Flutkatastrophe

Buchhandlung Wachtel: „Nichts zu retten, alles Schrott“

27. Juli 2021
von Sabine van Endert

Die Buchhandlung Wachtel im Herzen von Gemünd, beste Lage in der Fußgängerzone direkt am Nationalparkt Eifel, hat das Hochwasser komplett zerstört. Ob er sie wieder aufbauen wird, hat Inhaber Lothar Braunisch noch nicht endgültig entschieden.

Wie war das? Wie haben Sie die ersten Stunden nach der Flutkatastrophe erlebt?
Ich habe am 15. Juli, einem Donnerstag, ganz normal meinen Laden abgeschlossen und bin nach Hause gefahren. Später bekam ich einen Anruf von einem Mieter des Hauses, es würde Wasser in der Straße stehen. Da dachte ich noch, fahre ich halt morgen mit einem Eimer hin und wische auf. Stunden später war die komplette Buchhandlung zerstört. 

Komplett? Was ist noch übrig?
Alle Gebäude in der Straße standen drei Meter hoch unter Wasser Putz, Fenster, Fliesen, Türen - das Untergeschoss mit dem Laden muss quasi mithilfe eines Architekten neu aufgebaut werden.

70 Quadratmeter Verkaufsfläche, mit Nebenräumen 140 Quadratmeter - konnten Sie etwas aus dem Laden retten?
Nein, nichts. Beim Ausräumen dachte ich bei manchen Büchern, ach das geht ja noch, aber nichts war mehr heil, alle Bücher gewellt, verschlammt, unbrauchbar. Kasse, Computer, Nonbooks – alles Schrott, absolut nichts war zu retten.   

Ist der Laden jetzt vollständig ausgeräumt?
Die Regale sind noch drin. Die sind handverlesen und maßangepasst. In dieser Woche kommt der Schreiner und ich hoffe, dass man vielleicht wenigstens die Längsriegel zwischenlagern und trocknen kann.

Das hört sich so an, als wollten Sie die Ärmel hochkrempeln und die Türen Ihrer Buchhandlung vielleicht schon bald wieder öffnen.
Im Augenblick kämpfe ich mit mir. In den ersten Tagen nach der Katastrophe war ich drauf und dran alles hinzuschmeißen. Ich bin jetzt 70 Jahre alt, habe vor drei Jahren meine Lebensgefährtin verloren, eigentlich wollte ich die Buchhandlung noch drei Jahre führen und dann verkaufen.

Sie sind Mieter in dem zerstörten Haus in der Dreiborner Straße 20. Welche Signale sendet der Vermieter?
Der ist kooperativ und würde mich unterstützen. Einfach wird das trotzdem nicht. Manche Baumaterialien sind jetzt schon rar.

Wie lange würde ein Wiederaufbau der Buchhandlung dauern?
Laut Versicherungsexperten etwa ein halbes Jahr – wenn alles gut läuft. Das bedeutet wieder kein Weihnachtsgeschäft.

Sie haben den Buchhandelsalltag zuvor mit drei Teilzeitkräften gemeistert. Würden die Ihnen treu bleiben?
Das ist unsicher. Die eine hat ihr Haus verloren, die andere ist über 65 und ob die dritte so lange warten kann, weiß ich nicht.

Und wie haben Sie mit der Buchhandlung Corona überstanden?
Online haben wir mehr verkauft, aber der große Wurf war das nicht. Aber jetzt war alles wieder offen, die Jugendherberge, Pensionen, Hotels, Ferienwohnungen -  die Gäste sind wieder gekommen. Wir waren sehr zuversichtlich. 

Wenn Sie die Buchhandlung neu aufbauen – was machen Sie dann anders?
Ich würde das Sortiment stark verkleinern. Wir hatten ein allgemeines Sortiment mit Schwerpunkt Eifel, das waren etwa 20 Prozent. Dazu viel Kochbuch, aktuelle Literatur, Kinderbuch, Krimi, Garten und Geschenkartikel.  

Die Buchhandlung Wachtel ist die einzige Buchhandlung am Ort, ließe sich vielleicht gut verkaufen, wenn Sie in Ruhestand gehen…
Gut möglich. Wir haben auch viele Stammkunden, die an der Buchhandlung hängen. Und ich hänge an den Kunden.

Könnten Sie den Wiederaufbau denn finanziell stemmen?
Ich bin ganz gut versichert. Ob es reicht, wird sich zeigen. Tatsächlich gab es auch schon einige Spenden – eine Buchhandlung aus Sachsen zum Beispiel hat den kompletten Umsatz aus einem Sonntagsverkauf gespendet. Das ist sehr rührend. Ich hoffe, vielleicht einen guten Neustart hinlegen zu können.

Neu anfangen oder Schluss machen – was gibt jetzt den Ausschlag für Ihre Entscheidung?
Ich brauche Leute, die mir Mut zusprechen und mich darin bestätigen, noch einmal von vorn anzufangen. Es ist schwer, diese Entscheidung allein zu treffen.

Wie sieht es denn bei den anderen Läden in der Dreiborner Straße aus?
Alle Geschäfte sind zerstört. Und es werden sicher nicht alle wieder aufmachen, das steht jetzt schon fest.