HDE-Interview zum Corona-Fahrplan und zur Öffnung im Buchhandel

"Da werden nicht viele Leute zum Einkaufsbummel kommen"

4. März 2021
von Sabine Cronau

Der Buchhandel darf bundesweit öffnen, dem restlichen Innenstadthandel bleibt in den meisten Bundesländern bislang nur das Click & Meet-Modell: Der Handelsverband Deutschland bezeichnet den jüngsten Fahrplan des Corona-Gipfels als "Katastrophe". Er schätzt, dass die geschlossenen Händler bis Ende März weitere zehn Milliarden Euro Umsatz verlieren werden. Hauptgeschäftsführer Stefan Genth über den Haken an der Teilöffnung - und einen Modehandel am Abgrund.

Buchhandlungen fallen jetzt flächendeckend unter die Grundversorgung – und dürfen ab Montag wieder öffnen. Sehen Sie darin eine Ungleichbehandlung des Einzelhandels oder sagen Sie: Man muss auch gönnen können?

Es macht keinen Sinn, jetzt einzelne Handelsbranchen gegeneinander auszuspielen. Alle Einzelhändler haben sich die sofortige Wiedereröffnung verdient. Denn selbst das Robert-Koch-Institut hat festgestellt, dass das Infektionsrisiko im Einzelhandel gering ist.

Den Einzelhandel öffnen – und vor jedem Laden Schnelltests anbieten: Wäre das eine Option aus Sicht des HDE gewesen?

Schnelltests können einen Beitrag zur Rückkehr zu mehr Normalität in vielen Bereichen leisten. Aber jeden Kunden an den Türen des Handels auf einen negativen, aktuellen Schnelltest zu kontrollieren, das ist zumindest für die Beschäftigten und die Unternehmen des Handels nicht zu leisten. Es ist ja auch nicht zwingend notwendig, schließlich wird dem Einzelhandel auch nur eine geringe Infektionsgefahr zugeordnet.

Mit den Modehändlern bleibt vielerorts die Kernbranche der Stadtzentren geschlossen.

Stefan Genth, HDE

Vor allem der Modehandel ist ein Magnet für den Einkaufsbummel. Können Buchhandlungen ohne dieses Zugpferd überhaupt auf einträgliche Geschäfte hoffen?

Für die Innenstädte ist eine solche Teilöffnung in der Tat eine schwierige Situation. Denn mit den Modehändlern bleibt vielerorts die Kernbranche der Stadtzentren geschlossen. Da werden nicht viele Leute zum Einkaufsbummel kommen. Damit sind die Buchhandlungen auf gezielte Käufe angewiesen. Es bleibt abzuwarten, wieviel Umsatz unter diesen Umständen erzielt werden kann.

Alle geschlossenen Händler leiden sehr und viele sind in existenziellen Schwierigkeiten. Ob groß oder klein spielt dabei keine Rolle.

Stefan Genth, HDE

Das rheinland-pfälzische Modell Click & Meet soll nun bundesweit und quer durch alle Einzelhandelsbranchen möglich sein. Besser als nichts?

Click & Meet bringt die meisten Einzelhändler nicht weiter. Bei einer Eins-zu-eins-Betreuung der Kunden sind bei vielen Händlern die Personalkosten höher als die möglichen Gewinne. Für eine kurze Zeit hätte das ein erster Schritt hin zu einer völligen Öffnung sein können. Bei den aktuellen Inzidenzen aber ist zu befürchten, dass in vielen Regionen über Wochen hinweg nur Click & Meet möglich bleibt. Das ist keine sinnvolle Lösung.

Gartencenter und Floristen dürfen öffnen, weil sie mit verderblicher Saisonware handeln. Auch Mode ist Saisonware. Welche Folgen hat es für die Branche, wenn Boutiquen und die großen Modeketten frühestens Ende März wieder öffnen dürfen?

Der Modehandel ist von der Coronakrise am heftigsten getroffen. Das hat verheerende Folgen. Hier drohen zehntausende Insolvenzen. Zudem drängt hier die neue Saisonware in die Lager. Dabei konnten die Unternehmen noch nicht einmal die Winterware abverkaufen. Eine echte Absurdität ist außerdem, dass die Händler ihre unverkäufliche Ware noch nicht einmal einfach für den guten Zweck spenden können. Denn hier wird Umsatzsteuer fällig. Der Modehandel sitzt also gleich mehrfach in der Klemme und gerät in eine immer bedrohlichere Lage.

Wen trifft der lange Lockdown härter: Die großen Fast-Fashion-Ketten wie H & M und Zara – oder  die mittelständischen Bekleidungs- und Schuhgeschäfte?

Alle geschlossenen Händler leiden sehr und viele sind in existenziellen Schwierigkeiten. Ob groß oder klein spielt dabei keine Rolle.

Wie werden die deutschen Innenstädte 2022 aussehen?

Ich hoffe sehr, dass es gelingt, das Modell der vitalen Innenstadt zu erhalten. Aber ich befürchte, wir könnten ein echtes Fiasko erleben und Zeugen einer Verödung der Stadtzentren in bisher nicht gekanntem Maßstab werden. Deshalb braucht es jetzt schnellstens wirksame Wirtschaftshilfen für die Geschäfte und eine echte Öffnungsperspektive - sowie für die Kommunen einen Innenstadtfonds von jährlich 500 Millionen Euro, um die Zukunftsfähigkeit der Stadtzentren sicherzustellen.

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