Weihnachtsgeschäft im Buchhandel

"Das Weihnachtsgeschäft war annähernd katastrophal"

28. Dezember 2020
von Charline Vorherr

Das Gros der Buchhandlungen musste den Endspurt ihres Weihnachtsgeschäfts im Shutdown hinlegen. Wie lief’s? Und wie war das Weihnachtsgeschäft für den geöffneten Buchhandel? Außerdem blicken die Buchhändler ins neue Jahr. Wie sind die Aussichten für den Januar? Wir haben nachgefragt.

Birgit Närger, Vaihinger Buchladen in Stuttgart

Ich habe noch keine endgültigen Zahlen, also keinen wirklichen Vergleich. Gefühlt hat das Weihnachtsgeschäft aber deutlich früher eingesetzt und die Kunden haben im November bewusst Geschenke besorgt. Vor dem Lockdown haben die Kunden wie wahnsinnig eingekauft und in Schlangen vor dem Abholfenster in unserem Hof gestanden. Auch im Shutdown vor den Weihnachtsfeiertagen haben die Kunden bisher bis an unsere Grenzen eingekauft.

Ich denke, dass der Shutdown noch über den Januar hinaus anhalten wird, aber die Leute lassen sich nicht unterkriegen. Die Mails quillen auch nach den Feiertagen über, das Telefon klingelt non-stop. Die Leute kaufen weiter, vor allem für die Kinder, die beschäftigt werden wollen. Die Kunden gönnen sich auch bewusst etwas. Statt einem Buch werden zwei oder drei mitgenommen.

Die Mails quillen auch nach den Feiertagen über, das Telefon klingelt non-stop. Die Leute kaufen weiter.

Birgit Närger, Vaihinger Buchladen

Peter Peterknecht, Buchhandlung Peterknecht in Erfurt

Ich habe das Gefühl, ich lebe auf einem anderen Planeten als die Buchhändler, die über ein starkes Weihnachtsgeschäft sprechen. Wir hatten auch vorgezogene Weihnachtseinkäufe, aber natürlich kann ein solches Jahr nie zufriedenstellen und auch dieses Weihnachtsgeschäft kann so nicht zufriedenstellen. Wir sind zum 24. Dezember plus minus Null gekommen. Ohne den Shutdown hätten wir eine Steigerung von 20 Prozent erreichen können. Seit heute gehen die Zahlen wieder herunter. Wir hätten zwischen den Jahren ein Viertel der bisherigen Umsätze erreichen können, aber auch das sehe ich jetzt nicht mehr. In Shutdown-Zeiten müssen wir mit einem Umsatz von 20 Prozent leben. Das hat schon der erste Shutdown im Frühjahr gezeigt.

Wie sich der Januar entwickelt, kann ich nicht einschätzen. Ich gehe davon aus, dass der Shutdown andauert. Wir hoffen, dass wir wenigstens im Rechnungsgeschäft keine Verluste erleiden, aber auch da bin ich mir unsicher. Unwichtige Bereiche wie Bücher werden in den Firmen einfach zusammengestrichen. Außerdem ist mit dem 16. Dezember das komplette Kalendergeschäft eingebrochen, das sonst bis zum 31.1 anhält. Das sind viele zehntausende Euro.

Die Tage werden für alle Beteiligten nicht schön. Alle schwärmen von ihren White Label Shops und ihren Auslieferungen und keiner guckt aufs Ergebnis. Abgerechnet wird am 31. Dezember und das Ergebnis wird einkrachen. Es wird vergessen, dass die Ware, die man aus dem Laden heraus verkauft, deutlich günstiger eingekauft wurde, als die Ware, die man über die Barsortimente verkauft.

Natürlich könnte man auch erwähnen, dass wir eine Steigerung von 200 Prozent im Online-Geschäft hatten, aber das halte ich nicht für zielführend, denn die Rendite stimmt nicht. Ich hoffe nun, dass die Konditionen der Verlage im nächsten Jahr heruntergesetzt werden. Wir sprechen immer von Solidarität im Buchhandel und darüber, dass wir alle auf gleicher Augenhöhe agieren. Interessant ist dann immer, welche Verlage auf die Konditionsverhandlungen eingehen.

Alle schwärmen von ihren White Label Shops und ihren Auslieferungen und keiner guckt aufs Ergebnis. Abgerechnet wird am 31. Dezember und das Ergebnis wird einkrachen.

Peter Peterknecht, Buchhandlung Peterknecht

Martina Manns, Buchhandlung Schulz & Schultz in Düsseldorf

Es ist schwer zu sagen, ob der zweite Shutdown stark ins Gewicht gefallen ist. An den Tagen, in denen der Laden zu war, war das Geschäft natürlich weniger. Das hat man gemerkt. Andererseits waren die Tage vorher wesentlich stärker. Die Leute haben die Schließung geahnt und ordentlich Gas gegeben. Wir sind ganz zufrieden.

Wie das Geschäft im Januar wird, kann man schlecht einschätzen. Natürlich ist es immer besser, wenn der Laden geöffnet ist und die Menschen stöbern können. Aber wir haben treue Kunden, die telefonisch oder online bestellen.

Andererseits waren die Tage vorher wesentlich stärker. Die Leute haben die Schließung geahnt und ordentlich Gas gegeben. Wir sind ganz zufrieden.

Martina Manns, Buchhandlung Schulz & Schultz

Raimund Müller, Buchhandlung Jacobi & Müller in Halle

Das Weihnachtsgeschäft in diesem Jahr war annähernd katastrophal, weil uns die Barsortimente mit den Meldenummern und leeren Lagern und nicht lieferbaren Titeln massiv geschadet und Umsatz gekostet haben. Wir kennen die Probleme, die die Bartsortimente haben und wissen, dass die Probleme nicht unbedingt leicht zu wuppen waren, aber nichts destotrotz hat uns das sehr geschadet. Jeden zweiten Titel mussten wir zweimal bibliographieren, um ein lieferbares Buch zu finden. Jedes dritte haben wir gar nicht bestellen können. Wenn bei einer Wunschliste von 20 Titeln eines Kunden nur fünf lieferbar sind, dann guckt einen der Kunde eben an und fragte in diesem Fall: "Wieso soll ich die Geschenke für meine Belegschaft nicht von Amazon direkt in die Praxis liefern lassen?"

Sehr gefreut hat uns, dass wir in Sachsen-Anhalt weiterhin öffnen durften. Doch das erst musste massiv kommuniziert werden. Weil wir in diesem Jahr zum dritten Mal den Buchhandlungspreis gewonnen haben, war das alles nicht so schlimm – wir konnten uns über die Presse mitteilen. Die Kunden halten sich jedoch weniger im Geschäft auf. Im Vergleich zu den letzten beiden Jahren haben sich die Direktbestellungen und Bestellungen verdoppelt oder verdreifacht. Einmal stöbern möchten die Kunden aber trotzdem.

Den Januar können wir nicht einschätzen. Wir wissen nicht, ob Sachsen-Anhalt mit der Schließung nachzieht, da die Infektionszahlen steigen. Oder ob wir hoffen können, weiterhin geöffnet zu bleiben. Aber ich bin mehr oder weniger Einzelkämpfer. Ich kann meinen Mitarbeitern sagen, sie sollen Corona-bedingt zuhause bleiben.

Das Weihnachtsgeschäft in diesem Jahr war annähernd katastrophal, weil uns die Barsortimente mit den Meldenummern und leeren Lagern und nicht lieferbaren Titeln massiv geschadet und Umsatz gekostet haben.

Raimund Müller, Buchhandlung Jacobi & Müller

Matthias Vogt, Havelländische Buchhandelsgesellschaft, Brandenburg

Das Weihnachtsgeschäft hat bei uns schon deutlich früher angefangen. Anfang Dezember dachte ich, dass es dieses Jahr wieder kein Weihnachtgeschäft geben wird. Aber viele unserer Kunden arbeiten in Öffentlichen Instituten in Berlin, waren schon zuhause und haben uns gute Umsätze beschert. Die Tage vor dem Lockdown waren sensationell und wir hatten Tagesumsätze, dir wir sonst auch nicht am 23. Dezember haben. Es riss einfach nicht ab. Und nach dem Shutdown für die anderen Geschäfte ging es trotzdem weiter, aber nicht vergleichbar mit den Weihnachtsumsätzen, die wir in normalen Jahren haben. Die Tagesumsätze waren um mindestens 10 Prozent geringer.

Obwohl unsere Buchhandlungen nicht vom Shutdown betroffen sind, haben wir wie im ersten Lockdown im März einen verstärkten Online-Umsatz und Abhol-Bestellungen. Das war im Dezember ganz stark, nachdem die Kurve bis zum November abgeflacht ist. Wir haben für unsere fünf Buchhandlungen versucht, Lösungen zu finden. Es war immerhin ein anstrengendes Jahr. Bei den kleinen Filialen machen wir zwischen den Feiertagen zu. Bei den größeren Filialen machen wir es unterschiedlich. Eine Filiale hat offen. In Neuruppin haben wir eine Notbesetzung. Wir haben außerdem das Problem, dass wir Kollegen mit Kindern aus Berlin haben. Die wollen wir schützen, indem sie nicht mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit kommen müssen.

Wir wissen nicht, was im Januar passiert. Wir werden uns überraschen lassen und dann tagesaktuell planen. Eine Kollegin meinte die Tage zu mir: „Wir fallen im Januar bestimmt in ein tiefes Loch … oder auch nicht.“ Wir könnten jetzt nur in die Kristallkugel blicken.

Die Tage vor dem Lockdown waren sensationell und wir hatten Tagesumsätze, dir wir sonst auch nicht am 23. Dezember haben. Es riss einfach nicht ab.

Matthias Vogt, Havelländische Buchhandelsgesellschaft
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