Interview mit Reinhilde Rösch zur Bundesnotbremse

"Die Argumente zur Öffnung von Buchhandlungen sind überzeugend"

20. April 2021
von Christina Schulte

Könnte die Bundesnotbremse, die Buchhandlungen als Grundversorger ansieht, den geschlossenen Buchhandlungen in Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen eine Öffnungsperspektive bieten? Reinhilde Rösch, Geschäftsführerin des Landesverbands Baden-Württemberg, erläutert Szenarien und Handlungsoptionen.

In Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen sind die Buchhandlungen derzeit geschlossen. Wenn die Bundesnotbremse kommt, dürfen dann die Buchhandlungen in diesen Bundesländern wieder inzidenzunabhängig öffnen?
Nach jetzigem Stand der Dinge nicht. Bisher liegt uns zur Bundesnotbremse eine "Formulierungshilfe der Bundesregierung" vor. Nach deren Wortlaut bleiben "weitergehende Schutzmaßnahmen" auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes unberührt (Paragraf 28b Absatz 4). Dazu heißt es ausdrücklich, dass bereits bestehende Rechtsverordnungen der Länder weiter gültig bleiben, sofern sie über die in der Bundesnotbremse vorgesehenen Einschränkungen hinausgehen, also zu strengeren Schutzmaßnahmen führen. Aus dem Grund gilt hier der Grundsatz "Bundesrecht bricht Landesrecht" nicht. Die Regelung in Baden-Württemberg (und NRW und Bayern) ist, dass der Buchhandel nicht der Grundversorgung der Bevölkerung zugerechnet wird. Das stellt eine strengere Maßnahme dar als die im Infektionsschutzgesetz des Bundes vorgesehenen und gilt deshalb weiter.

Dass der Buchhandel geschlossen hat, geht in diesen Bundesländern auf Urteile der Oberverwaltungsgerichte zurück. Wer könnte als nächstes vor welchen Gerichten klagen? Verschiedene Einzelhändler rüsten sich ja schon für eine Verfassungsklage wegen Ungleichbehandlung der Branchen ...
Für Baden-Württemberg ist im Moment der Rechtsweg meiner Meinung nach ausgeschöpft. Die Landesregierung hatte den Buchhandel mit der Corona-Verordnung vom 8. März 2021 in die Liste der Grundversorger aufgenommen. Auf Antrag eines Möbelgeschäftes hat der Verwaltungsgerichtshof Mannheim diese Einordnung wegen Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz für rechtswidrig erklärt. Das Land musste die Regelung deshalb zurücknehmen. Diese Entscheidung ist unanfechtbar. Ein erneuter Antrag eines Buchhändlers auf Öffnung (z.B. unter Berufung auf Informationsfreiheit o.ä.) würde wohl als offensichtlich unbegründet abgewiesen werden. Leider ist es äußerst unwahrscheinlich, dass das Gericht innerhalb von zwei Wochen seine Ansicht komplett ändert und seine vorherige Entscheidung revidiert.

Mit Börsenblatt Plus ins Branchengeschehen eintauchen

Sie wollen diesen Plus-Artikel weiterlesen?
Dafür benötigen Sie ein Benutzerkonto sowie ein Abonnement!

  • Zugriff auf alle Plus-Artikel (Analysen und Kommentare der Redaktion, exklusive Branchenzahlen, Interviews, Hintergrundberichte, Reportagen und Artikel aus dem gedruckten Börsenblatt)
  • Alle E-Paper-Ausgaben seit 2019, die aktuelle bereits am Mittwochabend abrufbar
  • Plus-Newsletter mit Highlights und Empfehlungen aus der Redaktion