Kolumne Dieter Dausien, Hanau

Schulbuchgeschäft: Treten Sie in Kontakt mit Ihrer Kommune!

29. März 2022
von Börsenblatt

Das Schulbuchgeschäft könnte Buchhändler:innen viel Spaß machen - wenn da nicht das Vergaberecht wäre. Damit das Geld und die Kontakte zu Leser:innen vor Ort bleiben, sollten die Kolleg:innen in Kontakt mit ihren Kommunen treten, meint Dieter Dausien vom Buchladen am Freiheitsplatz in Hanau. 

Schulbuch-Tüten in der Buchhandlung Hoffmann in Oebisfelde 

Dieser Tage ging es wieder mal ums Schulbuch. Ein altes Thema, für manche Buchhandlung eine Last, für andere ein Quell der Liquidität im Sommerloch. Wie auch immer – öffentliche Auftraggeber pumpen eine Menge Geld in die Anschaffung von Buchbeständen und damit in den Handel. Grundsätzlich erst mal gut und für viele KollegInnen ein Grundpfeiler der Kalkulation.

Die Strukturen der Schulbuchbeschaffung sind verworren – je nach Bundesland kauft die Schule, der Schulträger (i.d.R. Stadt oder Landkreis) oder das Land selbst. Oder die Eltern. Oder Mischformen davon. Meist aber wird die Einkaufsentscheidung lokal getroffen, vor Ort und damit im Einzugsbereich ansässiger Buchhandlungen. Das könnte eine wunderbare Situation sein, in der sich Kontakte lohnen und man noch mit Kundenbindung und persönlicher Begegnung arbeiten kann.

Was verloren geht, ist der Umsatz bei der Buchhandlung vor Ort und der persönliche Kontakt zwischen Kunde und Lieferant, bei dem vieles auf kurzem Wege geklärt werden kann.

Leider ist das häufig nicht so, europäisches und nationales Vergaberecht stehen dem entgegen. Denn öffentliche Aufträge von mehr als 215.000 Euro müssen zwingend EU-weit ausgeschrieben werden. Nun wird man einwenden, dass in Deutschland die Buchpreisbindung gilt, insofern also jeder Bewerber den gleichen Preis anbieten muss. Und das ist auch so, allein, das Vergaberecht gilt dennoch. So kommt es dazu, dass eine Kommune, die für ihre sechseinhalb Gymnasien und Berufsschulen Schulbücher anschaffen will, dabei die magische Grenze überschreitet und die Ausschreibung, so wie die für die Ausstattung der Mehrzweckhalle, in einschlägigen EU-weiten Ausschreibungsportale stellen muss. Das lesen Buchhandlungen landauf landab und bewerben sich. Aber nicht nur die, sondern auch Spezialunternehmen, die sich auf genau diesen Geschäftszweig verlegt haben. Die Angebote trudeln ein, sind inhaltlich identisch, ein paar werden wegen Formfehlern oder nicht vorhandener 0800-Telefonnummer aussortiert und unter dem Rest wird – ausgelost.

So kommt es dazu, dass ein Händler in Flens- Schulbücher nach Freiburg liefert oder umgekehrt. Ökologisch ist das nicht, wobei der findige Händler die Bücher vielleicht direkt vom Verlag schicken lässt. Was allerdings schwierig wird, wenn die Schule auf Klassenräume verteilte Lieferung fordert. Oder der Händler gibt es wiederum an einen spezialisierten Dienstleister. Wie auch immer: Was verloren geht, ist der Umsatz bei der Buchhandlung vor Ort und der persönliche Kontakt zwischen Kunde und Lieferant, bei dem vieles auf kurzem Wege geklärt werden kann.

Kärrnerarbeit, die sich lohnt

Es ist völlig verrückt: Die Kommune vergibt den Umsatz nach außerhalb, incl. Steuererträge und Arbeitsplätze. Und der Buchhandlung entgeht der Umsatz, der gebraucht wird, um die vielen Aktionen zur Leseförderung zu finanzieren: Vom Welttag des Buches, Unterstützung von Lesungen, Anzeigen im Abibuch bis zu Lesetüte, Lesekoffer und dergleichen mehr. Mal ganz abgesehen vom Beitrag vieler Buchhandlungen zum lokalen Kulturgeschehen. Und mal ganz davon abgesehen, dass es eine Einkaufsstraße ziert, wenn es hier nicht nur Nagelstudios und Drogeriemärkte gibt, sondern eben auch noch eine Buchhandlung.

Der Weg für diese Art der lokalen Wirtschaftsförderung ist eigentlich recht einfach: Der Schulträger entscheidet sich für die Zuweisung eigener Budgets an die einzelnen Schulen und diese besorgen sich die von ihnen benötigten Bücher selbst im örtlichen Handel. Bestellt wird dann nicht mehr zentral für alle dreieinhalb Gymnasien oder 7 Grundschulen auf einen Schlag, sondern - weit unterhalb der Schwellenwerte für bundesweite oder gar EU-weite Ausschreibungen – von jeder Schule selbst. Rechtlich möglich ist das. Man muss es nur wollen. Leider fehlt dafür offensichtlich häufig das Bewusstsein. Das ist die Aufgabe für die Kolleg:innen vor Ort: In Kontakt zu ihrer Kommune zu treten, Fäden zu spinnen, über die vergaberechtlichen Möglichkeiten aufzuklären (hierzu gibt es Material der Rechtsabteilung des Börsenvereins) und auf das nötige „Buy-Local-Bewusstsein“ hinzuwirken. Kärrnerarbeit, aber unumgänglich.