MEINUNG: 2G-Regel im Einzelhandel

"Täglich als Polizist antreten zu müssen, ist schwer erträglich"

1. Dezember 2021
von Börsenblatt

Seit Einführung der Impfnachweispflicht im Einzelhandel sind Stephanie Richter und ihre Mitarbeiter von der Buchhandlung Hornscheidt im baden-württembergischen Königsfeld  täglichen Aggressionen ausgeliefert - von Geimpften. Ihr Beruf mache ihr so seit Wochen keine Freude mehr. Regierung und Medien lädt sie deshalb für ein paar Tage ein, „kurz die Luft des realen Alltags zu schnuppern“.

Lieber Herr Ministerpräsident Kretschmann,
Liebe Bundesregierung,
Liebe Vertreter der Mainstream-Medien,

gerne lade ich Sie für ein paar Tage Hospitanz, während des ohnehin schon anstrengenden Weihnachtsgeschäftes, in meine Buchhandlung ein. Einfach nur um wenigsten für eine kurze Zeit die Luft des realen Alltags zu schnuppern, fern ab von Schreibtischen, Konferenzräumen und Bildschirmen.

Seit Einführung der Impfnachweispflicht im Einzelhandel (mit jeder Menge Ausnahmen von Geschäften des vermeintlichen Grundbedarfs) sind meine Mitarbeiter und ich täglich diversen Aggressionen ausgeliefert. Wir werden von geimpften Kunden verspottet, beschimpft und beleidigt. Das alles nur, weil wir der gesetzlichen Pflicht nachkommen uns den Impfnachweis vorzeigen zu lassen. Von "habe ich gestern schon gezeigt" , über "habe ich halt im Auto vergessen", bis hin zu "nur bei Ihnen gibt es dieses Affentheater" ist alles dabei.

Ermahnungen wie, bitte den Mundschutz zu tragen oder auf einen Abstand zu achten, trauen wir uns schon gar nicht mehr auszusprechen. Geimpfte Kunden sind in der Mehrzahl der Fälle fest davon überzeugt Repressalien ausgesetzt zu sein, denn: sie wären ja jetzt sicher. Dreimal geimpft.

Ansteckungen trotz Impfung? "Ne, ne, wir sind "'save'." Und das ist auch das, was  Bürgern nach wie vor vermittelt wird - siehe Corona Verordnung BaWü vom 24.11. Geimpfte können sich weiterhin ohne Einschränkungen privat treffen. 

In meinem kleinen Ort im Schwarzwald befindet sich gegenüber meiner Buchhandlung ein Blumengeschäft, nebenan ein Tabak/Zeitschriften Geschäft und eine Apotheke ein Haus weiter.

Schon schwer, der Kundschaft zu vermitteln, weshalb Blumensträuße oder Zigaretten so lebensnotwendig sind, dass dort jeder, ungeachtet der Personenzahl, ein und ausgehen kann, ohne jemals einen Nachweis vorweisen zu müssen.

Die Medien erwecken zusätzlich den geschönten Eindruck, dass Kunden/ Endverbraucher, die sozial verantwortungsbewussten Bürger seien, die bedingt durch ihre Impfung alle Regularien klaglos hinnehmen würden. Getreu dem Motto: Jetzt halten wir alle zusammen! Die Realität zeigt leider ein vollkommen anderes Bild.

Mein Beruf als Buchhändler macht mir seit Wochen keine Freude mehr. Vorbei die Zeiten, in denen freundliche Gespräche möglich waren, man seinen ganzen Elan in Kunden freundliche Konzepte stecken konnte. Täglich neu als Polizist statt als Buchhändler anzutreten und dabei Erklärungen für Maßnahmen zu vermitteln, die sich mir selbst nicht erschließen, ist nicht nur schwer erträglich, sondern fernab jeglicher Maßnahmen, die Sinn machen.

Übrigens: Ungeimpfte Bürger werden bei uns auch vor dem Ladengeschäft bedient. In dieser Gruppe von Kunden erleben wir dankbare, geduldige Zeitgenossen.

Ich selbst bin genesen, deswegen wäre es in meinem eigenen Interesse sinnhafte Maßnahmen umzusetzen, die schützen, statt in falsche Sicherheit zu wiegen und so Aggressionen zu befeuern.