris Janhsen.

Der Börsenverein erarbeitet in den nächsten Wochen eine Handreichung zum Thema ChatGPT & Co., die erstens Fragen zur aktuellen rechtlichen Situation beantwortet und zweitens erläutert, wie Verlage durch die Nutzung eines sogenannten Opt-out-Modells maschinenlesbare Vorbehalte gegen kommerzielles Auslesen an urheberrechtlich geschützten Texten anbringen können, die sie im Internet anbieten.