Neustart Kultur

Geld sucht Ideen

1. Oktober 2020
von Marcus Schuster

Noch bis 31. Oktober können sich Buchhandlungen und Verlage beim Börsenverein für das Förderprogramm »Neustart Kultur« bewerben. Der Aufwand, um an die staatlichen Hilfen zu kommen, ist überschaubar. Wir stellen vier Projekte aus dem Handel. vor. 

Die Digitalisierung ihrer Vertriebswege war für viele lokale Buchhandlungen schon vor der Corona-Krise eine notwendige Großbaustelle. Jetzt ist sie geradezu überlebenswichtig. Insofern bietet das Förderprogramm »Neustart Kultur« eine gute Gelegenheit, das eigene Geschäftsmodell endlich fit für die Zukunft zu machen. Bis zu 7 500 Euro können Buchhandlungen mit maximal zwei Millionen Euro Umsatz beim Börsenverein des Deutschen Buchhandels für solche Maßnahmen beantragen. Die Anmeldephase läuft noch bis 31. Oktober. Vier Buch­händler*innen, die bereits aktiv geworden sind, berichten von ihren Projekten, mit denen der Neuanfang nach einem schwierigen Geschäftsjahr erleichtert werden soll.

Katrin Schmidt, Buchhhandlung Lesezeichen, Germering

Inhaber von »kleinen« Buchhandlungen sind oft Allrounder, die alles irgendwie ein bisschen können. Die Zeit, Mitarbeiter einzuarbeiten, ist in der Regel nicht vorhanden. Daher investieren wir in Schulungen, um weitere Mitarbeiter redaktionell in unserem Shop-CMS aktiv arbeiten zu lassen. Das Know-how wird zukünftig breiter aufgeteilt sein. So können wir mehr Projekte umsetzen und unsere Onlinepräsenz samt Newsletter weiter ausbauen. Um diese Schulungen auch von der Buchhandlung aus möglich zu machen, haben wir eine Webcam und zwei Headsets beantragt.
Qualitativ ansprechende HD-Videos und -Fotos (Tiefenschärfe, Porträt­modus) für Social Media und Website sind wichtig. Somit gehört ein Smartphone als Allroundgerät mit in unseren Förderantrag. Weiter ein Tablet für die Recherche im Shop während des Kundengesprächs und um VLB-TIX ­wesentlich anwenderfreundlicher zu ­bedienen.
Schon vor dem Lockdown war die Anschaffung eines zweiten Kassenarbeitsplatzes geplant, musste aber verschoben werden. Das soll jetzt mithilfe der Förderung umgesetzt werden. So können wir – nicht nur in Zeiten, in denen sich lediglich eine begrenzte Anzahl Menschen im Geschäft aufhalten darf – die Kunden schneller abkassieren und Wartezeiten vor dem Geschäft vermeiden, gerade in der kalten Jahreszeit.
Wir haben insgesamt knapp über 10 000 Euro für die gesamten Maßnahmen beantragt, versuchen also, die komplette Fördersumme auszuschöpfen, und hoffen, dass bis zur Höchstsumme alles genehmigt wird.
Bisher dachten wir immer, dass wir ­digital schon gut aufgestellt sind. Der Lockdown hat gezeigt, dass es Luft nach oben gibt. »Neustart Kultur« ermöglicht uns, die Buchhandlung besser für die (­digitale) Zukunft zu rüsten – wobei ich inständig hoffe, kein Weihnachts­geschäft aus einer geschlossenen Buchhandlung heraus durchführen zu müssen. Ein erneuter Lockdown im Einzelhandel muss unter allen Umständen verhindert werden. Denn das spielt, gerade vor Weihnachten, nur dem Onlinehandel in die Hände.

Sonja Lehmann, Buchhandlung Bücherwurm in Borken

Wir wünschen uns eine bessere technische Ausstattung: einen neuen Laptop, einen PC mit Webcam und ein neues Smartphone, mit dem wir schneller Instagram und Facebook bedienen können. Momentan geschieht dies bei uns noch sehr umständlich über ein privates Tablet.
Über das neue Smartphone werden wir auch die WhatsApp-Bestellungen abarbeiten. Mit Computer und Webcam wollen wir unsere Videobuchtipps professionalisieren und effi­zienter produzieren, gerade im nahenden Weihnachtsgeschäft. Mit den Clips haben wir während des Lockdowns angefangen, die tägliche Frequenz ­jedoch bei der Wiedereröffnung der Geschäfte im April zurückgefahren. Unsere Kunden haben das Format schnell vermisst. Heute gilt: Man darf sie nicht überfluten, aber zwei- bis dreimal pro Woche sollte man schon ein neues Video posten. Den Aufwand dafür kann man überschaubar halten, indem man das Material für mehrere Wochen am Stück vorproduziert.
Wir haben Technik für insgesamt rund 4 500 Euro beantragt. Grundlage ist ein konkretes Angebot eines Fachhändlers, da hat man dann gleich etwas in der Hand. Zu Beginn von »Neustart Kultur« vor einigen Wochen haben manche Buchhändlerkollegen das Förderprogramm in den sozialen Netzwerken häufiger als Almosen bezeichnet, auf das man verzichten müsse – nur um schließlich selbst einen Antrag zu stellen. Ich sage: Respekt, wenn eine Buchhandlung sich solche Ausgaben nach dem Lockdown noch ohne Weiteres leisten kann! Für uns gilt das nicht, daher wäre die Förderung für uns sehr wichtig.

Rasmus Schöll, Aegis Buchhandlung Ulm

Wir möchten mit den Fördermitteln – beantragt haben wir die Maximalsumme von 7 500 Euro – unsere Website umfassend relaunchen und alle Kommunikationskanäle wie Social Media und Podcasts integrieren. Ziel ist ein Portal, das die Individualität unserer Buchhandlung widerspiegelt und das, was wir im Laden leisten, nämlich die Einzelberatung jedes Kunden, in die digitale Welt überträgt.
Bei einer Onlinebuchhandlung geht es heute längst nicht mehr nur darum, Verfügbarkeit herzustellen, das kann jeder. Entscheidend sind Auswahl, persönliche Beratung und Empfehlungsqualität. Die Grundidee ist, dass der Kunde zunächst selbst sucht. Im Idealfall kommt er oder sie frühzeitig von anderen Kanälen wie Instagram oder Facebook auf unsere Seite – da wollen wir autonomer werden – und merkt dann, was wir dort alles bieten. Zum Beispiel unsere Podcasts: Vor einem Jahr gestartet, erreichen sie mittlerweile regelmäßig bis zu 8 000 Nutzer.
Unser Ziel ist, nicht nur Kunden aus Ulm zu gewinnen, sondern auch überregional. Kunden, die immer wiederkommen. Eine weitere Voraussetzung dafür erarbeiten wir gerade mit einer führenden Entwicklerfirma: Barrierefreiheit. Wir möchten ein in der Branche komplett neues, innovatives ­Bezahlverfahren einführen, das den Einkaufsprozess für die Kunden komfortabel macht.

Sabine Friemond-Kund, Buchhandlung Lesezeit! in Voerde

Wir haben uns um rund 4 000 Euro für die Produktion eines professionellen Imagefilms beworben. Dadurch sollen die Kunden auf unserer Website und auf Facebook einen Eindruck von mir als Buchhändlerin bekommen, von der Lebendigkeit dieses Geschäfts und von dem Herzblut, das drinsteckt. Nicht, weil ich mich für so interessant halte, sondern weil diese Art der persönlichen Ansprache am ehesten bei den Menschen ankommt.
Wir haben festgestellt, dass seriöse Buchbesprechungen viel weniger Resonanz erzielen als ein Video, in dem es »menschelt«. Zum Beispiel haben wir schon mal einen kleinen Film gemacht, in dem einer meiner Söhne eine kontaktlose Anlieferung durchführt. Das fanden die User witzig. Daran möchten wir anknüpfen. Mit dem Imagefilm liefern wir den Kunden einen Grund, in ein Fachgeschäft zu gehen, quasi für das Live-Erlebnis mit mir und den Kollegen.

Fördertopf »Neustart Kultur«

Buchhandlungen und Verlage können Fördergelder aus dem Bundesprogramm »Neustart Kultur« beantragen – für Buchprojekte oder für die Digitalisierung der Vertriebswege.

Einsendeschluss: 31. Oktober; die Vergabe erfolgt nach dem »Windhundverfahren«, also dem zeitlichen Eingang der Anträge.
Beratung: Projektteam Buchhandel, buchhandlung_
neustartkultur@boev.de, 069 / 1306-306
Fördersumme: Kleinere Buchhandlungen (bis zu zwei Millionen Euro Umsatz) können bis zu 7 500 Euro erhalten. Der erforderliche Eigenanteil liegt bei 20 Prozent.
Antragsstelle: Anträge können unter www.boersenverein.de/neustartkultur gestellt werden.