Analyse

Vorsprung vor anderen Einzelhändlern

29. Oktober 2020
von Christina Schulte

Der Buchhandel könnte es in den kommenden Wochen leichter haben als andere Einzelhandelsbranchen.

Zuversicht, Mut, Frustrationstoleranz, Durchhaltevermögen, Einsatzbereitschaft und Flexibilität verlangt die Corona-Pandemie den Unternehmer*innen in Deutschland ab (die Liste der Anforderungen ließe sich noch verlängern). Jetzt also Teil-Lockdown im November. Der Beginn des Weihnachtsgeschäfts wird sich dadurch vorläufig in nahezu leeren Fußgängerzonen, Innen- und Vorstädten abspielen. Vor diesem Szenario fürchten sich viele Einzelhändler, für die die mangelnde Kundenfrequenz existenzbedrohend ist. Sie befürchten einen neuerlichen Schub für den Online-Handel, der ihnen weitere Umsätze abnimmt. Insbesondere dann, wenn sie nicht selbst am Online-Handel partizipieren. Ob die Kunden im Dezember in großem Stil in die Läden zurückkehren, wenn Frequenzbringer wie Weihnachtsmärkte fehlen und die Pandemielage unsicher bleibt, ist noch vollkommen unklar.

Die Kreativität der Buchhändler*innen war in der ersten Schließungsphase beispielhaft für den gesamten Handel

Kreativität gezeigt, Kunden gewonnen

Der Buchhandel aber hat bereits beim ersten Lockdown im Frühjahr bewiesen, dass die Geschäfte auch ohne direkten Kundenkontakt im Laden laufen können, wenn auch mit einem deutlich höheren Aufwand und Einsatz. Die große Umsatzlücke, die sich trotz aller Aktivitäten während des Lockdowns aufgetan hat, konnte in den vergangenen Monaten mit einer fulminanten Aufholjagd im Sortimentsbuchhandel auf unter zehn Prozentverringert werden. Das ist ein ermutigendes Zeichen.

Die Kreativität der Buchhändler*innen war in der ersten Schließungsphase beispielhaft für den gesamten Handel – diese Erfahrungen kommen der Branche jetzt zugute. Seien es die verschiedensten Abholungs- oder Belieferungsoptionen, der enge Kundenkontakt über soziale Netzwerke oder die persönliche Beratung am Telefon. Auf all das kann aufgebaut werden. Konzepte, um die Einhaltung der verschärften AHA-Regeln auf den Ladenflächen zu gewährleisten (ein Kunde pro zehn Quadratmeter), sind auch schon da: Sie reichen von besonderen Angeboten wie Frühabholung zwischen sieben und neun Uhr bis hin zur individuellen Stöberzeit in den Abendstunden oder am Wochenende. Den Kund*innen zu vermitteln, sich nicht allzu lange im Laden aufzuhalten und ihnen zu zeigen, dass das Online-Stöbern eine attraktive Option für Weihnachtseinkäufe ist, wird herausfordernd.

In den letzten Monaten haben viele Buchhandlungen davon berichtet, dass sie neue Kund*innen hinzugewonnen haben, die in den nächsten Wochen sicherlich ihre Solidarität unter Beweis stellen und die Geschäfte weiter ankurbeln werden. Das Bewusstsein, die Läden vor Ort zu unterstützen, hat in der Corona-Pandemie nachweislich zugenommen. Dass den Buchhändler*innen dennoch ein weiterer, großer Kraftakt bevorsteht, ist offensichtlich.

Lieferkette muss laufen wie geschmiert

Das gilt auch für den Zwischenbuchhandel, der schon im Frühjahr alles dafür getan hat, um die Lieferketten aufrecht zu erhalten – unter erschwerten und unwirtschaftlichen Bedingungen. Durch verschärfte Abstands- und Hygieneregeln wird diese Aufgabe in den nächsten Wochen bei den zu erwartenden hohen Volumina, etwa auch bei den Einzelpackstücken aus den Onlinebestellungen, nicht einfacher. Die Buchhandlungen pünktlich zu beliefern, die Lieferungen vollständig und in einem guten Zustand im Laden ankommen zu lassen, die Internetbestellungen zeitnah an die Kund*innen auszuliefern – all das ist unter Corona-Bedingungen eine Herkulesaufgabe. Mitspielen müssen natürlich auch Lieferanten wie DPD oder die Deutsch Post, die mit einem Rekordaufkommen an Päckchen und Paketen rechnet und die Bestellungen auch abends ausliefern will.

 

Eine reibungslose Logistik unter Corona-Bedingungen ist eine Herkulesaufgabe.

Wie das Weihnachtsgeschäft und das Corona-Jahr unter dem Strich für den Buchhandel ausgehen werden, das zeigt sich erst in der Endabrechnung. Dann wird man sehen, ob der Umsatz zu teuer erkauft wurde, um ein wirtschaftliches Ergebnis zu erzielen. Aber, und so könnte man es auch sehen und darauf hoffen: Dann sind in diesem besonderen Jahr Investitionen in Aufbau und Vertiefung von Kundenbeziehungen getätigt sowie ein Digitalisierungsschub erreicht worden – all das sollte sich dann im nächsten Jahr auszahlen.

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