Constanze Kleis über Bücher zum Fest

Schenkt Maßarbeit statt Stangenware!

5. Dezember 2024
Constanze Kleis

Die Wörter "Gift" und "Geschenk" haben nicht umsonst dieselbe etymologische Wurzel, weiß unsere Kolumnistin Constanze Kleis. Ihr Rat für Weihnachtsgaben: Bücher kaufen - aber nicht einfach blind ins Bestsellerregal greifen!

Bücher tauchen - anders als Tortillapressen  - in keiner mir bekannten Liste der überflüssigsten Geschenke auf.

Constanze Kleis, Journalistin, Kolumnistin und selbst Bestseller-Autorin

Natürlich schenkt man an Weihnachten. Wann denn sonst? Schließlich gilt es jede Gelegenheit zu nutzen, anderen eine Freude zu machen und diese ist eine der Besten. Nicht umsonst heißt es "das Fest der Liebe."

"Wir schenken uns nichts!" ist deshalb nach "Die Wohnung ist abgebrannt!" der vermutlich trostloseste Satz überhaupt. Bleibt nur die Frage: Was schenke ich? Die Antwort lautet selbstverständlich: Bücher!

Erstens tauchen sie - anders als Tortillapressen und Furzkissen - in keiner mir bekannten Liste der überflüssigsten Geschenke auf. Zweitens braucht man für Bücher nicht viel Geld und dann sind im vergleichsweisen kleinen Preis außerdem sehr großartige, eigentlich unbezahlbare Dinge enthalten: Entspannung, Horizonterweiterung und eine Einladung in den Proberaum des Lebens.

Lesen verlängert das Leben - wie eine Studie schon 2016 zweifelsfrei ergeben hat.

Constanze Kleis

Denn alles, was man beim Lesen an Ergreifendem, Lustigem, Ernüchterndem, Brutalem, Herzzerreißendem, Rosaroten und Tiefschwarzen erlebt und fühlt - man ist ja bloß in den Schuhen anderer Menschen unterwegs. Ach ja, und das Leben verlängert Lesen außerdem auch.

Das hat eine Studie der Yale University bereits 2016 zweifelsfrei ergeben. Demnach leben Menschen, die mindestens dreieinhalb Stunden in der Woche mit dem Lesen von Büchern verbringen, im Durchschnitt zwei Jahre länger als Nichtleser.

Ja, das ist toll. Nicht so toll: Dass einem bei all der Buch-Preiserei hier nicht auch gleich eine Anleitung mitgeliefert wird, was genau man der Tante, dem Mann, der Schwester, der Freundin, dem Cousin denn genau unter die Tanne legen kann.

Geschenke sorgen für einen emotionalen Kredit, von dem man ein ganzes Jahr zehrt.

Constanze Kleis

Tut mir leid, da kann ich nicht behilflich sein. Ich kenne Ihre Liebsten ja nicht. Ich weiß nur, was ich meinen schenke. Und auch, dass das manchmal nicht so einfach ist. Nicht umsonst haben "Gift" (althochdeutsch für Gabe) und "Geschenk" dieselbe etymologische Wurzel.

So fürsorglich etwa Beziehungsratgeber gemeint sind: Sie weisen auf ein Defizit hin und könnten etwas gönnerhaft oder auch passiv-aggressiv wirken. Ganz so, als hätte man mit dem anderen noch 'ne Rechnung offen und wolle den Beschenkten zum Bezahlen zwingen - aber so, dass der sich offiziell nicht mal ob der Unverschämtheit beschweren kann. War ja nur gut gemeint.

Dann verbietet sich, finde ich, sich einfach an der Bestsellerliste zu orientieren. Nach der Devise: Die vielen, die das Buch dorthin gebracht haben, können nicht irren. Das wäre kaum zielführender als ein Einkauf entlang der Weihnachtsangebote beim einschlägigen Kaffeeröster.

Am besten sammelt man wie ein Eichhörnchen - nicht Nüsse, sondern Informationen. Und geht dann in den Buchladen seines Vertrauens.

Constanze Kleis

Ein Präsent dient nämlich dem höheren Zweck, ein soziales Band herzustellen, das noch in schlechten Zeiten hält, so der Ethnologe Marcel Mauss, der mit dem Essay "Die Gabe" das Standardwerk über das Schenken schrieb.

Meint: Präsente verschaffen einem einen emotionalen Kredit, von dem man ein ganzes Jahr zehrt. Den bekommt man aber nur mit Maßarbeit und nicht mit Stangenware. Deshalb beginnt man am besten JETZT mit beobachtender Teilhabe und schaut, was die Schwester, den Bruder, die Freundin gerade brennend interessiert. Sammelt wie ein Eichhörnchen - nicht Nüsse, sondern Informationen - und geht dann solchermaßen bestens vorbereitet in den Buchladen seines Vertrauens, um sich von den Fachkräften beraten zu lassen.

Schließlich wissen die am besten was eine introvertierte, überlegte, ordnungsliebende Single-Frau Mitte 40 mit einem Faible für französisches Kino, Swing und Pilates so gefallen könnte.

Ja, das klingt ein wenig anstrengend. Aber so kann man sein Buchgeschenk sehr hübsch eingepackt und souverän mit all den Überlegungen überreichen, die dem voraus gegangen sind. Was es noch einmal besonders kostbar macht.

Ganz ohne Gedanken geht Schenken natürlich auch. Aber ich sage es Ihnen gleich: Damit verabschiedet sich der Beziehungsfrieden schneller als man "Fröhliche Weihnachten!" sagen kann.